Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Rot-Grünes Experiment gescheitert

Garfield, Tuesday, 30.08.2005, 17:20 (vor 7405 Tagen) @ Wodan

Als Antwort auf: Re: Rot-Grünes Experiment gescheitert von Wodan am 30. August 2005 12:59:

Hallo Wodan!

"Garfield, das Gedächtnis der Wähler ist traditionell kurz, zu kurz, um vorletzte mit letzter Politik zu vergleichen, und zu kurz, um klipp und klar festzustellen, daß ein und dieselbe Scheiße vorliegt. So ist das bei Wahlen immer."

Ja, gerade das nervt mich ja so! Ich kann mich noch gut an die Diskussionen erinnern, die ich vor 15 Jahren mit diversen Leuten in den damals noch zukünftigen neuen Bundesländern hatte. Die waren meist der Meinung, daß es sofort bergauf gehen würde, wenn erst einmal die West-CDU an der Macht wäre. In der Wahl im Frühjahr 1990 haben sie ja auch die Ost-CDU gewählt. Ich versuchte ihnen zu erklären, daß Lothar de Maziere doch regelmäßig bei Kohl zum Rapport antritt und sich da seine Weisungen abholt, daß die West-CDU also de facto schon längst auch im Osten regiert. Das wollten die nicht wahrhaben. Nein, wenn Kohl an der Macht wäre, dann würde sofort allgemein Freude und Wohlstand ausbrechen...

Es waren nicht nur Menschen im Südosten, im berühmten "Tal der Ahnungslosen", wo man zu DDR-Zeiten kein West-Fernsehen empfangen konnte, die sich ein vollkommen falsches Bild von der Bundesrepublik machten. Viele Ostdeutsche glaubten daran, daß es mit der Arbeitslosigkeit im Westen schon nicht so schlimm wäre, daß jeder, der arbeiten will, auch Arbeit finden würde usw.

Ich bin da immer wieder auf ein unglaubliches Maß an Naivität gestoßen. Einer erzählte mir sogar ernsthaft, daß er in seiner Firma absoluten Kündigungsschutz für alle Zeiten hätte!

Kohl hatte dann vor der ersten gesamtdeutschen Wahl seit Jahrzehnten dementsprechend auch leichtes Spiel. Als dann die Kacke am Dampfen war, als überall im Osten Betriebe geschlossen wurden und immer mehr Menschen erwerbslos wurden, als ständig Korruptionsgeschäfte der sogenannten "Treuhandanstalt" bekannt wurden, als die Lebenshaltungskosten zwar schnell weitgehend an das Westniveau angepaßt wurden, die versprochene Anpassung der Löhne und Gehälter aber ausblieb und als man dann auch noch immer wieder sah, daß die alten SED-Bonzen jetzt - nicht selten mit neuen CDU-Parteibüchern ausgestattet - noch reicher wurden als zu DDR-Zeiten, da bewarfen sie Kohl mit Eiern. Ich bin mir sicher, daß die Eierwerfer auch zu denjenigen zählten, die Kohl vorher gewählt hatten. Die hätten sich die Eier lieber selbst auf die Köpfe hauen und etwas daraus lernen sollen.

Okay - den Ostdeutschen konnte man 1990 noch eine gewisse Unerfahrenheit mit westlicher Politik zugute halten. Sie waren halt leichte Opfer, oder um es mit den Worten der Böhsen Onkelz auszudrücken: "Ihr habt euch selbst besiegt, dieses Land ist kein Vergnügen. ... Man hat euch wieder mal belogen, doch was könnt ihr schon verlangen, es waren Worte der Freiheit auf den Zungen von Schlangen."

"Und wenn FrauIn Merkel ihre Regierungserklärung hält, wird wieder von der "Erblast" die Rede sein, die auch schon Schröder 1998 und Kohl 1982 bemüht haben, um das nicht halten zu müssen, was sie groß versprochen haben."

Heute sieht es aber so aus, daß die Masse der Bevölkerung eigentlich noch genau wissen sollte, daß zu Zeiten der schwarz/gelben Regierung alles mindestens genauso schief lief wie unter Rot/Grün. Aber nein - das haben sie schon wieder vergessen...

Allein schon die angekündigte Mehrwertsteuererhöhung (die Merkel ja am liebsten erst nach der Wahl ausgepackt hätte, wenn sich nicht einige Deppen zu ihrem Leidwesen verplappert hätten) wird uns noch tiefer herunter reißen. Die wird die Kaufkraft nämlich noch weiter schwächen. Wer glaubt, daß es ja "nur" 2% wären, und ja auch nicht auf alles, der irrt sich gewaltig. Erstens schlägt die Mehrwertsteuererhöhung selbstverständlich auch auf die Produkte mit geringerer Mehrwertsteuer (auch wenn es da bei 7% bleibt) durch, weil deren Produktion und Transport so auch teurer wird. Zweitens wird die Wirtschaft die Mehrwertsteuer-Erhöhung genau wie damals die Euro-Einführung wieder eifrig für versteckte Preiserhöhungen ausnutzen. Man kann sich dann also auf satte Preissteigerungen überall gefaßt machen. Die kommen dann noch auf die Preiserhöhungen für Treibstoff, Gas, Heizöl und Strom obendrauf. Früher, als man jedes Jahr noch eine satte Lohnerhöhung einkalkulieren konnte, war sowas zwar ärgerlich, aber nicht so tragisch. Heute gibt es aber kaum noch Lohnerhöhungen, für Erwerbslose und Rentner schon mal gar nicht, und so muß das den ohnehin schon schwachen Binnenmarkt zwangsläufig noch einmal hart treffen.

Dann wundern sich wieder alle, woran es wohl liegen mag, daß die Menschen plötzlich noch weniger konsumieren, daß deshalb noch mehr Unternehmen pleite gehen und so die Erwerbslosenzahlen munter weiter steigen.

Vor einigen Tagen las ich in der Zeitung, daß die Zahl der Kinobesucher rückläufig ist. Im Westen sank die Zahl um ein Sechstel, im Osten sogar um ein Fünftel. Das hat mich erstmal keineswegs verwundert. Interessant fand ich aber die Begründung, die man dafür an den Haaren herbei gezogen hatte: Viele Hollywood-Filme wären ja in letzter Zeit gefloppt, und deshalb wären weniger Menschen in die Kinos gegangen. Vor dem wahren Grund, nämlich daß immer mehr Menschen schlicht und einfach kein Geld mehr für Kinobesuche oder ähnlichen Luxus übrig haben, verschließt man lieber die Augen. Sich dieser Tatsache zu stellen, würde nämlich bedeuten, einzugestehen, daß man die Masse der Menschen jetzt nicht mehr weiter abzocken kann, daß das Ende der Fahnenstange längst erreicht ist und daß es so wie bisher nicht mehr weiter geht.

Na ja, aber wenn die CDU die Abwärtsentwicklung beschleunigt, besteht vielleicht Hoffnung darauf, daß dann doch noch ein paar Menschen zumindest kurzzeizig aufwachen. Aber wahrscheinlich denke ich nun in der Hinsicht wohl doch zu naiv...

Wie sagte Einstein einst so schön: "Zwei Dinge sind unendlich: Das Weltall und die menschliche Dummheit. Beim ersten bin ich mir allerdings noch nicht so ganz sicher."

Freundliche Grüße
von Garfield


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