Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Ein Skandal!!!

Narrowitsch, Berlin, Monday, 26.01.2009, 11:01 (vor 6176 Tagen) @ carlos
bearbeitet von unbekannt, Monday, 26.01.2009, 11:07

Servus, Balduinowitsch!

Hm... nimm's mir nicht übel, mein Bester, aber mit Deiner Einschätzung in
Bezug auf AI, sowohl in Bezug auf Historie wie auch politischer Verortung
gleichermaßen, bist Du auf dem Holzweg. Womöglich hast Du, als vormaliger
"DDR"-Insasse, vieles nicht mitbekommen, was sich im Westen so abgespielt
hatte; natürlich wäre dies weder verwunderlich noch vorwerfbar.

Dem kann und will ich nicht widersprechen; dem ist so.

Tätig und wahrnehmbar geworden in der medialen Öffentlichkeit der 60-er,
70-er und 80-er Jahre war AI von Anfang an vermittels Anprangerung
hauptsächlich all jener lateinamerikanischer Militär-Regime, was per se ja
nicht unbedingt verwerflich war. Ich kann mich z.B. noch gut an die
Kampagnen und grüngefärbten Plakate anläßlich der Fußball-WM von 1978 in
Argentinien erinnern: "Fußball ja - Folter nein" Hörte sich gut an.
Respektive las sich gut. Zunächst. Auf den ersten Blick. Aber auch nur auf
den ersten, denn auf dem linken Auge erwiesen sich die links verbohrten
AI-ler demonstrativ als blind.

Ehrich, ist mir neu. Mag daran liegen, dass (auch damals schon )Presseberichte auch des Westens selektiv berichteten.

Wichtig, doll und sonstwas waren sodann unter anderem Willy Brandts Ost-
und Entspannungspolitik, der Marsch durch die Institutionen, sowie das
"antiimperialistische", friedensbewegte Gehetze gegen Konservative und
deren "revanchistischer", "kriegstreiberischer" Kritik an der Sowjetunion.

Ja, dem bin ich seinerzeit auch aufgesessen. Helmut Schmidt hielt ich wegen des Doppelbeschlußes für einen Kriegstreiber. Heute weiß ich besser.

Dr. Robert Havemann... Pfarrer Oskar Brüsewitz (Selbstverbrennung)...
Pfarrer Richard Wurmbrand (Buch: "Gefoltert für Christus.")... Alexander
Solschenizyn (Trilogie: "Der Archipel Gulag")... Wladimir Bukowski (Buch:
"Dieser stechende Schmerz der Freiheit")... Michail Voslensky (Buch:
"Nomenklatura")... sowie all die Millionen, Zahllosen und Namenlosen,
welche die kommunistischen Verbrecher um die Ecke gebracht hatten. Sie alle
hatten eines gemeinsam: AI hat sich einen Scheiß für deren Schicksal
interessiert; kaum eine Fußnote waren sie denen wert. Der einzige, der AI
sozusagen fast ein bisserl aus der Fassung gebracht hatte, war Wolf
Biermann... lololol... Ein bekennender Sozialist, den die Sozialisten aus
dem sozialistischen Bauern- und Arbeiterparadies 'rausgeworfen hatten...
lolol... Na gut... vielleicht auch noch so eine dämliche linke Knallcharge
wie Rudolf Bahro, den später die GrünInnen für sich entdeckt hatten.

Hier erlaube ich mir zu widersprechen. Nicht wenige, auch unbekannte Oppositionelle der DDR genossen einen gewissen Schutz durch Briefkontakte mit ai ...usw.
Die von Dir aufgezählten Bücher waren für uns unglaublich kostbar, kaum einer von Dummschwätzern weiß es noch. Sie gingen von Hand zu Hand, schreibmaschinenkopiert, in Auszügen, abgegriffen , fleckig --- und doch sogen wir alles , was dort zu lesen stand, wie trockene Schwämme Wasser. Informationsfreiheit - ich weiß sie zu schätzen, jeder Angriff auf sie- bringt mich zur Raserei. Erstaunlich, wie widerstandslos gewisse Aktivitäten in diese Richtung auch von Ex - Dissidenten hingenommen werden.
Was Biermann betrifft - so halte ich ihn für ein Drecksack. 1000de hielten, den Arsch für ihn hin, Flugblätter, Petition--- na du kennst das ja noch... Und plötzlich war nicht mehr wahr, was er im DDR - Untergrund sang, er stimmte schnell Lieder seiner neuen Brotherren an. Lernprozesse , nennt er das. Und hier? Prominente wurden außerlandes gemobbt... erhielten Berufsverbot. Bei den Kleinen gingen Biografien krachen, auch Bautzen bekam Neuzugänge... Herr Biermann verdiente prächtig... Sein Engagement für seine Brüder im Osten hielt sich in Grenzen. Verienstkreuz - klar.
"Es geht alles seinen sozialistischen Gang..." Und wenn ich zurückdenke- faselte damals jeder und jede von Biermann, vom Fussvolk schnell niemand mehr. Auch ai nicht.Oder selten.

