Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Widerspruch !

Maesi, Saturday, 16.02.2008, 10:19 (vor 6518 Tagen) @ Garfield

Hallo Garfield

Es ist illusorisch zu glauben, man koenne bei Gueter- und
Dienstleistungspreisen einen freien Markt gewaehren und gleichzeitig die
Loehne und Steuersaetze dem freien Markt entziehen. Das funktioniert
einfach nicht.

Ja, aber trotzdem wird es versucht. Und zwar auch auf Betreiben von großen
Konzernen. Die finden manchmal übrigens sogar Mindestlöhne toll - wenn sich
damit lästige Konkurrenten abschütteln lassen. Deshalb gibt es ja nun auch
einen Mindestlohn für Briefzusteller, aber noch lange keinen allgemeinen
Mindestlohn in Deutschland.

Es gibt viele Methoden laestige Konkurrenten abzuschuetteln. Aber laengst nicht alle sind mit dem freien Markt vereinbar. Was Du beschreibst wird vielleicht manchmal gemacht, aber eben meistens nicht. Willst Du hier allen Ernstes auf der seltenen Ausnahme Deine Argumentation aufbauen und den Regelfall missachten? Mindestlohnforderungen kommen nahezu ausschliesslich aus gewerkschaftlichen und/oder politischen Kreisen; ein Blick in die Zeitung genuegt, um das festzustellen. Mag sein, dass sich das einige wenige Unternehmen aus taktischen/opportunistischen Gruenden dann ebenfalls auf die Fahne heften, die politischen Treiber sind sie aber nicht.

Ob das so dauerhaft funktioniert, ist den Konzernen dabei völlig egal -
Hauptsache, kurzfristig läßt sich so Profit einfahren.

'Early win' heisst diese Einstellung. Der langfristige unternehmerische Misserfolg ist damit beinahe garantiert. Der Markt regelt auch das, indem er solche Raider-Unternehmen nach wenigen Jahren ausmendelt oder zumindest in arge Schwierigkeiten bringt. Sie koennen sich im Markt nicht halten. Die sogenannten Dot-com-Firmen waren in dieser Beziehung ein sehr interessantes Lehrstueck. Der Markt funktionierte damals sehr effektiv, und nicht wenige, die sich von schoenen Versprechungen und hohen Renditeprognosen blenden liessen, wachten nach einigen Jahren mit einem grossen Katzenjammer auf.

Der freie Unternehmer andererseits ist zwar an niedrigen Loehnen
interessiert aber gleichzeitig auch an Absatzmaerkten. Was nutzt es ihm,
wenn er zwar billig produzieren, gleichzeitig seine Produkte aber nicht
verkaufen kann. Der Unternehmer ist auf kaufkraeftige Kunden angewiesen; er
ist also interessiert daran, dass die Menschen einen grossen Teil ihres
Einkommens wieder im freien Markt ausgeben.

Ja, das hindert die allermeisten "Unternehmer" aber nicht daran, ihren
Mitarbeitern die Löhne zu drücken. Kaufkraft wollen sie natürlich haben,
und dafür sollen die Menschen auch gut verdienen - nur soll dafür
bitteschön nicht der eigene Profit geschmälert werden, die eigenen
Mitarbeiter sollen also möglichst schlecht verdienen... Manchen Besitzern
kleiner Firmen bleibt auch gar nichts anderes übrig, als ihre Mitarbeiter
und sich selbst schlecht zu bezahlen.

Hast Du eigentlich die Funktion des Marktes verstanden, Garfield? Natuerlich haben die Unternehmer ein Interesse daran, moeglichst niedrige Loehne zu zahlen. Und die Arbeitnehmer haben ein Interesse an moeglichst hohen Loehnen. Sofern in einer bestimmten Branche ein Ueberangebot an verfuegbaren Arbeitskraeften besteht, sind die Arbeitgeber am laengeren Hebel, sofern ein Unterangebot an Arbeitskraeften besteht die Arbeitnehmer. Dessenungeachtet muss der erfolgreiche Unternehmer seine Absatzmaerkte im Auge behalten. Auf Dauer kann er (ausser mit regelmaessig erhaltenen Subventionen) ja nicht defizitaer produzieren - selbst dann nicht, wenn er extrem billige Arbeitskraefte beschaeftigte. Somit besteht volkswirtschaftlich sehr wohl ein Zusammenhang zwischen Preisen und Loehnen. Der Unternehmer merkt diesen Zusammenhang dann allerdings nur indirekt an einem markanten Umsatzrueckgang, der ihn gegebenenfalls zu Restrukturierungsmassnahmen zwingt.

