Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Schlechte Bezahlung von Frauen - die üblichen Lügen

Melanippos, Friday, 06.03.2009, 19:50 (vor 6137 Tagen) @ Alex Andro

Der Mann mit der Lampe: Florian Nightingales flammende Rede zur Verteidigung der geknechteten Pflegenden! Na ja, wenn’s konveniert. Bitte sehr. Aber das Eine oder Andere ist doch richtig zu stellen. Besonders wenn Behauptungen widerlegt werden, die nicht aufgestellt wurden respektive Behauptungen erhoben werden, die schlicht falsch sind.

1) „Und es ist unumstößliche Tatsache, dass die berufliche Qualifikation eines Krankenpflegers weitaus höher ist als die eines Kfz-Mechanikers.“
Ach ja!? Was macht denn den bspw. Frank-Starling-Mechanismus so unumstößlich einzigartig, dass dagegen das Ohmsche Gesetz und seine Anwendungen im Kfz-Bereich inferior erscheinen? Ich fürchte: Nichts!

2) „Das eine ist eine Berufsfachschulausbildung, die mindestens die Fachoberschulreife voraussetzt, das andere eine praktische Ausbildung, für die der Hauptschulabschluss genügt.“
Das ist schlicht falsch. Zugangsvoraussetzungen der Theodora-Konitzky-Krankenpflegeschule, Bad Nauheim:
Zugangsvoraussetzungen:
Vollendung des 17. Lebensjahres erwünscht
Gesundheitliche Eignung zur Ausübung des Pflegeberufes
Gute Sprachkenntnisse in Wort und Schrift
Bei ausländischen Bewerbern unbefristete Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis
Realschulabschluss oder eine andere gleichwertige, abgeschlossene Schulbildung,
oder
Hauptschulabschluss oder eine gleichwertige Schulbildung, sofern der Bewerber eine Berufsausbildung mit einer vorgesehenen Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren erfolgreich abgeschlossen hat
oder
wenn die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Krankenpflegehelfer oder Krankenpflegehelferin vorliegt. (Nebenbei ist mir eine FOS-Reife unbekannt, wenn, dann kenne ich das als Fachabitur.)In beiden Ausbildungszweigen genügt also im Zweifel der Hauptschulabschluss, wenngleich die Ausbilder mittlere Reife bevorzugen.

2.1) Verantwortung/Menschenleben: Traditionell tun die Pflegenden so, als sei jeder ihrer Handgriffe mit dem Menetekel behaftet, über Leben und Tod zu entscheiden, was selbstredend blanker Unsinn ist. Diese Hybris lässt sich nicht mal für Intensivstationen und Aufwachräume aufrecht erhalten. Es sind verantwortungsgeneigte Berufe, das stimmt, aber die Redundanz des Systems ist so groß, dass die Mär vom letzten Schwesterlein, das unter Aufbietung aller Verantwortung und dem letzten Zäpfchen Paracetamol in der Hand, das die Station zu bieten hat, Gevatter Hein in die Schranken und damit von Station weist, absurd ist.

3) „Die Krankenschwester ist es, die den Patienten überwacht. Und erst wenn sie Alarm schlägt, kommt der Arzt hinzu.“
Schön wär’s! Bei uns sind 36 Betten Stationen auch an Op-Tagen oft nur mit zwei Pflegenden besetzt, auf jeden Fall, wenn das Programm beendet ist. Daran ändern auch ausgeklügelte Schichtsysteme wenig. Demnach ist es zumeist der Patient selbst, andere Patienten oder aber Angehörige oder sonstige Besucher, die die Schwester auf ein/en Bedürfnis/Zwischenfall aufmerksam machen. Dass sie dann die entsprechenden Maßnahmen ergreift, ist ja wohl selbstverständlich.

