Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Männliche Mitfrauen - eine neue Variante der Geschlechtsumwandlung

Beatrix, Tuesday, 18.12.2001, 01:20 (vor 8757 Tagen) @ Ferdi

Als Antwort auf: Männliche Mitfrauen - eine neue Variante der Geschlechtsumwandlung von Ferdi am 17. Dezember 2001 10:12:32:

Hallo Ferdi!

Diesen Beitrag
fand ich heute morgen im Forum der feministischen Partei DIE FRAUEN. Der Text spricht für sich. Möge sich jeder eine Meinung darüber bilden. Meine Meinung: Die Maske ist gefallen. Jetzt weiss ich, mit wem und mit was ich es da zu tun habe.

Ich habe den Text gelesen und nun einen ganz anderen Eindruck als Du.
Die meisten Aussagen von Frau Müller kann ich ohne weiteres nachvollziehen, da sie sich mit meinen eigenen Erfahrungen decken.

Du selber magst es okay finden, wenn in einer Männergruppe, die männerspezifische Belange diskutieren will, auch Frauen als Sympathisantinnen sitzen. Du wirst dich in Deinen Gedanken und Aktivitäten vielleicht nicht dabei gestört fühlen. Aber es gibt auch Männer, denen das anders geht. Mein Exmann z.B. hat schon vor 15 Jahren großen Wert auf ungestörtes Zusammensein mit seinen besten Freunden beim Herrenabend gelegt. Oder als ich als eine von 4 oder 5 Frauen beim Männerkongreß in Berlin war, gab es beim Einchecken auch Unmut bei einigen Männern, die nicht einsahen, was ich da überhaupt wollte. Ich konnte das durchaus verstehen und hab es ihnen nicht übel genommen. Und natürlich hab ich mich mehr als Gast gefühlt und mich nicht gerade in den Vordergrund gespielt, und schon mal gar keine feministischen Positionen verkündet oder die Thesen der Männer angegriffen. Ich wollte ja in erster Linie zuhören und informieren und unterstützen.

Und genauso wie sich Männer in der neuen deutschen Männerbewegung unsicher fühlen, wenn Frauen dabei sind, besonders wenn sie selber schon sehr üble Erfahrungen mit Frauen gemacht haben, genauso geht es nun mal auch umgekehrt vielen Frauen.

HInzu kommt, daß Frauen über Jahrhunderte Hilflosigkeit erlernt haben ebenso wie eine Orientierung am Mann. Sie sind so darauf gedrillt worden, sich um Männer zu kümmern und sich in sie hineinzuversetzen, daß sie es selbst in einer Frauengruppe tun würden, wenn da 2 Männer bei 30 Frauen säßen. Ein einziger Mann, der nicht aus Solidariät, sondern aus einer Antihaltung heraus anwesend wäre und versuchen würde, eine Frauengruppe aufzumischen, könnte durchaus Erfolg haben - es sei denn, die anwesenden Frauen sind wirklich sowohl selbstbewußt genug als auch skrupellos genug, um ihn vor die Tür zu jagen. Aber das nicht immer der Fall.

Frau Müller schreibt u.a.: "Wir bemerkten, dass wir uns nicht mit uns selbst befassen, kein Bewusstsein unserer Selbst, kein eigenes Selbstbewusstsein entwickeln konnten, solange auch nur ein Mann in der Frauengruppe war. Denn dieser war Hahn im Korb, er beschäftigte
durch seine Argumente die gesamte Frauengruppe oder -Versammlung damit, ihm ihren Sinn und ihre Notwendigkeit zu beweisen."
Und da ist was dran.

Nur wenige Frauen sind wirklich so selbstbewußt und radikal, daß sie sich erfolgreich zur Wehr setzen können. Die von arne Hoffmann kritisierten Radikalfeministinnen mögen zwar einen relativ hohen Einfluß auf die gesellschaftliche Stimmung gewonnen haben - aber sie sind eine Minderheit, während die Mehrheit noch ganz anders denkt und reagiert und sich leider noch lange nicht so gut behaupten kann wie es wünschenswert wäre.
Selbst gebildete, hochqualifizierte Frauen lassen sich immer wieder von selbstsicher auftretenden Männern unterbuttern. Diese Erfahrung hab ich schon oft gemacht, mich selber eingeschlossen, und ärgere mich hinterher sehr darüber.