Steuern und Abgaben (egal, ob bei Produzenten oder Konsumenten erhoben)
entziehen hingegen dem freien Markt Geld, das sonst fuer Konsum ausgegeben
wuerde, und verteilen es normalerweise in Bereiche um, die in erheblichem
Ausmass nicht Bestandteil des freien Marktes sind, sondern vom Staat
kontrolliert werden.

Ja, auf den ersten Blick betrachtet ist das so. Das sehen aber auch nicht
alle Produzenten und Verkäufer gleichermaßen so. Nehmen wir z.B. mal die
Produzenten, die Produkte des täglichen Bedarfs für den deutschen Markt
herstellen, und die Verkäufer, die in großem Umfang oder ausschließlich auf
dem deutschen Markt solche Produkte des täglichen Bedarfs verkaufen:

Für diese Firmen sind die sinkenden Real-Einkommen ein echtes Problem.
Wenn nämlich immer mehr Geld von der Masse der Bevölkerung zu den
Superreichen fließt, dann muß die Masse der Bevölkerung zwangsläufig
weniger Geld für Güter des täglichen Bedarfs ausgeben, während die
Superreichen für das zusätzliche Geld aber kaum zusätzliche Güter des
täglichen Bedarfs kaufen. Der Konsum geht insgesamt also in diesem Bereich
herunter. Was nun?

Fuer die weitaus meisten Firmen sind sinkende Realeinkommen bei den Konsumenten ein Problem, keine Frage. Sofern in aehnlichem Umfang die Preise sinken, hebt sich das aber auf. Langfristig werden sich Loehne und Preise bei funktionierenden Maerkten wieder austarieren. Wir haben derzeit in Europa (und insbesondere in der Schweiz) das Problem, dass wir im internationalen Vergleich nicht bloss eine Hochlohn- sondern auch eine Hochpreisinsel sind. Die Globalisierung wird nicht bloss die Loehne sondern auch die Preise broeckeln lassen; aber das funktioniert nur bei freiem Handel. Gerade die EU versucht sich nach aussen hin abzuschotten. Im industriellen Bereich hat sie deswegen notorisch Krach mit den USA und im Agrarbereich mit den Entwicklungslaendern.

Auch der umgekehrte Fall zum eingangs von mir erwaehnten Beispiel funktioniert marktwirtschaftlich gesehen auf lange Sicht nicht. Es ist unmoeglich Loehne dem freien Markt zu unterwerfen und gleichzeitig die Gueter- und Dienstleistungspreise dem Markt zu entziehen. So brechen dem Unternehmer, der hohe Produktpreise einfordert, unweigerlich Absatzmaerkte weg, und der billigere Unternehmer reuessiert. Ausserdem werden auch in den Schwellenlaendern die Loehne sukzessive steigen, die Gueter koennen dort somit auf lange Sicht auch nicht zu Dumpingpreisen produziert werden. Es findet eine Nivellierung statt. Aber das braucht seine Zeit, und je mehr Protektionismus und Abschottungsbemuehungen bestehen, desto laenger dauert dieser Prozess.

Kommt man nun vielleicht auf die Idee, daß es vielleicht doch gut wäre,
die eigenen Mitarbeiter gut zu bezahlen? Nein, soweit will man meist doch
nicht gehen. Was also sonst?

Es ist nicht eine Frage der Idee sondern der Notwendigkeit. Wenn Mitarbeiter schlecht bezahlt werden, wandern sie ab; sie wechseln vielleicht den Beruf und steigen in besser bezahlte Taetigkeiten ein - und schwupp koennte der allzuschlecht zahlende Unternehmer ein massives Personalproblem bekommen. Mitarbeiter kann man nur dann schlecht bezahlen, wenn ein permanentes Ueberangebot an Arbeitskraeften besteht. Es ist aber das Kennzeichen der freien Marktwirtschaft, dass Angebot und Nachfrage nie statisch sind sondern immer dynamisch mit gegenseitigen Wechselwirkungen. Wir haben uns daran gewoehnt, dass wir ein Leben lang am gleichen Ort, im selben Unternehmen, dieselbe Arbeit verrichten. In den USA, in Lateinamerika oder in Suedostasien schaut das ganz anders aus. Von dieser Einstellung des auf Lebenszeit garantierten Arbeitsplatzes werden wir uns verabschieden muessen.

Man löst dieses Problem, indem man der Mittelschicht über Steuern und
Abgaben Geld abzieht, und dieses Geld verteilt man über die
Sozialleistungen an die Unterschicht. Nur so läßt sich der Verkauf von
Gütern des täglichen Bedarfs noch einigermaßen stabil halten, die Steuern
und Abgaben führen also teilweise doch zu Konsum. Jedenfalls, solange es
noch eine Mittelschicht gibt, die das finanzieren kann...

