Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 2 - 21.05.2006 - 25.10.2012

233.682 Postings in 30.704 Threads

[Homepage] - [Archiv 1] - [Archiv 2] - [Forum]

Interessante Ausführungen

Garfield, Tuesday, 05.01.2010, 13:54 (vor 5839 Tagen) @ ajk

Hallo ajk!

Die Sache ist einfach die, das "reich" nicht die 1% Superreiche bedeutet, sondern jemand der mehr als 5000 Euro im Monat verdient.

Das ist eine Definitionsfrage. Wenn ich "reich" schreibe, dann meine ich damit alle vom Millionär aufwärts. Jemanden mit einem Monatseinkommen von 5001 Euro zähle ich nicht automatisch dazu.

Die ganzen Industrieschwergewichte fallen nicht so sehr ins Gewicht wie immer getan wird.

Ja, das ist wohl richtig, zumal die großen Industriekonzerne auch häufig zum großen Teil oder komplett im Ausland produzieren. Aber sie haben enormen Einfluß auf die Regierung, und das ist ein Problem.

Was damals um 1900 lief, ist schlicht Veränderung.

Veränderung gibt es immer. Was damals im 19. Jahrhundert lief, ist der typische Kapitalismus. Viele Menschen gerade in Deutschland halten die soziale Marktwirtschaft für die typische Form des Kapitalismus. Die soziale Marktwirtschaft ist aber eher eine Ausnahme, die man nur unter den Bedingungen des Kalten Krieges etabliert und erhalten hat. Jetzt hält man die soziale Komponente nicht mehr für nötig, zumal sie ja auch durch die Massenerwerbslosigkeit immer schwerer zu finanzieren ist. Also baut man sie nach und nach ab - es geht also wieder hin zu den Zuständen des 19. Jahrhunderts. Die Menschen im Osten Deutschlands merken das schon länger - da ist es nicht selten, daß jemand für 5 Euro pro Stunde und obendrein noch ohne Arbeitsvertrag arbeitet. Und dabei noch froh ist, überhaupt ein Einkommen zu haben. Aber auch im Westen bekommen immer mehr Menschen das zu spüren.

Das dies den Wohlstand steigerte und die Arbeiter dann mehr wollten, ist die Folge des ERFOLGS und nicht weil die Stahlbetriebe böse waren.

In der Wirtschaft interessiert sich niemand für Gut oder Böse - da zählt nur der Gewinn. In den Zeiten, als man in den Fabriken sehr stark auf menschliche Arbeitskräfte angewiesen war, mußte man diese Arbeitskräfte natürlich in guten Zeiten auch etwas besser bezahlen. Heute werden aber immer weniger menschliche Arbeitskräfte für Produktion und auch für Dienstleistungen benötigt. Dementsprechend legt man natürlich auch weniger Wert auf sie.

Und der Adel.. Hat einen schlechten Ruf. Sie haben sehr wohl etwas gemacht. Allein schon die Interessen ihres Besitzes verteidigt.

Ja, z.B. gegen ihre Untertanen, wenn diese mehr von den Früchten ihrer eigenen Arbeit behalten wollten.

Nach dem 1 Weltkrieg war DE dann auch Kopflos. Und prompt am Arsch.

Deutschland war nie kopflos. Es findet sich immer jemand, der sich zum Anführer berufen fühlt - das ist nie ein Problem, in keinem Land der Welt. Nach dem Ersten Weltkrieg konnte es in Deutschland doch kaum gut laufen. Deutschland hatte den Krieg verloren, bekam unfairerweise die alleinige Schuld am Krieg aufgedrückt, und das nutzten die Sieger aus, um das deutsche Potenzial in jeder Hinsicht möglichst zu verringern. Deutschland verlor einen Teil seines Gebietes und seine wenigen Kolonien, mußte einen großen Teil seiner Handelsflotte abgeben usw. Und natürlich bekam Deutschland auch Reparationszahlungen aufgedrückt. Nun gab es zwei Möglichkeiten: Diese Zahlungen jahrzehntelang abzustottern, was sich natürlich auf den allgemeinen Wohlstand in Deutschland zusätzlich negativ auswirken mußte, oder aber sie durch eine Hochinflation günstig los zu werden. Man hat letztere Methode angewandt, was aber für den Wohlstand der Deutschen auch fatal war. Viele Menschen in der Mittelschicht verloren damals alle ihre Ersparnisse und oft auch wertvolle Erbstücke, die sie für einen Appel und ein Ei an windige Geschäftemacher verscherbeln mußten.

Natürlich hat das in der Bevölkerung die Unzufriedenheit, die sich schon während des Krieges (wie in anderen kriegführenden Staaten ja auch) angestaut hatte, noch verstärkt.

