Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Die Welt ist leider nicht (oder Gott sei dank?) klar in Gut und Böse einzuteilen

Garfield, Tuesday, 15.09.2009, 19:58 (vor 5948 Tagen) @ Mus Lim

Hallo Mus Lim!

Da die Plantagen in Amerika auch nicht mechanisiert waren, ist das ebenfalls kein Argument.

Na, sicher ist das ein Argument! Wenig Maschinen = viele menschliche Arbeitskräfte. Das galt so auf den Plantagen im Süden der USA genauso wie auf Feldern und Viehweiden in Afrika.

Und warum sollte das so gewesen sein? Weil es so Ihrer Vorstellung entspricht?

Nein, weil es in Afrika zum einen eben kaum Maschineneinsatz in der Landwirtschaft gab, zum anderen aber auch, weil die Bewirtschaftung kleiner Flächen und kleiner Viehherden immer uneffektiver ist als die Bewirtschaftung großer Flächen und großer Viehherden.

Woher soll das der postulierte große Arbeitskräftebedarf herkommen?

Sklaverei gab es nicht nur in Afrika. Auch bei den Indianervölkern in Nordamerika war so etwas durchaus nicht unbekannt. Da wurde auch kaum etwas exportiert. Sklaven sind eben eine feine Sache, wenn man sich selbst Arbeit ersparen möchte. Dann kann man davon gar nicht genug haben, denn ihren Lebensunterhalt erarbeiten sie ja selbst.

In den Kolonien wurde aber für den Export nach Europa produziert, da braucht es mehr Arbeitskräfte, als wenn man nur für den Eigenbedarf produziert.

Ja, aber es gab ja noch außer Lohnarbeit und Sklaverei eine weitere Alternative, die noch viel lukrativer war und insbesondere von Plantagenbesitzern in der Karibik im 17./18. Jahrhundert gern genutzt wurde:

Damals gab es in Europa schon viele Menschen, die auswandern wollten. Es ging ja vielen schlecht, und es gab damals schon Geschichten über Goldfunde in Amerika (daß die Spanier aus Südamerika viel Gold heraus geholt haben, war ja allgemein bekannt) und auch über Menschen, die dorthin ausgewandert und durch Plantagen reich geworden sind.

Leider gab es aber noch keine großen Dampfer, die tausende Menschen schnell über den Atlantik bringen konnten. Es gab nur vergleichsweise kleine und langsame Segelschiffe. Somit war die mögliche Zahl der Passagiere sehr begrenzt und dementsprechend teuer war eine Überfahrt. Das konnte sich jemand aus dem einfachen Volk normalerweise nicht leisten.

Manche zogen aber trotzdem in die Hafenstädte, in der Hoffnung, sich die Überfahrt als Schiffsjungen oder Matrosen erarbeiten zu können.

Nun schickten Plantagenbesitzer aus Übersee Werber in diese europäischen Hafenstädte. Die hielten nach Leuten Ausschau, die auswandern wollten und machten ihnen folgendes Angebot:

Der Plantagenbesitzer bezahlt ihnen die Überfahrt. Dafür verpflichten sie sich vertraglich, einige Jahre ohne Bezahlung auf seiner Plantage zu arbeiten. Nach Ablauf des Vertrages wären sie frei und könnten in der Neuen Welt tun und lassen, was immer sie wollten, wurde ihnen versprochen.

Das erschien vielen verlockend. Arbeit in der Landwirtschaft waren sie oft sowieso gewohnt, und etwas Anderes hätte ihnen eh für den Rest ihres Lebens nicht geblüht, wenn sie zu Hause geblieben wären.

Also unterschrieben viele so einen Vertrag und fuhren dann nach Amerika, wo sie auf Plantagen arbeiteten, oft auf Karibikinseln.

Wären sie als Sklaven dort gewesen, dann wäre der Plantagenbesitzer verpflichtet gewesen, ihnen zumindest Unterkunft, Kleidung und Nahrung zu stellen. Sie waren aber keine Sklaven - somit war der Plantagenbesitzer zu gar nichts verpflichtet. Manche Plantagenbesitzer gewährten diesen Arbeitern trotzdem Essen und Unterkunft, viele taten das aber nicht.

Diese Arbeitskräfte waren also noch viel schlimmer dran als Sklaven. Sie mußten den ganzen Tag hart auf den Plantagen schuften, bekamen aber überhaupt nichts dafür und mußten abends und nachts noch zusehen, wo sie Nahrung herbekamen.