So loest man das Problem im Wohlfahrtsstaat aber eben nicht in der freien Marktwirtschaft - ein grundlegender Denkfehler.

Für die Politik ist das natürlich nun ein Balance-Akt. Auf der einen Seite
stehen da Firmen, die z.B. ihre Gewinne vor allem über den Export
realisieren. Die haben natürlich kein Interesse am deutschen
Wohlfahrtsstaat, ganz im Gegenteil: Die wollen, daß es möglichst gar keine
Sozialleistungen gibt, damit ihre Beschäftigten gezwungen sind, für einen
Appel und ein Ei zu arbeiten. Auf der anderen Seite stehen Firmen, die auf
den deutschen Markt angewiesen sind, und zwar nicht auf den Markt für
Luxusgüter, sondern auf den Markt für den Otto-Normalverbraucher. Die
brauchen hier Kaufkraft, und so nützt ihnen der Wohlfahrtsstaat durchaus,
wie oben beschrieben.

Nein. Auch der Unternehmer hat ein Interesse an einer minimalen sozialen Sicherheit seiner Mitarbeiter. Der Unternehmer will moeglichst stoerungsfrei produzieren. Jeder Streik kostet ihn einen Haufen Geld; ausserdem riskiert er, seine Mitarbeiter an die Konkurrenz zu verlieren, wenn er zu schlecht zahlt. Waere es wie Du behauptest, haette es nie Tarifverhandlungen gegeben, da die Unternehmer zu keiner Zeit ein Interesse daran gehabt haetten. Die Geschichte selbst widerlegt also Deine These. Ob ein Unternehmen Luxusgueter oder Nichtluxusgueter produziert, ist formal gesehen gleichgueltig. Sofern unter den Regeln des freien Marktes mit einer wirtschaftlichen Taetigkeit ein Gewinn erwirtschaftet werden kann, besteht eine erhebliche Wahrscheinlichkeit, dass das ein findiger Unternehmer ausnuetzt. Ausserdem ist auch der Markt fuer Luxusgueter letzten Endes irgendwann gesaettigt, wenn naemlich die wenigen sogenannten 'Superreichen' bedient sind. Das ist umso fataler, als dieser Markt vergleichsweise klein ist. Es nuetzt den Unternehmern nichts, wenn sie sich auf die Superreichen konzentrieren und die finanziell weniger potenten Konsumenten links liegen lassen. Sie wuerden sich lediglich einen gnadenlosen Preiskampf liefern, waehrend die wenigen, die die weniger begueterten Konsumenten mit Massenprodukten versorgen, Gewinne einfahren, was wiederum die abgewanderten Konkurrenten wieder zuruecklockt. Der freie Markt stellt in jedem Falle einen Ausgleich sicher.

Der Wohlfahrtsstaat hat grundsaetzlich zwei Moeglichkeiten, Geld in die Wirtschaft zu pumpen:

1. Er nimmt es von den einen und gibt es anderen (Umverteilungsprinzip). Hier handelt es sich marktwirtschaftlich um ein Null-Summen-Spiel, denn ein volkswirtschaftlicher (Mehr-)Wert wird damit nicht geschaffen.

2. Er macht Schulden und speist das erzeugte Geld in die Wirtschaft ein. Ein aeusserst riskantes Spiel, denn damit werden kommende Generationen betrogen, die die Schulden irgendwann bedienen muessen. Ausserdem fallen Zinsen an, die ebenfalls jedes Jahr durch Steuerertraege bezahlt werden muessen. Erlaubt ist das nach liberaler Doktrin nur dann, wenn in 'guten Jahren' die Schulden durch Ueberschuesse bei den Steuerertraegen wieder vollstaendig getilgt werden, langfristig gesehen also ein Gleichgewicht zwischen Steuereinnahmen und Staatsausgaben besteht. In den westlichen Wohlfahrtsstaaten ist das allerdings praktisch nie der Fall. Vielmehr hat sich dort ein Grundstock an Staatsschulden angeaeufnet, der nicht mehr abgetragen wird. Diese Staaten koennen schon froh sein, wenn sie in guten Jahren ein ausgeglichenes Budget voweisen koennen, von der (vollstaendigen) Rueckzahlung aufgelaufener Schulden ist kaum je die Rede.

