Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Wir sitzen auf einer Blase - wann platzt sie ?

Garfield, Wednesday, 30.07.2008, 17:29 (vor 6354 Tagen) @ Donna Amaretta

Hallo Amaretta!

Ich glaube auch nicht, daß die Bauern den Reibach durch die Preiserhöhungen einfahren. Den Milchbauern hat man zwar zunächst einen höheren Milchpreis zugestanden. Das diente aber lediglich zur Rechtfertigung der deutlichen Preiserhöhungen für Milchprodukte. Man hoffte, daß die Verbraucher dafür Verständnis haben würden, immerhin haben die Bauern allein durch die steigenden Treibstoffpreise ja auch höhere Kosten.

Natürlich hat man auch von vorneherein Preiserhöhungen für weitere Produkte des täglichen Bedarfs eingeplant, bis hin zu Haarshampoo und ähnlichen Produkten, die mit der Landwirtschaft nun wirklich kaum noch etwas zu tun haben. Und man hat den Bauern danach den Milchpreis schnell wieder runter gedrückt. Die Preise für Milchprodukte sind dabei nur kurzzeitig gesunken und dann wieder schön gestiegen. Die erhöhten Preise für andere Produkte blieben hoch. Die Masse des zusätzlichen Profits bleibt also offensichtlich bei Händlern und Verarbeitern.

Ich sehe das alles so:

Seit den 1970er Jahren stiegen zunächst die Erwerbslosenzahlen an. Heute ist Erwerbslosigkeit nicht mehr das einzige Problem - es gibt heute Menschen, die auf Vollzeit arbeiten, dafür aber so jämmerlich bezahlt werden, daß sie trotzdem ALG II beantragen müssen. Von Lohndrückerei sind heute auch nicht mehr nur Menschen mit geringer oder keiner beruflichen Qualifikation betroffen. Nein, das zieht sich mittlerweile bis zu den Akademikern hin.

Das alles hat die Kaufkraft der Masse der Bevölkerung zunehmend geschwächt. Gleichzeitig nahmen die Vermögen der Super-Reichen deutlich zu. Und je mehr sie zunehmen, umso mehr Zinsen werden dafür fällig. Diese müssen letztendlich von der Masse der Bevölkerung erarbeitet werden. So beschleunigt sich die Abwärts-Spirale immer weiter, die Kaufkraft der Masse sinkt also immer schneller ab.

Gesamtwirtschaftlich betrachtet sollte es keinen Unterschied machen, wer das Geld hat. In Summe bleibt es ja erhalten. In der Praxis sieht das aber anders aus, weil die Super-Reichen ja ohnehin schon weitaus mehr Geld besitzen als sie ausgeben können. Sie geben den Überschuß also eben zum großen Teil nicht aus, sondern legen ihn an. Wenn sie das in der deutschen Wirtschaft tun, dann bleibt das Geld natürlich hier. Sie können es aber auch im Ausland anlegen, und dann ist es erst einmal weg. Auch im Nicht-Euro-Bereich werden mittlerweile Euros gebunkert, weil man dort dem Dollar weniger traut als früher. Teilweise fließt das Geld auch weiter in imaginäre Finanzblasen, wenngleich das vermutlich mit der Bankenkrise abgenommen hat. Auf jeden Fall wird das Geld zum großen Teil zumindest zeitweise dem Markt entzogen, wenn man es einem Super-Reichen gibt. Gibt man es dagegen einem Durchschnittsbürger, dann wird es zum großen Teil schnell wieder in die Märkte zurück fließen.

Aber selbst wenn man davon ausgeht, daß es keine Rolle spielt, wer das Geld hat, dann trifft das so ja nicht auf alle Teilmärkte gleichermaßen zu. Da ein Super-Reicher schon mehr besitzt als er ausgeben kann, wird er sein Mehreinkommen kaum für Produkte des täglichen Bedarfs ausgeben. Gleichzeitig muß jemand, der ein sehr geringes Einkommen hat und nun noch weniger verdient, zwangsläufig auch an Produkten des täglichen Bedarfs sparen. Es gibt dann also den Effekt, daß einige wenige Hersteller von Luxusprodukten ihre Umsätze erhöhen, während viele Hersteller von Gütern des täglichen Bedarfs Umatzrückgänge feststellen.