Auf Inseln machte man so etwas gern, weil diese Arbeitskräfte dort auch nicht so einfach weglaufen konnten. Auch hatten die Plantagenbesitzer üblicherweise beste Kontakte zu den örtlichen Behörden, bekamen von dort also immer Unterstützung, wenn mal einer ihrer Arbeiter flüchtig war. Der hatte mit seiner Flucht ja immerhin einen Vertrag verletzt, und das wurde dann eben entsprechend von Polizei und Justiz verfolgt.

Wenn der Vertrag abgelaufen war, stellte man diese Zwangs-Arbeiter oft vor die Wahl, entweder den Vertrag nochmal zu verlängern oder aber die Plantage nicht mehr lebend zu verlassen. Mittlerweile war ihnen auch völlig klar, daß dort kein Hahn nach ihnen krähen wird, wenn der Plantagenbesitzer sie einfach durch seine Aufseher erschlagen läßt. Oft haben sie dann aus blanker Angst unterschrieben, und dann ging das so weiter, bis sie zu alt oder zu krank zum Arbeiten waren.

Das war auch der Grund, wieso sich in der Karibik in dieser Zeit so viele Piraten herum trieben. Viele Zwangsarbeiter, die von Plantagen flüchten konnten, lebten zunächst irgendwo in den Tropenwäldern, jagten dort Tiere, um sich zu ernähren und ab und zu auch mal Fleisch an vorüberkommende Schiffe zu verkaufen. Manche begannen bald, sich als Piraten zu betätigen, und wenn sie irgendwo Leidensgenossen trafen, nahmen sie die in ihre Mannschaft auf.

Ein guter Teil des Arbeitskräftebedarfs auf amerikanischen Plantagen wurde in dieser Zeit also durch solche Zwangsarbeiter aus Europa gedeckt.

Wenn ein afrikanischer Bauer so unproduktiv arbeitet, dass nicht zum Überleben reicht, dann hilft es ihm auch nicht, wenn er sich einen Arbeitssklaven dazu holt, denn den Arbeitssklaven muss er ja auch ernähren.

Ähem, wenn man in Afrika so wenig produziert hätte, daß es nicht zum Leben gereicht hätte, wären die Afrikaner schnell ausgestorben und die Eruopäer hätten nur noch unbewohnte Wildnis vorgefunden.

Mit uneffektiver Produktion meine ich nicht, daß man davon nicht leben kann. Früher konnten die Bauern in Europa (jedenfalls bei günstigem Wetter) von ihren Ernten ja auch locker leben und hatten üblicherweise noch einen Überschuß. Aber auch da waren in der Landwirtschaft sehr viele Menschen beschäftigt.

Heute dagegen wird pro Hektar ein Vielfaches produziert, und das mit sehr geringem Personalbedarf.

Sklaven waren niemals "billig".

Doch, für einfache Arbeiten schon. Deshalb hat sich das Prinzip der Sklaverei ja auch lange gehalten, weit über die Antike hinaus.

Einsatz von Sklaven wurde nur dann schwierig, wenn die Tätigkeit ein hohes Qualifikationsniveau erforderte. Einem Sklaven bringt es nämlich keinen Vorteil, höherwertige Arbeiten zu verrichten. Er kriegt ja weiterhin nur Kost und Logis, hat also keinerlei Motivation, sich fortzubilden.

Ein Lohnarbeiter dagegen kann immer noch hoffen, beruflich aufzusteigen und dann auch mehr zu verdienen.

Ja, ich weiß, daß es sowohl in der Antike als auch im Orient auch vereinzelt Sklaven auf sehr hohen Positionen gab. Aber die waren Ausnahmen - in der Antike waren es z.B. prominente Gladiatoren, im Orient häufig gefangene Christen, die vor ihrer Gefangennahme schon irgendwelche Kenntnisse oder Fähigkeiten hatten, die sie für orientalische Machthaber interessant machten.

Diese Ausnahmen kann man aber getrost vernachlässigen. Die meisten Sklaven wurden für einfache Tätigkeiten eingesetzt.

Sie mussten ernährt werden...

Dafür konnte man ja ihre Arbeitskraft u.a. nutzen.

...wurden krank...

Na, und? Der nächste Krieg bringt doch wieder neue Sklaven. Warum also kranke Sklaven hochpäppeln?

...und brauchten Wohnraum.

Dafür konnte man ihnen gnädigerweise erlauben, sich selbst Hütten zu bauen. Wo ist da ein Problem?

Bei Sklaven fiel ja nicht nur der Kaufpreis an und auch der war nicht "billig".