Der Wohlfahrtsstaat funktioniert in einer globalisierten Wirtschaft nur dann, wenn er auf lange Sicht ein ausgeglichenes Budget vorweisen kann und die Steuerbelastung in einem akzeptablen Rahmen haelt. Sozialwerke sollten grundsaetzlich strikt vom Steuersystem getrennt und selbsttragend sein. Dann hat man gesunde, transparente Sozialwerke, die IMHO auch von den Unternehmern mehrheitlich voll akzeptiert werden. Die heutige massive Quersubventionierung der Sozialwerke durch Steuergelder ist gefaehrlich, weil sich dadurch beim Staat Risiken kumulieren. Ausserdem ist sie intransparent und gaukelt dem Souveraen eine geschoente Scheinrealitaet ueber den Zustand der Sozialwerke vor, die wahren Kosten werden verschwiegen. Wuerde ein international taetiger Konzern so dubios wirtschaften, muessten die Polizei, diverse Wettbewerbskommissionen und womoeglich etliche Boersenaufsichten wegen Betrugs, Bilanzfaelshcung und Verstoesse gegen den fairen Wettbewerb gegen ihn ermitteln.

Sozialleistungen kommen aber natürlich auch beim Wahlvolk gut an, wenn es
viele Erwerbslose gibt und dazu viele Menschen, die fürchten müssen, selbst
bald erwerbslos zu sein. Also ist für die Politiker die Sache klar.

Das ist der Knackpunkt. Der Wohlfahrtsstaat verspricht eben auch dem Wahlbuerger einen 'early win'. Der Buerger laesst sich verfuehren, die langfristigen Folgen interessieren nicht. Deshalb pfeifen praktisch saemtliche wohlfahrtsstaatlichen Einrichtungen in fast allen Staaten aus dem letzten Loch: langfristige Entwicklungen wurden und werden nicht beruecksichtigt, 'nach mir die Sintflut' ist das Motto der heutigen politischen Sozialreformer. Der Bueger zieht mit, solange er glaubt, dass die Katastrophe erst die nachfolgende Generationen trifft - und die werden's dann schon irgendwie richten.

Und die Zerstörung der Familien nützt vielen Firmen sehr wohl. Aus
verschiedenen Gründen:

Man hat sicher schon in den 1950er Jahren Umfragen gemacht, u.a. um
herauszufinden, wieso potenzielle Kunden nichts und wieso vorhandenen
Kunden nicht noch mehr kaufen. Wenn man nun eine Hausfrau auf der Straße
fragte, wieso sie sich nicht noch ein 10. oder 20. Paar Schuhe kauft, was
meinst du, wird sie dann gesagt haben? Könnte es sein, daß da vielleicht
oft Antworten kamen wie z.B. "dann schimpft mein Mann wieder..."?

Schon moeglich, dass solche Aussagen auch gemacht wurden. Bei den meisten war es aber ganz einfach das fehlende Geld. 10 oder gar 20 Paar Schuhe fuer eine biedere Hausfrau in den 50er Jahren? Traeum weiter, Garfield! 3, 4 vielleicht 5 Paare trifft es wesentlich besser.

Es ist also abträglich für den Konsum, wenn die Person, die das
Familieneinkommen ganz oder überwiegend erarbeitet, zu Hause das Sagen hat.

Aber wieso denn? Entscheidend fuer den Konsum ist primaer das zur Verfuegung stehende Geld. Und das vermehrt sich nicht auf wundersame Weise, bloss weil man die Verfuegungsgewalt mit obrigkeitlicher Gewalt einem anderen zuweist. Allenfalls steigt so vielleicht kurzfristig die Neigung, Schulden zu machen; aber auch eine solche Taktik fliegt irgendwann auf, denn Schulden muessen irgendwann mit Zins und Zinseszins beglichen werden. Hast Du die Hypothekenkrise in den USA nicht mitbekommen? Dort liegen noch ganz andere Zeitbomben, und jeder weiss es...

Viel besser ist es, wenn diese Person möglichst weitgehend entmachtet
wird. Und wenn diese Person sich dagegen wehrt und es zu Streit in der
Familie kommt, dann muß man der anderen Person eben die Scheidung
erleichtern. Ideal ist es, wenn der bisherige Familienernährer auch nach
der Scheidung noch weiter zahlen muß. So ist der Konsum durch den
unterhaltsberechtigten Partner weiter sichergestellt.

Schwachsinn, Garfield. Gerade Scheidungsfamilien sind sehr oft Sozialfaelle, wie Statistiken belegen. Von einer Ankurbelung des Konsums durch Scheidung kann keine Rede sein. Im besten Falle handelt es sich um ein Null-Summenspiel, im schlimmsten Fall muss der Staat geliehenes Geld in Form von Sozialhilfe einschiessen. Ein echter Mehrwert entsteht nicht.

