Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Schlechte Bezahlung von Frauen - die üblichen Lügen

Alex Andro, Saturday, 07.03.2009, 21:11 (vor 6136 Tagen) @ Melanippos

1) „Und es ist unumstößliche Tatsache, dass die berufliche Qualifikation
eines Krankenpflegers weitaus höher ist als die eines Kfz-Mechanikers.“
Ach ja!? Was macht denn den bspw. Frank-Starling-Mechanismus so
unumstößlich einzigartig, dass dagegen das Ohmsche Gesetz und seine
Anwendungen im Kfz-Bereich inferior erscheinen? Ich fürchte: Nichts!

Du sprichst in Rätseln ...


2) „Das eine ist eine Berufsfachschulausbildung, die mindestens die
Fachoberschulreife voraussetzt, das andere eine praktische Ausbildung, für
die der Hauptschulabschluss genügt.“
Das ist schlicht falsch. Zugangsvoraussetzungen der
Theodora-Konitzky-Krankenpflegeschule, Bad Nauheim:
Zugangsvoraussetzungen:
Vollendung des 17. Lebensjahres erwünscht
Gesundheitliche Eignung zur Ausübung des Pflegeberufes
Gute Sprachkenntnisse in Wort und Schrift
Bei ausländischen Bewerbern unbefristete Aufenthalts- und
Arbeitserlaubnis
Realschulabschluss oder eine andere gleichwertige, abgeschlossene
Schulbildung,
oder
Hauptschulabschluss oder eine gleichwertige Schulbildung, sofern der
Bewerber eine Berufsausbildung mit einer vorgesehenen Ausbildungsdauer von
mindestens zwei Jahren erfolgreich abgeschlossen hat
oder
wenn die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Krankenpflegehelfer
oder Krankenpflegehelferin vorliegt. (Nebenbei ist mir eine FOS-Reife
unbekannt, wenn, dann kenne ich das als Fachabitur.)In beiden
Ausbildungszweigen genügt also im Zweifel der Hauptschulabschluss,
wenngleich die Ausbilder mittlere Reife bevorzugen.

Die Fachoberschulreife ist kein Fachabitur, sondern ein erweiterter mittlerer Bildungsabschluss, der zum Besuch einer Fachober- oder Berufsfach(ober)schule berechtigt. Hauptschulabschluss plus zweijährige Berufsausbildung gelten diesem Abschluss als gleichwertig. Es darf aber auch eine dreijährige Ausbildung innerhalb des dualen Systems sein, also zum Beispiel eine Kfz-Mechanikerlehre. Wenn der Mechanikerlehrling seine Prüfung bestanden hat, hat er letztendlich eine schulische Qualifikation erreicht, mit der er dann eine Ausbildung zum Krankenpfleger beginnen darf.

In der Regel ist das Bildungsniveau an den Pflegefachschulen heute ziemlich hoch. Und m.W. besitzt > 1/3 der heutigen Schwesterngeneration das Abitur. Die Ausbildung ist begehrt und die Kliniken können sich ihre Schülerinnen deshalb auswählen. Neben den rein schulischen Voraussetzungen ist dann auch noch die Persönlichkeit und Reife der Bewerber entscheidend. Da ist schon so mancher berufliche Traum geplatzt, weil die Voraussetzungen falsch eingeschätzt wurden!


2.1) Verantwortung/Menschenleben: Traditionell tun die Pflegenden so, als
sei jeder ihrer Handgriffe mit dem Menetekel behaftet, über Leben und Tod
zu entscheiden, was selbstredend blanker Unsinn ist. Diese Hybris lässt
sich nicht mal für Intensivstationen und Aufwachräume aufrecht erhalten.

Warum immer gleich ins Extreme fallen? Natürlich ist nicht JEDER Handgriff lebensentscheidend, sehr wohl aber diejenigen, auf die es ankommt. Und dann muss schnell und fehlerfrei gehandelt werden. Da kann man nicht erst noch im Leitfaden für Notfallmedizin nachschlagen.

Es
sind verantwortungsgeneigte Berufe, das stimmt, aber die Redundanz des
Systems ist so groß, dass die Mär vom letzten Schwesterlein, das unter
Aufbietung aller Verantwortung und dem letzten Zäpfchen Paracetamol in der
Hand, das die Station zu bieten hat, Gevatter Hein in die Schranken und
damit von Station weist, absurd ist.