Das gilt so aber nicht unbedingt für Afrika, denn dort gelangte man eben auch durch erfolgreiche Kriege in den Besitz von Sklaven.

Ich denke, Sie unterschätzen die Kosten für die monatelange Überfahrt von Afrika mit hohen Verlusten an Mensch und Material.

Na ja, ein halbes Jahr dauerte so eine Überfahrt nun auch wieder nicht. Verluste wurden einkalkuliert. Offensichtlich hat sich das sehr wohl gelohnt, sonst hätte man es ja nicht getan.

Mit der Erfindung der Baumwollpflückmaschine wäre das Ende der Sklaverei nur eine Frage der Zeit gewesen, auch ohne den Amerikanischen Bürgerkrieg.

Das mag ja sein, ändert aber nichts daran, daß die großen Plantagenbesitzer im Süden die Sklaverei freiwillig nicht abschaffen wollten. Viele schreckten vor den Investitionen für Maschinen zurück, andere sahen darin schlicht und einfach keinen Sinn, weil sie meinten, daß es mit Sklaven doch mindestens genauso billig geht.

Außerdem geht es ja eben nicht darum, ob Sklaven nun billig oder teuer sind.

Es geht darum, ob sie auch im Inneren Afrikas eingesetzt wurden.

Die Nordstaatler sind nach Ihrem Weltbild auch nur aus reiner Menschenfreundlichkeit gegen die Südstaatler in den Krieg gezogen und nicht, weil sie in den prosperierenden Industrien Fabrikarbeiter brauchten.

Ähem, Sie (ich finde das "Sie" zwar eigenartig, aber wenn Sie es verwenden, wünschen Sie sicher, ebenfalls so angeredet zu werden) sollten die Beiträge schon lesen, bevor Sie darauf antworten!

Ich habe ja geschrieben, daß sie das eben nicht aus Menschenfreundlichkeit taten. Ja, der Bedarf an Fabrikarbeitern war auch ein Grund. Ein weiterer Grund bestand darin, daß man gern die neuen Landmaschinen auch an die großen Plantagen im Süden verkaufen wollte.

Der Hauptgrund war aber der Machtkampf zwischen den Plantagenbesitzern im Süden und den Fabrikbesitzern im Norden. In der Anfangszeit der USA hatten die Plantagenbesitzer wirtschaftlich und politisch ganz klar das Übergewicht. Sie stellten üblicherweise den Präsidenten, und sie hatten auch die Mehrheit im Kongreß. Je mehr aber die Industrialisierung im Norden voranschritt, umso mehr gewannen die Fabrikbesitzer an Einfluß. Nun gab es aber einige Punkte, in denen ihre Interessen denen der Plantagenbesitzer widersprachen. Das war z.B. bei der Frage der Fall, ob man sich für weltweit freie Märkte ohne Zölle einsetzen sollte (was auch bedeutete, daß man selbst keine Zölle erheben durfte) oder aber ob man im Gegenteil den eigenen Markt durch Einfuhrzölle abschotten und damit auch die eigenen Ausfuhren einschränken sollte, weil ja andere Länder dann ebenso Zölle für US-Produkte erheben würden.

Die Fabrikbesitzer wollten ihre Interessen durchdrücken, aber dafür mußten sie die Plantagenbesitzer schwächen. Deshalb forderten sie die Abschaffung der Sklaverei. Manche Plantagenbesitzer hätte dies vielleicht wirklich wirtschaftlich geschwächt, aber vor allem erhoffte man sich davon einen Grund für einen Bürgerkrieg (in dem man dann wiederum als Fabrikbesitzer obendrein auch noch gut durch Waffenproduktion verdienen konnte).

Sie schreiben so wie einer, dessen Welt fein sauber in Gut und Böse eingeteilt sein muss. So ist die Welt aber nicht. Und das war sie nie.

Richtig, deshalb kann man auch nicht so einfach zwischen bösen europäischen Sklavenhändlern und guten afrikanischen Sklaven-Opfern trennen. So einfach war das eben auch damals nicht.

So sehe ich das, was nicht ausschließt, dass es zuvor (also ohne europäisches Zutun) keine Kriege gab.

Es gab und gibt in Afrika Kriege ohne Zutun der Europäer (oder sonstwelcher fremder Mächte). Und es gab und gibt in Afrika Sklaven, ebenfalls ohne Zutun fremder Mächte. Das war und ist so, ob Ihnen das nun gefällt oder nicht.

Freundliche Grüße
von Garfield


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