4) Die weitschweifigen Ausführungen zur Pflege, zum Inbeziehungsetzen usw. sind bestenfalls der Versuch, intellektuell einfache Tätigkeiten zu überhöhen, nämlich in der Absicht, die eigenen Interessen bzw. deren Durchsetzung zu befördern. Nur zur Altenpflegerin: Die scheitert nicht an der hochkomplexen Kompliziertheit ihrer Tätigkeit sondern an der schieren Masse, der zu erledigenden Aufgaben. Ein bloßer Besuch (z. B. als Konsiliarius) in einer solchen Einrichtung genügt, um sich ein Bild davon zu machen. Wer es genauer wissen will, dem sei „Abgezockt und totgepflegt“ von Markus Breitscheidel empfohlen. Da findet man auch Näheres zu den Qualifikationsvoraussetzungen.

5) Aha, die Hierarchien gibt es wegen der Inkompetenz, soso. Respektive dienen sie dazu, die Inkompetenz sichtbar zu machen und zu beseitigen. Interessanter Ansatz, nur leider völlig lebensfremd. Das genaue Gegenteil trifft zu. Hierarchien im Krankenhaus dienen der Zementierung von Zuständigkeit und damit der Verschleierung von Inkompetenz. Denn ist eine Person erstmal für zuständig befunden worden, was einem gesicherten Platz in der Rangfolge gleichkommt, ist es ein Sakrileg an ihrer durch die Zuständigkeit legitimierten Kompetenz zu zweifeln, vulgo sie der Inkompetenz zu bezichtigen. Literatur: Udo Ludwig "Tatort Krankenhaus"; Frank König „Ein Chefarzt klagt an"; Werner Bartens „Das Ärztehasserbuch"; Renate Hartwig „Der verkaufte Patient"; in Teilen und Grenzen: Karl Lauterbach „Der Zweiklassenstaat".

6) Der Begriff „Funktionspflege" mag unglücklich sein, zugegeben. Gemeint sind damit Tätigkeiten außerhalb der Normalstationen, z. B. OP, Intensiv, Endoskopie usw., die eine weitere besondere Qualifikation voraussetzen, die teilweise im Wege der Weiterbildung erworben werden muss. Für diese Kräfte ändern sich Nachfrage und Gehalt z. T. drastisch.

7) „Quasimonopolstellung der Arbeitgeber": Das ist doch abgeschmackter kalter Kaffee. Erstens war es aus Sicht des Arbeiters nie anders; wem sollte er sonst seine Arbeitskraft verkaufen? Zweitens ist eine Qualifikation, die nicht nachgefragt wird, weil sie nicht benötigt wird oder durch technischen Fortschritt entwertet wurde, zwar noch ein netter Bildungsabschluss (z. B. Schustergeselle) aber kein Gütemerkmal mehr, welches einen Arbeitgeber veranlassen könnte, den Träger desselben einzustellen. Mithin ist es eben keine Qualifikation mehr! Dass die Preisfindung bestimmten Bedingungen unterliegt, ist trivial, die findet doch nicht im luftleeren Raum statt. Dabei sieht die Mixtur der Bedingungen derzeit so aus, dass die Nachfrager am längeren Hebel sitzen, also fallen die Preise. Ich kann daran nichts Überraschendes finden. Ob das gesellschaftlich gewünscht ist oder nicht, steht auf einem anderen Blatt, und hat mit dem Prinzip der Preisfindung zunächst gar nichts zu tun.

8) Meine Äußerung bezog sich auf das undifferenzierende Statement der vdL. Dass die Bulettenverkäuferin bei McD an keine gläserne Decke stößt, kann kaum überraschen. Ebensolches gilt für eine Pflegende. Mit dieser Aussage (vdL) wurde m. E. der Eindruck erweckt, alle Frauen in allen Verwendungen stoßen an gläserne Decken, was Unsinn ist, wie Bierach phasenweise brillant nachweist.

9) Mein Beitrag war sachlich und ohne Hass, was ich von deinem nicht behaupten wollen würde. Hingegen muss ich mir eine gewisse zynische Schnoddrigkeit zurechnen lassen. Das stimmt, zu der stehe ich aber auch, denn wenn mir eines mehr zuwider ist als die Femofaschismus, dann ist es Gut-, Besser- und Bestmenschentum. Das ist letztlich eine vergleichbar totalitäre Soße mit anderer Dekoration. MN


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