Ich selbst habe geschrieben, dass die Qualitäts- und Leistungsunterschiede sehr groß sind. Und wer nicht selbstständig arbeiten kann oder ständig kontrolliert werden muss, der muss sich halt mit den einfacheren Aufgaben zufrieden geben und Zäpfchen einführen. Es kommt bei den qualitativen Anforderungen letztendlich auch darauf an, in welchem Fachgebiet man tätig ist. In der Orthopädie oder der Allgemeinchirurgie werden an die Pflegenden verhältnismäßig geringe Anforderungen gestellt, in der Inneren, der Neurologie oder Transplantationschirurgie siehts dagegen ganz anders aus. In der Neurologie zum Beispiel werden die Pflegekräfte mit in die Therapie einbezogen. Sie müssen therapeutisch lagern, mobilisieren und sensorisch stimulieren - pathologische Reflexe verhindern. Das macht sie nicht zu Therapeuten, geht aber übers Waschen und Klistieren weit hinaus. Sie werden dafür aber nicht besser bezahlt, da sie keine Fachpfleger sind.

Die "Redunanz des Systems" - ich denke, Du meinst die Kontrollinstanzen - sind bei weitem nicht so lückenlos wie Du glaubst. Es wird zwar viel dokumentiert, aber nicht tatsächlich kontrolliert. Die Pflegenden stehen zwar unter ständiger Beobachtung, aber wem fällt schon auf, wenn falsche Werte in die Patientenakte eingetragen und von da ab die Grundlage für die weitere Behandlung bilden.

Im übrigen ist für die Arbeit auf Intensivstation eine zweijährige Fortbildung in Anästhesie/Intensivmedizin notwendig. Normale Pflegerinnen arbeiten deshalb i.d.R. nicht auf Intensivstation, oder nur als Assistenz der Fachpfleger.


3) „Die Krankenschwester ist es, die den Patienten überwacht. Und erst
wenn sie Alarm schlägt, kommt der Arzt hinzu.“
Schön wär’s! Bei uns sind 36 Betten Stationen auch an Op-Tagen oft nur mit
zwei Pflegenden besetzt, auf jeden Fall, wenn das Programm beendet ist.
Daran ändern auch ausgeklügelte Schichtsysteme wenig. Demnach ist es
zumeist der Patient selbst, andere Patienten oder aber Angehörige oder
sonstige Besucher, die die Schwester auf ein/en Bedürfnis/Zwischenfall
aufmerksam machen. Dass sie dann die entsprechenden Maßnahmen ergreift, ist
ja wohl selbstverständlich.

Das erste, was Du hier ansprichst, ist der eklatante Pflegemangel. Und "2 auf 36" ist bereits "gefährliche Pflege" und auch nicht nur hochgradig verantwortungslos, sondern kriminell. Und wenn Krankenschwestern nur noch auf Meldung durch den Patienten oder dessen Angehörigen reagieren können, dann ist das ganz und gar nicht im Sinne einer adäquaten und fachgerechten Versorgung. Du übersiehst dabei zudem einen entscheidenden Faktor: Auch wenn die Schwester aufgrund der Arbeitsüberlastung auf etwas aufmerksam gemacht werden muss, so muss sie dennoch die Relevanz des Geschehens richtig einordnen können. Und es widerspricht deshalb nicht meiner Aussage, dass sie in der Lage sein muss, einen quersitzenden Furz von perforierten Divertikulitiden unterscheiden zu können. Diese Entscheidung muss sie aber alleine treffen. Sie entscheidet, ob sie den Arzt dazu holt (dazu holen muss), oder ob sie die Versorgung des Patienten selbst übernimmt. Diese Kompetenz wird von ihr erwartet, dafür ist sie ausgebildet!

Wenn man als Außenstehender daneben steht, könnte man denken "ach, die wechselt ja nur den Verband". Aber bevor sie das tut, hat sie Einschätzungen vorgenommen und Entscheidungen getroffen, die sie nur aufgrund ihres Fachwissens treffen konnte. Es kommt nicht darauf an, was man macht, sondern warum!


4) Die weitschweifigen Ausführungen zur Pflege, zum Inbeziehungsetzen usw.
sind bestenfalls der Versuch, intellektuell einfache Tätigkeiten zu
überhöhen, nämlich in der Absicht, die eigenen Interessen bzw. deren
Durchsetzung zu befördern.

Ich habe diesbezüglich keine eigenen Interessen. Denn ich habe mit Pflege nichts weiter zu tun, außer dass es Kollegen sind, mit denen ich arbeiten muss. Ich will auch nichts überhöhen, sondern relativieren - nämlich Deine ungerechtfertigte Abwertung des Berufsbildes! Ich weiß auch ehrlich gesagt nicht, welchen Grund Du hast, auf diese Menschen von oben herab zu sehen?!