Nun stell die mal vor, du wärst ein Hersteller von z.B. Elektroherden.
Wenn es 20 Millionen Paare gibt, die alle in Familien zusammen wohnen, dann
kannst du (wenn du alle Konkurrenten aus dem Feld schlägst) 20 Millionen
Herde verkaufen. Wenn die eine oder andere Familie zwei kauft, sogar noch
mehr. Werden aber alle diese Familien zerstört, und leben die Ex-Partner
dann allesamt in Single-Haushalten, dann könntest du plötzlich 40 Millionen
Herde verkaufen!!!

Das nutzt vielleicht dem Kochherdhersteller, hat aber auf die Gesamtwirtschaft keine Auswirkung, da infolge Anschaffung eines Kochherds gleichzeitig andernorts gespart werden muss. Stattdessen wird der Kochherdkaeufer vielleicht das alte Auto behalten, solange es noch faehrt und mangels Geld nicht sofort ein neues anschaffen oder er macht billige Ferien auf Balkonien anstatt zur Sommerfrische an die Ostsee oder nach Mallorca zu reisen. Entscheidend ist, dass er nur das Geld verkonsumieren kann, das ihm zur Verfuegung steht. Wenn er einen Konsumkredit aufnimmt, muss er ihn zurueckzahlen; wenn er ihn nicht zurueckzahlen kann, wird der Kredit vom Kreditgeber abgeschrieben, der Verlust wird auf die uebrigen rueckzahlungsfaehigen Kreditnehmer in Form von hohen Zinsen umgelegt.

Der wichtigste Profiteur von Scheidungen ist die Scheidungsindustrie in Form von Gerichten, Anwaltskanzleien, Jugendaemtern, Mediatoren, Psychologen etc. Zumindest die Anwaelte sind selbst Teil des freien Marktes; aber Richter, Jugendamtsmitarbeiter, die meisten Mediatoren und Psychologen haengen am Tropf des Staates. D.h. es werden so erhebliche Summen aus der freien Wirtschaft abgezogen und in den staatlich kontrollierten Parallelmarkt der Sozialbuerokratie transferiert - zum groesseren Teil ueber Steuern, zum kleineren Teil ueber Gebuehren, welche die staatlichen Stellen bei erbrachten Dienstleistungen erheben.

Ein Grossteil der Energie der staatlichen Organe geht dahin, den staatlich kontrollierten, und dem freien Markt entzogenen Parallelmarkt zulasten des freien Marktes zu erweitern. Es ist das Wesen des Wohlfahrtsstaates ueberall dreinzuregulieren oder selbst als monopolistischer Anbieter aufzutreten. Der Staat hat dabei den Vorteil, dass er direkten Zugriff auf das Vermoegen seiner 'Kunden' in Form von Steuerforderungen hat. Anders als der Kunde in der freien Marktwirtschaft, kann sich der Steuerzahler seinen Staat ja nicht so einfach aussuchen. Er muesste auswandern, denn auf einem bestimmten Staatsgebiet haben die dedizierten staatlichen Organe das Monopol, Steuern zu erheben; wer die Steuern nicht bezahlt, wird gepfaendet und/oder kommt in den Knast. Kein Unternehmer kann von seinen Kunden verlangen, fuer etwas zu bezahlen, was dieser nie bestellt/konsumiert hat. Der Wohlfahrtsstaat hingegen kann genau das tun.

Die Plaene zur flaechendeckenden Einrichtung von Krippenplaetzen ist so ein typisch wohlfahrtsstaatlicher Coup: Quersubventionierung ueber zwangsweise eingetriebene Steuern. Dem Buerger steht es hoechstens noch frei, das subventionierte Angebot anzunehmen oder seinen Obolus, den er dafuer erzwungenermassen entrichtet hat, vollstaendig abzuschreiben. Den Preis bezahlen muss er so oder so, egal, ob er die Dienstleistung ueberhaupt will oder nicht. Es lebe die 'neue Freiheit' im Zwangswohlfahrtsstaat!

Klar - das Geld verdoppelt sich durch die Trennungen nicht. Aber du gehst
einfach davon aus, daß jeder einen Herd braucht. Oder zumindest eine
Kochplatte, die du auch herstellst. Und du verläßt dich darauf, daß das
Geld dafür schon anderswo eingespart wird. Und selbst wenn du nur 30
Millionen Herde verkaufst, dann sind das immer noch mehr als 20 Millionen.

Wie schon oben geschrieben, hat das aus Sicht der Gesamtwirtschaft keinen Einfluss. Das aber ist die gesellschaftlich relevante Sicht und nicht die eingeengte Perspektive der Hersteller von Haushaltsgeraeten.

Und genauso denken dann auch die Hersteller von Möbeln, Lebensmitteln,
Strom...