Wie sich das nun auf die Preise auswirkt, hängt davon ab, wie weit die Konzentration der Anbieter auf einem Teilmarkt bereits vorangeschritten ist. Die Märkte für Strom, Gas, Heizöl oder Treibstoff werden von wenigen großen Konzernen beherrscht. Dementsprechend wurden und werden dort die Preise unbeirrt immer weiter erhöht. Man geht da knallhart davon aus, daß die Kunden nun einmal auf das Produkt angewiesen sind und es so oder so abnehmen müssen. Sinkende Umsätze werden durch weitere Preiserhöhungen kompensiert.

Auf den Lebensmittelmärkten sah das lange Zeit anders aus. Dort gab es relativ viel Konkurrenz, so daß es schwer war, Kartelle und ähnliches zu bilden. Auch nutzten einige Handelsketten billige Lebensmittel, um Kunden anzulocken und ihnen dann andere Produkte umso teurer zu verkaufen.

Mittlerweile ist der Konzentrationsprozess bei den großen Lebensmittelketten weiter vorangeschritten. Möglichst hohe Profite wollen sie ja alle, und so werden sie sich eben bei Preiserhöhungen schnell einig. Die kleineren Händler können da nicht so viel beeinflussen. Die kriegen ja über den Großhandel oder über Hersteller irgendwelcher Ausgangs-Materialien (z.B. Brotteig-Mischungen) auch quasi Mindestpreise diktiert. Und natürlich freut sich auch so mancher kleiner Händler über Zusatz-Profit, besonders wenn z.B. noch Kredite abzustottern sind.

Was den Schnickschnack angeht, für den manche Leute noch Geld ausgeben: Der ist ja momentan nicht unbedingt teuer. Das liegt natürlich auch an der gesunkenen Kaufkraft. Selbstverständlich würde man z.B. elektronische Geräte oder zumindest deren wesentliche Bauteile gern in Asien billigst produzieren lassen und sie dann in Deutschland zum Wucherpreis verkaufen. Nur gibt der schwächelnde deutsche Markt das nicht mehr her. Denn solchen Schnickschnack braucht man ja nicht dringend, da spart man also zuerst. Deshalb muß man zwangsläufig die Preise niedrig halten. Wenn man aber bedenkt, daß man für eine Musikanlage, die in Deutschland einen dreistelligen Preis hat, in China umgerechnet 30 Euro bezahlt, dann wird klar, daß da immer noch eine gute Profitspanne reingerechnet wird.

Natürlich gibt es auch Menschen, die noch ein wenig Geld übrig haben und dann gern auch mal bei Lebensmitteln und ähnlichem sparen, um sich umso mehr Schnick-Schnack kaufen zu können.

Insgesamt schwächeln aber auch die "Schnick-Schnack-Märkte". So hat man jetzt wieder festgestellt, daß der Umsatz in Diskotheken zurück gegangen ist. Oft wird so etwas in den Massenmedien gar nicht oder nur am Rande erwähnt. Man spürt da immer wieder deutlich, daß man vermeiden will, daß zuviele Menschen in eine Rezessions-Stimmung geraten. Aber diese Stimmung ergibt sich bei vielen Menschen schon ganz automatisch, wenn sie sehen, daß von ihren Einkommen nach Abzug von Steuern, Abgaben und Kosten für das pure Überleben immer weniger oder gar nichts mehr übrigbleibt.

Je schwächer die Märkte werden, umso eifriger wird man darüber nachdenken, wie man noch die allerletzten Spargroschen aus den Menschen herausgeschüttelt bekommt. Es werden sich zunehmend Kartelle bilden, die die Preise für alle lebensnotwendigen Dinge hochtreiben werden. Man wird Lobbyisten auf Politiker ansetzen, um die Menschen mit fadenscheinigen Begründungen per Gesetz zum Konsum von nicht notwendigen überteuerten Produkten zu zwingen oder billige Konkurrenzprodukte (sofern es die überhaupt noch gibt) per Gesetz vom Markt zu drängen. Im Moment ist die angebliche Klimakatastrophe dafür ein beliebter Vorwand.

Wir steuern also wieder auf Zustände etwa wie in den 1920er Jahren zu, als ein eigenes Haus oder ein eigenes Auto für viele Menschen unerschwinglich war. Das allein wäre ja nicht schlimm, wenn es schon immer so gewesen wäre. Aber wie in den 1920er Jahren wird es so sein, daß viele Menschen aus der Mittelschicht ohne eigenes Verschulden alles verlieren werden, zugunsten einiger weniger Geschäftemacher. Was damals dabei herausgekommen ist, ist ja hinlänglich bekannt.

Freundliche Grüße
von Garfield


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