Nur zur Altenpflegerin: Die scheitert nicht an
der hochkomplexen Kompliziertheit ihrer Tätigkeit sondern an der schieren
Masse, der zu erledigenden Aufgaben. Ein bloßer Besuch (z. B. als
Konsiliarius) in einer solchen Einrichtung genügt, um sich ein Bild davon
zu machen. Wer es genauer wissen will, dem sei „Abgezockt und totgepflegt“
von Markus Breitscheidel empfohlen. Da findet man auch Näheres zu den
Qualifikationsvoraussetzungen.

Anprangernde populistische Bücher gibt es zuhauf ...

Ich habe auch zu keinem Zeitpunkt abgestritten, dass es eklatante Mängel in der Pflege gibt. Ich gehe jedoch, von Einzelfällen abgesehen, davon aus, das nicht das Pflegepersonal für diese Mißstände verantwortlich ist. Schau dir die Bedingungen an, unter denen das Personal arbeiten muss, dann weißt du bereits wo der Hase im Pfeffer liegt.


5) Aha, die Hierarchien gibt es wegen der Inkompetenz, soso. Respektive
dienen sie dazu, die Inkompetenz sichtbar zu machen und zu beseitigen.
Interessanter Ansatz, nur leider völlig lebensfremd.

Unterscheide bitte zwischen beruflicher und sozialer Hierarchie und dreh mir nicht vorsätzlich die Worte im Mund herum! Hierrachien gibt es auch nicht nur zwischen den Berufsgruppen, sondern auch innerhalb derselben. Und wenn Du deinen Frühstückskaffee schon mal im Schwesternzimmer genossen hast, dann weißt Du, was ich meine. Ich habe auch schon erlebt, dass Ärzte in der Hierarchie unter den "Alpha-Pflegerinnen" standen. Wenn die dich als inkompetent einschätzen, dann kriegst Du nicht mal mehr ´nen Kaffee gereicht wenn Du im Schwesternzimmer aufschlägst. Und weitaus schwerwiegender ist, dass Du in der Informationskette vorsätzlich übergangen wirst und nur über Umwege Daten von deinen Patienten erhälst, oder bei Notfällen grundsätzlich zuerst ein Kollege von dir gerufen wird, weil man dir nichts zutraut. Und so etwas bekommt auch der Chefarzt mit - und übergeht dich demonstrativ bei den Visiten. Habe ich alles schon erlebt (glücklicherweise nicht als Betroffener!)


6) Der Begriff „Funktionspflege" mag unglücklich sein, zugegeben. Gemeint
sind damit Tätigkeiten außerhalb der Normalstationen, z. B. OP, Intensiv,
Endoskopie usw., die eine weitere besondere Qualifikation voraussetzen, die
teilweise im Wege der Weiterbildung erworben werden muss. Für diese Kräfte
ändern sich Nachfrage und Gehalt z. T. drastisch.

Ja, nur sind das dann auch Fachkrankenpfleger. Die Fortbildung zum Intensivpfleger dauert, wie oben bereits erwähnt, zum Beispiel zwei Jahre und wird berufsbegleitend duchgeführt. Sie ist im Prinzip mit einem Meisterlehrgang vergleichbar. Und es ist, wie mir gesagt wurde, schwer dran zu kommen.

8) Meine Äußerung bezog sich auf das undifferenzierende Statement der vdL.
Dass die Bulettenverkäuferin bei McD an keine gläserne Decke stößt, kann
kaum überraschen. Ebensolches gilt für eine Pflegende. Mit dieser Aussage
(vdL) wurde m. E. der Eindruck erweckt, alle Frauen in allen Verwendungen
stoßen an gläserne Decken, was Unsinn ist, wie Bierach phasenweise brillant
nachweist.

Da sind wir uns gar nicht uneins, aber warum diskreditierst du dann überhaupt die Pflegeberufe? Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Im übrigen ging es der UvdL in diesem Beispiel nicht um die gläserne Decke, sondern um eine ungleiche Bewertung von Arbeitsleistung.


9) Mein Beitrag war sachlich und ohne Hass,

War nicht, sondern ist jetzt - nachdem er von den entsprechenden Passagen "bereinigt" wurde. Er ist in der derzeitigen Fassung ja gerade einmal nur noch halb so lang wie im Original ...

Hingegen muss ich mir eine gewisse zynische
Schnoddrigkeit zurechnen lassen. Das stimmt, zu der stehe ich aber auch,
denn wenn mir eines mehr zuwider ist als die Femofaschismus, dann ist es
Gut-, Besser- und Bestmenschentum. Das ist letztlich eine vergleichbar
totalitäre Soße mit anderer Dekoration. MN

Das ist aber kein Grund unsachlich und beleidigend zu werden.

Alex


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