Nein, Garfield. Die kalkulieren nie anhand solch abstrakter Spekulationen sondern anhand der Entwicklung von Umsatzzahlen, Marktforschung etc.

Dann gab es in den 1950er und 1960er Jahren noch einen für die Firmen
lästigen Effekt:

Es gab zwar damals schon viele Frauen, die eine Berufsausbildung machten
und dann auch berufstätig waren, aber wenn die heirateten, wurden sie oft
Hausfrauen und mußten dann durch neue Mitarbeiter ersetzt werden. Besser
ist natürlich, wenn die Frauen auch nach der Heirat weiter arbeiten, zumal
das auch noch den Arbeitsmarkt gut füllt und so die Löhne drückt.

Die Loesung war in den 60er und 70er Jahren der Import von Arbeitskraeften aus dem Ausland. Die Unternehmen konnten damit die 'teuren' Frauen mit Leichtigkeit kompensieren. Aus dieser Sicht ist auch die Globalisierung und die damit verbundene internationale Deregulierung am Arbeitsmarkt fuer die Unternehmer weitaus lukrativer als die Konzentration auf 'teure' einheimische weibliche Arbeitskraefte. Das feministische Kalkuel (dem offensichtlich auch Du anhaengst) geht im globalisierten Arbeitsmarkt nicht auf. Zumindest nicht, solange international derart grosse Lohndifferenzen bestehen. Und schon gar nicht, wenn der Staat obendrein auch noch wegen Foerdermassnahmen zusaetzlich Steuergelder einschiessen muss (die nota bene vorher aus der Wirtschaft abgezogen wurden), damit die Frauen endlich einer Erwerbsarbeit nachgehen.

Auch und gerade technische Fachkraefte werden dereinst weit eher aus Indien oder China kommen, als dass sich Frauen ploetzlich fuer solche Karrieren entscheiden; die Erfahrungen aus den Girlsdays sind in dieser Beziehung geradezu ernuechternd. China und Indien haben die Zeichen der Zeit erkannt und bilden wie verrueckt hochwertige Ingenieure und Informatiker aus. Moegen wir ruhig weiterhin Psychologen, Soziologen, Sozialarbeiter, Sozialpaedagogen etc. ausbilden, die der Markt eigentlich gar nicht benoetigt, und deshalb in grosser Zahl als Dozenten an Universitaeten/Hochschulen, in der staatlichen Hilfs- und Femibuerokratie oder in der Propgandaindustrie unterkommen. Zukunft hat dieser Umverteilungsschwachsinn und das Haetscheln einer nicht gewinnorientierten und vom Markt abgeschotteten staatlichen Parallelwirtschaft genau so lange, wie der Staat sich noch vor einem internationalen Steuerwettbewerb druecken kann; das aber wird nicht mehr lange der Fall sein.

Das hat doch schon im 19. Jahrhundert prima funktioniert: Da arbeiteten
Männer, Frauen und Kinder in den Fabriken für Hungerlöhne, und das brachte
schöne Gewinne. Kinderarbeit wäre natürlich auch eine Super-Sache, aber
sowas ist heutzutage schwer durchsetzbar. Außerdem brauchen gar nicht
wenige Wirtschaftszweige Kinder als Konsumenten, z.B. für Spielekonsolen,
PCs, Spiele, Handies, Musik-CDs... Wenn Kinder in Fabriken arbeiten müßten,
hätten sie für so etwas weniger Zeit, da würden also die Märkte stark
einbrechen. Die Firmen in den entsprechenden Branchen würden sich gegen
solche Bestrebungen also vehement zur Wehr setzen.

Du bist in den 70er-Jahren steckengeblieben, Garfield. Heute leisten Maschinen und Roboter nicht bloss billigere sondern v.a. auch exaktere Arbeit. Die Vision einer Fabrik, die mit moeglichst vielen billigen Arbeitskraeften an Fliessbaendern Massengueter produziert, ist hierzulande passé. Heute haben wir zunehmend Geisterfabriken, in denen lediglich noch wenige Personen Wartungspersonal beschaeftigt sind. Aber auch in den Schwellenlaendern werden die Fliessbandfabriken sukzessive verschwinden; spaetestens wenn dort das allgemeine Lohnniveau zu steigen beginnt, sehen sich die dortigen Unternehmer gezwungen zu modernisieren und zu rationalisieren.

Aber gegen erwerbstätige Frauen kann doch kaum jemand etwas sagen. Und es
gab sogar schon Leute, die sich schon in den 1950er Jahren ganz klar dafür
aussprachen: Manche Feministinnen.