Der einzige im deutschen Fernsehen, der immer wieder beharrlich und
unerbittlich über die Gefolterten und Gemeuchelten hinter dem Eisernen
Vorhang berichtete und ihnen Namen und Gesichter gab, der immer wieder die
Greuel im Reiche der Sowjetunion anprangerte, war Richard Löwenthal mit
seinem "ZDF-Magazin". Eh gloar... lolol...: Der war auch damals schon den
bumsdeutschen Linken ein gewaltiger Dorn in der Visage, und mit
Morddrohungen war er zeitlebens überreichlich eingedeckt worden, aber den
Mann einfach so, mir nix dir nix, absägen, war nich'. Richard Löwenthal war
Jude, und viele seiner Angehörigen waren von den Nazis ermordet worden. Und
um sich nicht als linken Volltrottel hinzustellen, erübrigte sich aus
diesem Grunde auch der ansonsten recht erfolgreiche Hetz-Anwurf des "Nazi"
oder des "Faschisten".

Auch da muss ich Dir recht geben. Für uns, also auch Teile der Oppositionsbewegungen, war Löwenthal ein Dorn im Auge. Wir sahen ihn als westlichen Schnitzler. Ein Spruch machte die Runde:

Die Milch wird sauer, das Bier wird schal- es spticht Karl Eduard von Löwenqual. Andere Oppositionelle, zb aus dem Kreis rund um Eppelmann, sahen das ganz anders. Die Geschichte hat ihnen Recht gegeben.

Was blieb? Richtig: Man wartete mit geballter Faust
in der Hosentasche Löwenthals Pensionierung zu Beginn der 90-er ab und
kippte alsdann das "ZDF-Magazin" stante pede auf die virtuelle Müllhalde.
Und seit damals besitzt die deutsche Wertkonservative auch kein politisches
Magazin mehr.

Da wurde so einiges gekippt. Zb der DFF - Deutscher Fernsehfunk- also das DDR - Fernsehen. Solltest du 90/91 Ost - Tv gesehen habenn, ist Dir aufgefallen, dass es nie vor und nie danach ein freiers Kommunikationsmedium in Deutschland gab. Es war wirklich frei - es musste weg, zerschlagen werden, wie Löwenthals Sendung auch. Schließlich wäre Fernsehen - Ost die größte Sendeanstalt geworden - die selbst mit dem ZDF Konkurrieren hätte können.

Ich habe schnell begriffen, dass in macherlei Hinsicht ich mich auf der Fahrt von der Scheiße unter Umgehung der Traufe direkt in der Kacke befand.

Nur noch so viel zu einer traurigen Konstanz, welche wir ja bis dato
gezwungenermaßen zur Kenntnis nehmen müssen: AI bekam damals aufgrund
diagnostizierter, penetranter Linksblindheit eine konservative Konkurrenz,
die sich freilich niemals des Interesses der mehrheitlich links eingepolten
Medien erfreuen durfte: Die "Internationale Gesellschaft Für
Menschenrechte" - IGFM. Das ist dann aber bereits eine neue Geschichte.

Gut. An meinen Überlegungen, dass die - aus welchen Gründen auch immer, womöglich zu Unrecht gewährte - gute Reputation von ai den Bach runter geht, weil der ganze Verein nun, nach dem Ende des Kalten Krieges, brutal und offensichtlich zu einem Lobbyverein für alles mögliche, besonders aber für Frauen mutiert, bleibt m.E. dennoch ein Fakt. Dass Lochbihler und co das beabsichtigen auch. An die Stelle einer(meinetwegen Schein-)Objektivität, tritt die nackte, böswillig Fratze einer Organisation, die Opferhierachien installiert. Oben Frauen - unten im Dreck der weiße, böse Mann.

carlos

Gruß! Narro

--
Extemplo simul pares esse coeperint, superiores erunt-

Den Augenblick, sowie sie anfangen, euch gleich zu sein, werden sie eure Herren sein.


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