Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Schuldlos geschieden?

Narrowitsch, Berlin, Thursday, 10.12.2009, 14:48 (vor 5865 Tagen) @ Wolfgang A. Gogolin

Aus staatlicher Sicht natürlich wegen der Unterhaltsverpflichtung (daher
ja auch das 'Ehegattensplitting'). Dem Staat ist es natürlich lieber, wenn
ein einzelner Mann eine Frau lebenslang durchfüttert, als wenn der Staat
via Sozialhilfe einspringen müsste.

Soweit, so schlecht.
Allerdings sehe auch ich im Ehegatttensplitting einen Köder. Nein, nicht nur für die Esel, die u. U. Zahlpakete schleppen sollen. Er dient - wenn ich nicht irre - der Staatin als kleiner Anreiz für Paare, die traditionell gemeinsames Leben meistern wollen. Natürlich weiß Mama Staat von der Rendite, die diese "Investition" abwirft, sie gibt es nur nicht zu. Und sie gewährt sie ungern, diese Investition. Sie widerlegt womöglich eine Weltanschauung, nichts genaues weiß mann nicht. Hier scheint das Untersuchungsunwesen ausgesprochen lahm und dazu auch noch blind.
Mann sollte sich also nicht wundern, wenn im Falle eines Scheiterns traditionsorientierter Ehevorstellungen Mama Staat auch weiter maximalen Gewinn aus dieser Auffassung zu ziehen wünscht, freilich mit einer ordentlichen Portion Häme. Ein weites Feld, ich weiß.
Zurück zum Thema. Freilich verbiete ich mir den erhobenen Zeigefinger, der auf automatische Schuld für FremdgängerInnen und PartnerwechslerInnen weist; doch noch mehr verbiete ich mir die Rechtefertigungsphrasen, die gegenwärtig Männer und noch mehr Frauen ermuntern, im Namen der Selbstfindungs und Selbstverwirklichung massenhaft Partner wechseln und dabei gern den Sinn und Zweck einer Ehe vergessen.
Konkret bin ich mit Scheidungen im Sinne einer Ultima ratio einverstanden. Aber ich habe Augen im Kopf und Ohren an ihm,die gut funktionieren. Und deshalb bin ich im Stande sehr genau zu unterscheiden, wo Scheidung als letztes Mittel wirkt und wo als Lustgewinn. Da ich in der überwältigen Mehrheit der Fälle im persönlichen Umfeld und in der mir zugänglichen Literatur letzteres antreffe, trete ich für eine Abschaffung der Zivilehe ein. Sie präferiert nämlich jene, die sich nicht an das Prinzip "einer trage des anderen Last" halten und mehr oder weniger bedebnkenlos unsäglichen Schmerz vom GattenIn und noch mehr den von den eigenen (?) Kindern in Kauf nehmen, nur um sich mit dem Gedanken tröstend, die Ehe sei halt zerbrochen, eines Schwurs zu entziehen. Nein nicht nur das, sogar als Opfer präsentieren sich die Meineidigen , sie dürfen das, die Worte "zerbrochen", zerrüttet müssen nur schnell genug über die Lippen quellen...
Gewiss, eine 100% gerechte und juristisch angemessene Lösung für das Problem Scheidung, wird es nicht geben. Aber so lange zahlreiche Leute Ehe als Spaßveranstaltung verstehen, deren Kosten mit Hilfe der Staatin andere zu zahlen haben,und zwar nicht nur in Form von Unterhalt, solange halte ich das Folklorevereinsmodell für staatliches Familiengehabe angemessen.

Außerdem ist eine Ehe doch etwas anderes als z.B. ein Kaufvertrag, dessen
Bruch sich vergleichsweise einfach nachweisen lässt.

Wäre der Wille vorhanden, wäre vielleicht per Gerichtsverhandlung nicht selten eine beträchtliche Schuld eines der "Vertagspartner" nachweisbar. Allein es fehlt dazu der Wille,deshalb müssen zur Rechtfertigung des abwesenden Willens Plattheiten her. Wie etwa die, nach der immerbeide Schuld am Scheitern hätten.
Auf einen Gedanken kommt augenscheinlich niemand mehr, nämlich auf den Gedanken des Anstands: erst die heimischen Verhältnisse in Ordnung bringen, dann neue beginnen. Erst den/die unerträgliche DrachenIn verlassen, dann zum neuen Kuschel - Hasen ins Bett. Dies wiederum beinhaltete Risiken, die wahre ZeitgeistritterInnen vermeiden: Kuschel- MümmelmännInnen wachsen gelegentlich zu Monstern, die die Sehnsucht nach dem heimischen Drachen wieder erweckt...Also geht probieren über studieren und der sichtbare Betrug darf sanktionslos wüten, wie er will. Er darf ggf. sogar darauf hoffen - via Therapie- als Heldentat zu gelten, die nach räuiger Rückkehr des Ausbrechers zum Bestand der Ehe half. Ein paar seelische Narben der Hintergangen darf dann selbstredend keine Rolle mehr spielen.So jedenfalls - sehr grob formuliert- der gegenwärtige gesellschaftliche Familiendiskurs.
Mit Ehe hat das in meinen Augen nichts zu tun.

Die Sichtweise 'Wer den Partner verläßt trägt automatisch die Schuld' will
mir doch sehr schlicht und von jeder Lebenserfahrung unbeleckt erscheinen.

Ich bin Jahrgang 54, habe meine Nase sehr weit in den Wind des Lebens gehalten. Ganz unbeleckt bin ich nicht. Ich bin nicht mal Mitglied in der katholischen Kirche, aber trotzdem...

Viele Grüße
Wolfgang

Narrowitsch

--
Extemplo simul pares esse coeperint, superiores erunt-

Den Augenblick, sowie sie anfangen, euch gleich zu sein, werden sie eure Herren sein.


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