Eva Herman hat es getan und wurde dafuer medial hingerichtet. Die Scharfrichter waren nicht irgendwelche obskure Grossindustrielle sondern Repraesentanten einer bestimmten ideologischen Richtung, denen die Medienschaffenden erstaunlich geschlossen (da ideologisch gleichgeschaltet?) sekundierten. Solch einheitlich faschle Berichte ist man sonst eigentlich nur von Medien in totalitaeren Diktaturen gewohnt.

Die Zerstörung der Familien hat aber noch weitere Vorteile:

Die Familie bindet Menschen an einem Ort. Da haben die Kinder ihre
Schulfreunde und möchten deshalb nicht weg, die Frau möchte vielleicht ihre
Eltern häufig sehen, man möchte die Kinder auch mal bei Eltern oder
Großeltern abgeben können usw. Das hat den Effekt, daß eine Firma nicht
immer so einfach geeignetes Personal findet. Da muß man dann schon manchmal
hohe Löhne als Köder ansetzen.

Das ist korrekt. Familien sind relativ unflexibel. Mit der traditionell buergerlichen Arbeitsteilung laesst sich dieses Problem zumindest teilweise auffangen. Der Haupterwerbstaetige ist flexibel waehrend gleichzeitig der andere Elternteil die 'unflexiblere' Familienarbeit uebernimmt. Wer in der Naehe eines Wirtschaftszentrums wohnt (Berlin, Muenchen, Hamburg, Koeln, Frankfurt etc.), hat natuerlich einen erheblichen Standortvorteil, weil dort eine Massierung von Arbeitsstellen sind; er wird es also wesentlich leichter haben, die Stelle oder sogar den Beruf zu wechseln ohne deswegen gleich umziehen zu muessen. Wer im Allgaeu oder im hintersten Winkel Mecklenburg-Vorpommerns wohnt, hat diesbezueglich natuerlich viel weniger Optionen. Das ist auch der Grund, weshalb die Agglomerationen um die Wirtschaftszentren herum wachsen.

Ohne Familien dagegen sind viele Menschen weitaus weniger ortsgebunden.
Sie sind dann eher bereit, auch mal 500 km weit weg zu ziehen, und da muß
man gar nicht unbedingt ein Super-Gehalt bieten. Wenn der potenzielle
Mitarbeiter gerade keinen Job hat, dann wird er auch weit weg ziehen, wenn
ihn keine Familie an seinem aktuellen Wohnort bindet. Ohne Familien sind
die Menschen also flexibler, und das wirkt sich insgesamt lohnmindernd
aus.

Naja, auch mit einer Familie kann man zuegeln. Sofern das nicht gleich alle zwei oder drei Jahre passiert, ist das nicht so ein grosses Problem. Sofern man sich mit seiner Familie aber schon von Beginn weg standortguenstig niederlaesst, stellt sich dieses Problem nur mit kleiner Wahrscheinlichkeit.

Dann ist es auch so, daß sich Menschen in einer Familie gegenseitig
unterstützen. Das ist auch schlecht. Wenn z.B. jemand noch billig bei den
Eltern wohnt, und wenn die Eltern genug verdienen, um ihr Kind mit zu
ernähren, dann muß dieses Kind nicht unbedingt jeden noch so miesen Job für
einen Hungerlohn annehmen. Wohnt das Kind dagegen mit der Mutter in einer
kleinen Hartz IV-Wohnung, dann sieht das schon anders aus. Dann wird es
froh sein, da heraus zu kommen und dafür eben auch einen miesen Job mit
schlechter Bezahlung akzeptieren.

Hat gesamtwirtschaftlich keine Bedeutung, denn durch die effizientere Nutzung der Infrastrukturen in Familien oder Wohngemeinschaften bleibt mehr Kohle fuer den restlichen Konsum uebrig. Du versuchst immer wieder denselben Trick, Garfield! Du betrachtest isoliert einen bestimmten Ausschnitt der Wirtschaft und ignorierst die Wechselwirkung mit der Gesamtwirtschaft. Gesamtwirtschaftlich bleibt die Umverteilung ein Null-Summen-Spiel, da beisst die Maus keinen Faden ab.

Und wie man bei den Türken sieht, haben Familien sogar für Banken
Nachteile: Wenn ein Türke einen Laden aufmachen will, dann nimmt er dafür
nicht unbedingt einen Kredit auf. Er fragt erstmal in der Familie nach, und
oft schafft er es, sich da das Geld zu leihen. Das ist ein großer Vorteil
für ihn, nicht aber für die Banken, denen so gute Gewinne verloren gehen.
Viel profitabler ist es also, wenn Menschen ganz auf sich allein gestellt
sind und von niemandem finanzielle Unterstützung bekommen.