Es ist nicht immer so einfach, als Frau etwas für Frauen zu erreichen, weil es unter Frauen nur wenig Solidariät und häufig sehr unschöne, wenig solidarische Verhaltensweisen gibt. Um wirklich als Team etwas zu erreichen, brauchen Frauen sehr viel Sicherheit und Vertrauen, und das wächst am besten in eienr festen Gruppe, die sich auch in schlechten Zeiten zusammenrauft und gegenseitig stärkt. Durch Männer in der Gruppe wird diese Stabilität schnell gefährdet.

Der schlimmste Fehler, den Männer immer wieder machen, ist, daß sie Frauen einfach wie ihresgleichen behandeln und von ihnen erwarten, daß sie sich in allen Lebensbereichen an das von Männern schon Praktizierte anpassen. Wenn eine Frau einfach alles genauso macht wie ein Mann, im Beruf oder sonstwo, warum sollte ein Mann dann etwas gegen sie haben? - so reden viele.
Solange Frauen in der Minderheit gegenüber Männern sind, werden sie sich meistens auch so anpasserisch verhalten. Erst bei einem Frauenanteil von mind. 50 % trauen sie sich, auch mal neue Sichtweisen und Verhaltensmuster einzuführen, weil sie erst dann die Gewißheit haben, daß ihnen mit der nötigen weibl. Rückendeckung eher mal zugehört wird.

Diesen Fehler begeht IMHO auch Arne Hoffmann. So sehr ich sein Buch schätze und so notwendig ich es finde, so sehr habe ich mich über das 10. Kapitel geärgert. Da kann ich nur sagen: Arne, Du hast uns Frauen leider nicht verstanden.
Bei Interesse kann ich das gerne näher erklären.

Noch mal zurück zu dem Artikel von Frau Müller:
Müller macht IMHO gute Vorschläge, wie sich ein Mann, der sich für Frauenfragen interessiert und Frauen unterstützen will, sinnvoll engagieren kann, ohne den Frauen durch seine Anwesenheit und seinen Eifer am falschen Ort in den Rücken zu fallen:
"Feministen können regelmäßig Spenden an die Feministische Partei oder andere Frauenprojekte entrichten. Sie können fast überall und jederzeit eine Lanze für den Feminismus brechen. Sie können die Frauen in ihrer Umgebung fördern und entlasten. Sie können bei ihren Frauen und Freundinnen oder bei uns Hausarbeit und Kinderbetreuung etc. übernehmen.
Sie können uns wählen und für uns Propaganda machen. Sie können ihr Leben der Prävention von Gewalt gegen Mädchen, Jungen und Frauen oder der feministischen Umgestaltung patriarchaler Machtapparate widmen. Sie können den zu diesem Zweck gegründeten männlichen oder gemischgeschlechtlichen Organisationen beitreten oder neue gründen. Sie werden von ihren Geschlechtsgenossen und von männerzentrierten Frauen so viel ernster genommen als wir. Sie haben so viel größere Möglichkeiten und Ressourcen als wir. Wozu sollten sie da ausgerechnet die Mitfrauenrechte in unserer Partei brauchen, um uns zu helfen?"

Und wenn ein Mann nichts von alledem will, sondern statddessen nur stänkern und stören - warum um alles in der Welt sollten Frauen Feinde ihn ihren eigenen Reihen dulden? Das wäre sehr dumm.

Du solltest es wirklich nicht übelnehmen, wenn Du in Frauenkreisen manchmal nicht erwünscht bist. Es soll sicher die Männer nicht abwerten.

Wenn es Dir darum geht, für die Männerdiskriminierung Gehör zu finden, dann würde ich mir an Deiner Stelle andere Zuhörerkreise suchen als ausgerechnet Frauengruppen, die schwerpunktmäßig unterdrückte Frauen befreien wollen.
Und wenn doch dort, dann solltest Du Dir erst mal das Vertrauen der Frauen verdienen:
Wenn Du ihnen zuerst zuhörst und mit ihnen mitfühlst und sie unterstützt, dann werden sie Dir vertrauen und danach viel eher bereit sind, sich auch Deine Sorgen als Mann anzuhören und nun auch Dir zu helfen.
Anders geht es nicht.
Falls Du aber mit der Tür ins Haus fällst und ungefragt Parolen schreist und möglichst viele Argumente für männl. Diskriminierung schnell an die Frau bringen willst, dann entsteht mit Sicherheit nur Geschlechterkampf.
Der nützt niemandem etwas.

Liebe Grüße
von
Beatrix


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