Die Machtübernahme der Nazis war dann die logische Folge dessen, und der Zweite Weltkrieg war dann nur noch eine Frage der Zeit. Nicht nur weil Hitler sehr aggressiv war und unbedingt "Lebensraum im Osten" erobern wollte, sondern auch, weil andere Großmächte, insbesondere die USA, auf keinen Fall gewillt waren, eine Restaurierung und Ausweitung der politischen, wirtschaftlichen und militärischen Position des Deutschen Reiches zu dulden.

Als dieser Krieg dann auch verloren war, hätte man Deutschland am liebsten wieder in Kleinstaaten ohne Industrie zerstückelt, um diesen lästigen Konkurrenten ein für allemal los zu werden. Jetzt gab es aber den Ost-West-Konflikt, und nun konnte man es sich nicht leisten, Deutschland so sehr zu schwächen. Man brauchte das geteilte Land ja nun auf beiden Seiten als Verbündeten. Und nicht nur das: Man wollte auf keinen Fall, daß die Bevölkerung auf einer Seite zur jeweils anderen Seite überläuft. Das hätte einen gefährlichen Präzedenzfall geschaffen. Das zwang die Siegermächte dazu, die Deutschen besser zu behandeln. Die Westmächte haben das schnell begriffen; die Sowjets brauchten etwas länger dazu.

Natürlich wollte man aber trotzdem auf jeden Fall vermeiden, daß die Deutschen ihre alte Position zurück erlangen wollen. Sie sollten willenlose Vasallen sein. Also tat man natürlich alles, um ihnen jegliche nationale Empfindungen auszutreiben. Dabei ging man im Westen Deutschlands deutlich geschickter vor, aber man hatte es dort auch leichter, da die angloamerikanische Kultur, die man den Menschen dort überstülpte, sich von der deutschen Kultur nicht so sehr unterschied. In der DDR versuchte man, die sowjetische Kultur zu etablieren, aber die war zu anders, um von vielen Menschen akzeptiert zu werden.

Und bis heute hat sich das nicht erholt in den Köpfen der Menschen. Darum wird den Deutschen die Butter vom Brot genommen. (Allein Airbus wird von Franzosen kontrolliert.. Oder die EU von Deutschland finanziert).

Natürlich läuft das prinzipiell immer noch so weiter. Die den Deutschen anerzogene (oder aufgezwungene?) Bescheidenheit wird selbstverständlich massiv ausgenutzt. Die deutschen Spitzenpolitiker tun nichts dagegen, weil sie sich selbst das Leben nicht unnötig erschweren möchten.

Problematisch ist natürlich auch, daß es nach dem Ersten Weltkrieg nie eine wirklich vom gesamten deutschen Volk getragene und erfolgreiche Revolution gegeben hat. 1918 gab es zwar so etwas Ähnliches, aber das wurde dann ja schnell abgewürgt, und dann übernahm einfach die SPD das Kommando, die aber schon damals lange nicht mehr die Interessen des Volkes vertrat. So ging das dann immer weiter: Hitler wurde nicht wirklich an die Macht gewählt, sondern er hat sich die Macht nach und nach genommen. Er wurde dann auch nicht vom Volk gestürzt, sondern von den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges. Die etablierten dann Regierungen, die ihnen genehm waren, was das nun geteilte deutsche Volk zwar durch Wahlen abnicken, aber nicht wirklich entscheiden durfte. Auch im Westen nicht. Denn dort hätten die westlichen Siegermächte niemals zugelassen, daß eine neue nationalsozialistische oder eine kommunistische Partei in die Regierung gewählt worden wäre. Hätte das westdeutsche Volk sich so entschieden, dann wären auch dort schnell Panzer gerollt.

In der DDR gab es dann 1989 zwar eine Art Revolution, aber die wurde nie richtig zu Ende geführt. Es stellte sich bald heraus, daß es eigentlich kaum Gegner für die Revolution gab, weil die Regierung zum großen Teil vergreist und handlungsunfähig war. Damit hatte kaum jemand gerechnet, und noch 1989 hielten auch viele Ostdeutsche eine Wiedervereinigung in naher Zukunft für unmöglich. Sie wollten ursprünglich einfach nur eine Reform der DDR, nicht ihre Abschaffung. Letztendlich ließ sich das ostdeutsche Volk dann vom westlichen Wohlstand blenden, gab damit die Revolution praktisch auf und orientierte sich nur noch am Westen.

So ist es klar und logisch, daß viele Deutsche sich eigentlich gar nicht so richtig heimisch in ihrem Land fühlen. Sie haben nie dafür gekämpft, sondern sie bekamen immer nur etwas vorgesetzt, mit dem sie sich dann eben arrangiert haben. Und obendrein erzählt man ihnen seit Jahrzehnten, daß jeder Deutsche, der sowas wie Nationalbewußtsein zeigt, dadurch zum üblen Nazi wird.

Freundliche Grüße
von Garfield


gesamter Thread:

 

powered by my little forum