Also jetzt wird's langsam haarspalterisch. Das den Banken so entgangene Kreditgeschaeft steht in keinem Verhaeltnis zum Gesamtkreditvolumen. So gross sind die entgangenen Gewinne auch wieder nicht. Ausserdem sind gerade Kleinbetriebe fuer Banken punkto Investitionskredite nicht sonderlich attraktiv. Die Zinsmargen sind duenn und der Aufwand fuer die Bonitaetspruefung und Kundenbetreuung in Relation zur Kredithoehe hoch. Ob und wieviel Fremdkapital ein Kleinbetrieb beanspruchen will, ist wiederum eine unternehmerische Frage. Solange das Fremdkapital billig ist (niederes Zinsniveau) lohnt sich ein hoeherer Fremdkapitalanteil, steigt der Preis fuer Fremdkapital (Zinserhoehungen) setzt andererseits ein Leverage-Effekt ein, d.h. die Zinskosten steigen schnell und stark ueberdurchschnittlich bezogen auf die erwirtschafteten Ertraege. V.a. Kleinunternehmen sollten deshalb eine genuegend hohe Eigenkapitaldecke aufweisen, weil sie selten genuegend Reserven gebildet haben, um temporaer hohe Kapitalkosten abfedern zu koennen und sie die gestiegenen Kosten auch kaum mittels Preiserhoehungen auf ihre Kunden abwaelzen koennen, ohne diese zu verlieren. Sollte der Trend auf ein anhaltend hohes Zinsniveau (z.B. bei entsprechender Inflationsrate) hinweisen, muesste sogar die Faehigkeit bestehen, Kredite zurueckzuzahlen, um dadurch die Kapitalkosten zu vermindern. Wie gesagt, das sind unternehmerische Entscheide, die der Eigentuemer auch einer Kleinfirma faellen muss.

Schließlich und endlich sind Menschen, die ganz auf sich allein gestellt
sind, oft auch viel einfacher zu manipulieren. Das ist ein großer Vorteil
für Politiker und Werbestrategen.

Zustimmung. Mittelbares Ergebnis des ausufernden Sozialstaates ist natuerlich die Vereinsamung und Vereinzelung.

Globalisierung bedeutet, daß alles angeglichen wird. Idealerweise soll es
nur noch eine Sprache geben, alle Menschen sollen dieselben
Standard-Produkte kaufen und sich von derselben Werbung angesprochen
fühlen. Das setzt entsprechende Standard-Grundwerte voraus, die überall
gleich sein müssen. Wenn man Menschen diese Standard-Werte überstülpen
will, muß man ihnen vorher ihre alten, traditionellen Werte nehmen. Diese
Werte werden über die Familien weiter gegeben, also müssen die Familien
zerstört werden.

Globalisierung bedeutet in erster Linie eine marktwirtschaftliche Globalisierung; dass diese auch eine Rueckkopplung auf soziale und kulturelle Strukturen hat, ist unbestritten. Trotzdem sind soziale und kulturelle Eigenheiten von Voelkern erstaunlich zaehlebig. Ein Blick in die Geschichte (von der Voelkerwanderungszeit bis zur beeindrueckenden Integrationskraft der angelsaechsischen Ersteinwanderer in den urspruenglich nur 13 amerikanischen Kolonien gegenueber den nachfolgenden Immigranten) legt Zeugnis davon ab. Voraussetzung ist allerdings auch der innere Wille, seine kulturellen Eigenheiten bewahren und leben zu wollen. Wer jedoch seinen gesamten sozialen und kulturellen Horizont auf das materialistisch-marktwirtschaftliche beschraenkt, der hat keinen solchen inneren Willen mehr. Fuer den gibt es ausserhalb des materiellen Konsums nichts mehr und ich stelle die provokante Behauptung auf, dass es um so jemanden auch nicht schade ist, wenn er vollstaendig in einem gleichgeschalteten (Konsum-)Mainstream aufgeht. Leider ist gerade diese ausschliessliche Hinwendung zum materiellen Konsum in unseren europaeischen Kulturen ein Massenphaenomen. Kulturell geben wir uns zunehmend auf, wir verlieren sogar den sozialen Willen zur Reproduktion. Es ist die Tragoedie Europas, dass wir unseren soziokulturellen Suizid offenbar akzeptiert haben. Um die damit verbundene Agonie aushalten zu koennen, bedienen wir uns eines immer exzessiveren Konsums; wir knallen uns richtiggehend mit diesem Suchtmittel zu. Damit auch wirklich jeder sich damit zuknallen kann, bauen wir den Wohlfahrtsstaat aus. Sozusagen eine flaechendeckende staatlich kontrollierte Abgabe der Droge namens Konsum fuer jene, die sie sich sonst nicht leisten koennten...

Gruss

Maesi


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