Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Geburten(rückgang)

Garfield, Thursday, 14.07.2005, 18:29 (vor 7452 Tagen) @ Jolanda

Als Antwort auf: Re: Geburten(rückgang) von Jolanda am 14. Juli 2005 13:43:03:

Hallo Jolanda!

Ja, ich denke, die Verhältnisse in Deutschland resultieren aus dem Wohlstand, der hier jahrzehntelang geherrscht hat und erst jetzt langsam wieder zurück geht.

So war es lange Zeit gar nicht nötig, daß Kinder ihre Eltern ernähren mußten. Jeder, der arbeiten wollte, fand auch Arbeit und wurde passabel bezahlt. Und im Alter gab es eine Rente, von der man nicht nur leben, sondern auch noch Kinder und Enkel unterstützen konnte.

Der Wohlstand führte aber auch dazu, daß die Bildungseinrichtungen immer weiter ausgebaut wurden. Anfangs ging man noch höchstens 8 Jahre zur Schule, bald waren es dann 9-10 Jahre, und immer mehr Schüler machten dann auch noch Abitur. Das erhöhte die durchschnittliche Qualifikation, und damit wiederum stiegen auch die Ansprüche der Unternehmen, vor allem, als dann die Erwerbslosigkeit wieder anstieg. Heute ist es nun so, daß man oft schon eine gute Qualifikation haben muß, um überhaupt noch einen Job zu bekommen.

Um Kinder zu entlasten und sie vor gesundheitlichen Schäden durch schwere Arbeit zu bewahren, wurden ihre Möglichkeiten zur Erwerbsarbeit immer mehr eingeschränkt. Das war zunächst durch den wachsenden Wohlstand auch gar kein Problem.

Natürlich stiegen auch die Ansprüche, aber nicht nur die Ansprüche der Kinderlosen. Auch Eltern hatten nun immer höhere Ansprüche. Mit stinkenden Textilwindeln wollten sie sich nun nicht mehr abgeben - es mußten jetzt teure Wegwerfwindeln sein. Und die Ansprüche der Kinder stiegen ebenfalls. Früher hat sich ein Kind gefreut, wenn sein Vater ihm ein paar Holzfiguren geschnitzt oder wenn die Mutter ihm eine Puppe aus Stoffresten genäht hat. Heute wird die Großmutter als Arschloch beschimpft, wenn sie statt der teuren Barbie-Puppe zu Weihnachten nur eine billige Noname-Puppe schenkt (wie bei Verwandten meiner Frau geschehen). Heute will jedes Kind ein Handy, einen Fernseher, eine Spielekonsole, einen Computer, einen Gameboy, teure Markenkleidung usw. haben, und natürlich auch all die bunten Kleinigkeiten, die gern in der Nähe der Kassen platziert werden. Wenn immer die Rede davon ist, daß Kinder ihre Eltern 500.000 Euro oder noch mehr kosten, dann ist in diese Summe auch dieser ganze Luxus mit hineingerechnet.

Die Ansprüche aller Menschen sind eben durch den allgemeinen Wohlstand gestiegen. Das war zunächst auch gut so, weil es den Binnenmarkt stärkte und die Wirtschaft ankurbelte.

Jetzt haben wir aber das Problem, daß immer mehr Menschen aus dem Wirtschaftskreislauf herausfallen und dann durch Sozialleistungen mehr schlecht als recht ernährt werden. Um diese Sozialleistungen, weiter steigende Profite und die Privilegien unserer Politiker und Wirtschafts-Führungskräfte zu finanzieren, muß man zwangsläufig die immer weniger Menschen, die noch Jobs haben, immer stärker schröpfen.

Das alles senkt das allgemeine Wohlstandsniveau nun immer weiter ab. Dummerweise haben sich die Verhältnisse aber an diesen Wohlstand angepaßt. Weil üblicherweise jeder ein Auto hat, wird das bei Arbeitssuchenden häufig vorausgesetzt, und nicht selten hat man tatsächlich gar keine andere Wahl, als mit dem Auto zur Arbeit zu fahren. Weil üblicherweise jeder ein Auto hat, gibt es auch kaum noch kleine Läden in den Wohngebieten, so daß man zu großen Supermärkten fahren muß, was oft ohne Auto nur schwer möglich ist. Meine Frau und ich haben auch jeder ein Auto. Ich hätte kein Problem damit, auf mein Auto zu verzichten. Ich kann es nur leider nicht, weil ich ohne Auto meine Arbeitsstelle nicht in akzeptabler Zeit und auch nicht mit akzeptablen Kosten erreichen kann. Ich kann nicht jeden Tag 8-10 Stunden arbeiten und dann auch noch 5 Stunden fahren. Das geht nicht. Irgendwann muß ich auch mal einkaufen, schlafen usw. Und meine Frau kann das leider ebenfalls nicht. Und mit einem Auto können wir nicht fahren, weil wir dann noch höhere Benzinkosten hätten. Das kostet mehr als ein zweites Auto.

Um der Wirtschaft und damit auch sich selbst Einnahmen zu verschaffen, versucht der Staat nun auch noch zunehmend, die Menschen per Gesetz oder Verordnung zum Konsum zu zwingen. Oft nimmt man dafür Umweltschutz als Vorwand. Das fängt schon damit an, daß man Müll in Deutschland meist nur über die kommunalen Entsorgungsunternehmen entsorgen lassen darf. Das schafft Monopole und treibt die Entsorgungs-Preise hoch.

Und man darf jetzt beispielsweise alte Heizkessel nicht mehr betreiben. Und selbst wenn man einen älteren Kessel hat, der die Grenzwerte gerade noch so erfüllt, dann hat man die Wahl zwischen zwei Alternativen: Entweder man gibt mindestens 6000 Euro für eine neue Heizung aus, oder man zahlt jedes Jahr mindestens 2500 Euro für Heizöl. Das wird ja auch immer teurer, und die Gaspreise steigen sowieso immer fröhlich weiter.

Auch für Wärmedämmung werden immer strengere Vorschriften erlassen. Das treibt die Kosten für Neubauten und Sanierungen weiter hoch. Heizungsrohre müssen neuerdings auch komplett isoliert sein. Dabei wird ignoriert, daß unisolierte Heizungsrohre in manchen Altbauten die Kellerräume heizen. In Rostock-Warnemünde beispielsweise gibt es ein Zollamtsgebäude, das Ende des 19. Jahrhunderts gebaut wurde. Mitte der 1990er Jahre wurde die Heizung modernisiert, und dabei isolierte man auch die Heizungsrohre im Keller. Das hat mittlerweile so massive Feuchtigkeitsschäden in den Kellerräumen bewirkt, daß die nun auch für viel Geld saniert werden müssen. Mit solchen Schwachsinns-Gesetzen zwingt man nun auch alle Besitzer von Altbauten dazu, ihre Keller komplett zu sanieren. Oder aber mit Schimmel und Feuchtigkeit im Keller zu leben.

Der letzte Streich ist eine Verordnung, die alle Hausbesitzer dazu zwingt, bis spätestens 2015 die Dichtheit ihrer Kanalisationsanschlüsse nachzuweisen. Dazu muß man natürlich für viel Geld eine Firma kommen lassen, die den Hausanschluß überprüft und eventuelle Undichtigkeiten beseitigt.

Nun mag sich mancher sowas denken wie "was geht mich das an, ich wohne doch zur Miete". Der irrt sich dann aber gewaltig, denn selbstverständlich wird der Vermieter alle diese Kosten auf die Miete oder auf die Nebenkosten umlegen. Mieter zahlen das also auch mit. Das treibt die Wohnkosten immer höher. Gleichzeitig steigen die Preise für Strom, für Benzin, für Öl und Gas... Nach der nächsten Wahl kommt dann höchstwahrscheinlich noch eine Mehrwertsteuererhöhung obendrauf, was der Handel dann auch noch für weitere versteckte Preiserhöhungen nutzen wird, und bald wird auch eine PKW-Maut für die deutschen Autobahnen kommen, selbstverständlich ohne die KFZ-Steuer nennenswert zu senken.

So wird man von allen Seiten zunehmend abgezockt, nur leider fallen Gehaltserhöhungen immer spärlicher aus, wenn man überhaupt noch eine bekommt.

Meine Frau und ich merken das auch immer deutlicher. Vor einigen Jahren konnten wir noch ab und zu mal ins Kino oder ins Restaurant gehen. Obwohl wir damals zeitweise beide arbeitslos waren. Jetzt haben wir beide Jobs und verdienen eigentlich gar nicht schlecht, aber wir können uns trotzdem immer weniger leisten. Weil eben die puren Lebenshaltungskosten immer weiter steigen, viel schneller als die Einkommen. Für Luxus haben wir schon kaum noch Geld übrig. Ich fahre schon meist auf der Autobahn mit meinem Lupo nur noch 90 km/h, um weniger Benzin kaufen zu müssen. Ende Juli müssen wir eigentlich 4000 Liter Heizöl kaufen - soviel wird unsere Heizung nämlich im nächsten Winter verbraten (obwohl wir noch nicht einmal Brauchwasser dranhängen haben - die Stromkosten für den Durchlauferhitzer kommen noch obendrauf!). Ich rechne schon immer hin und her, komme aber immer zum selben Ergebnis: Wir können es uns nicht leisten, weil das Öl zur Zeit immer teurer wird. Ich werde maximal 3500 Liter kaufen können, und wir müssen dann später noch Öl nachkaufen. Das wird dann natürlich noch teurer, aber wir haben soviel Geld jetzt einfach nicht übrig. Notfalls müssen wir uns eben zu Hause wieder warm anziehen und Schimmel mit Chemikalien entfernen, wie im letzten Winter. Aber dauerhaft kann man das auch nicht machen, ohne die Bausubstanz zu gefährden.

So sieht das bei uns aus, Jolanda. Nichts mit Reise nach London usw. Für mich ist es schon Luxus, wenn ich mir mal ein Buch für 20 Euro kaufe. Und wie geschrieben verdienen wir eigentlich nicht schlecht. Diverse Fördermittel wie beispielsweise Arbeitnehmer-Sparzulage haben wir gar nicht bekommen, weil wir über dem Grenzwert lagen. Da frage ich mich dann immer, wo wir eigentlich die ganzen Geldsäcke gehortet haben. Ich finde leider keine.

Wenn wir jetzt auch noch Kinder hätten, dann wüßte ich nicht, wie wir finanziell über die Runden kommen sollten, wenn dafür auch noch ein Gehalt wegfallen würde. Selbst wenn meine Frau jetzt Kinder bekommen könnte - wir könnten sie uns schlichtweg finanziell nicht leisten. Es gibt keinen Luxus mehr, auf den wir für Kinder verzichten könnten.

Und ich denke, daß wir damit kein Einzelfall sind.

Herzliche Grüße
von Garfield


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