Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Gleichstellungsbeauftragte bei der Bundeswehr (Pudelalarm!)

Mus Lim ⌂, Saturday, 02.01.2010, 16:53 (vor 5842 Tagen) @ wisch-und-weg
bearbeitet von Mus Lim, Saturday, 02.01.2010, 16:57

Zeitschrift für innere Führung

Weichen gestellt

Über Erfahrungen nach drei Jahren Praxis des Gesetzes spricht der für Fragen der Gleichstellung zuständige Referent im Führungsstab der Streitkräfte I, Referat „Innere und soziale Lage“, in Bonn mit der militärischen Gleichstellungsbeauftragten (GleiBmil) des Bundesministeriums der Verteidigung. Seit mehr als drei Jahren haben wir das Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz (SGleiG). Mit dem Gesetz wurden erstmals umfassende gesetzliche Gleichstellungsregelungen für Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr geschaffen.

Haben Sie als militärische Gleichstellungsbeauftragte den Eindruck, dass das Gesetz die richtigen Weichen gestellt hat?

Auf jeden Fall. Das Wichtigste ist doch, dass damit die Gleichstellung von Soldatinnen im Hinblick auf den Zugang zur Beschäftigung und auf den beruflichen Aufstieg erreicht und geschlechtsbezogene Benachteiligungen vermieden werden sollen. Zudem sind alle Dienststellen der Streitkräfte verpflichtet, zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Dienst Rahmenbedingungen für familiengerechte Arbeitszeiten zu entwickeln und anzubieten. Erstmalig wird die gesetzliche Möglichkeit geschaffen, die Betreuung eines Kindes unter 18 Jahren oder der Pflege eines pflegebedürftigen Angehörigen in Teilzeitbeschäftigung auszuüben. Wichtig ist nun, am Ball zu bleiben und gesellschaftliche und bundeswehrorientierte Entwicklungen zu beobachten und diese für die Optimierung vorhandener Möglichkeiten zu nutzen.
Das Gesetz definiert auch Ihre Aufgaben als GleiBmil.

In den zentralen personalbearbeitenden Stellen und ab Divisionsebene werden militärische Gleichstellungsbeauftragte gewählt. Sie wirken bei allen personellen, organisatorischen und sozialen Maßnahmen ihrer Dienststelle mit, die der Durchsetzung dieses Gesetzes, der Gleichstellung von Soldatinnen und Soldaten, der Vereinbarkeit von Familie und Dienst sowie dem Schutz vor sexueller Belästigung und Diskriminierung dienen. Dieser Dreiklang ist sehr umfangreich, denn Mitwirkung heißt Beteiligung von Anfang an. Anfangs wussten viele Vorgesetzte gar nicht, wann und wobei sie die GleiBmil zu beteiligen haben. In der Zwischenzeit hat sich das eingespielt. Aber auch viele Gleichstellungsbeauftragte muss­ten lernen, Prioritäten zu setzen um dort mitwirken zu können, wo sie ihre eigenen Schwerpunkte sehen.
In den Dienststellen der Regiments- und Brigadeebene wird darüber hinaus eine Gleichstellungsvertrauensfrau als unmittelbare Ansprechpartnerin für die Soldatinnen und Soldaten sowie für die zuständige militärische Gleichstellungsbeauftragte bestellt. Die Gleichstellungsvertrauensfrau hat sich in der Vergangenheit als nicht zu unterschätzendes Element zur Bewertung von Stimmung und Lage in der Truppe bewährt.

Neben diesen Aufgabenzuweisungen legt das Gesetz auch eine Quote fest. Bis zur Erreichung eines Anteils von 50 Prozent im Sanitätsdienst und 15 Prozent in den sonstigen Laufbahnen gelten Frauen als unterrepräsentiert. Sofern ihr Anteil unter der Quote liegt, werden Frauen vorrangig eingestellt, wenn sie die gleiche Qualifikation wie ein männlicher Bewerber oder Soldat aufweisen und keine Gründe gegeben sind, die ausnahmsweise die Bevorzugung des Mannes gebieten. Es gilt der Grundsatz, Einplanungen/ Einstellungen von Frauen und Männern bei nachgewiesener Eignung und vorhandenem Bedarf in dem von den Bewerbern und Bewerberinnen gewünschten Verwendungsbereich zu realisieren.

Stichwort Verwendungsbereiche: Erfahrungsgemäß sind für Frauen vor allem die Bereiche Sanität, Logistik und Stabsdienst interessant. Aber auch als Pilotinnen oder Panzerführerinnen haben sie sich durchsetzen können. Eine positive Entwicklung, wie ich finde.

Aber wie überall ist der Bedarf in den häufig gewünschten Verwendungsbereichen begrenzt. Da jedoch für Einplanungen und Einstellungen die Eignung und die Verwendungswünsche mit dem Bedarf in Deckung zu bringen sind, konkurrieren Frauen um die begrenzten Dienstpostenangebote in den von ihnen bevorzugten Verwendungsbereichen untereinander. In der Folge konnten trotz Eignung nicht alle Frauen eingestellt werden. Einplanungen und Einstellungen über den Bedarf hinaus verbieten sich aus strukturellen und haushalterischen Gründen.

Glauben Sie denn, dass die Quote bei der Karriereentwicklung von Soldatinnen hilft?

Die Karriereentwicklung und der individuelle Verwendungsaufbau für Soldatinnen und Soldaten in den Streitkräften erfolgt zunächst unabhängig vom Geschlecht. Frauen werden aber bei gleicher Qualifikation nicht nur bevorzugt eingestellt, sondern auch gefördert oder befördert. Von daher muss die Frage, ob die Quote bei der Karriereentwicklung von Soldatinnen hilft, mit „ja“ beantwortet werden. Die Heranziehung des Stichauswahlkriteriums in Auswahlentscheidungen war in der Realität bislang eher selten erforderlich, obwohl sich seit der Öffnung aller Verwendungsbereiche im Jahr 2001 die Zahl der Soldatinnen mehr als verdreifacht hat. Derzeit sind 8,2 Prozent der rund 189.000 Zeit- und Berufssoldaten weiblich. In den Laufbahnen des Sanitätsdienstes der Bundeswehr liegt der Frauenanteil sogar bei 40 Prozent. Wenn auch die jüngsten Befragungen des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr eindrucksvoll belegen, dass viele Männer sich durch die Quote benachteiligt fühlen, ist festzustellen, dass diese Ängste eher unbegründet sind. Man kann aber vorhersehen, dass die Bedeutung der Quote zunehmen wird, wenn Frauen vom Alter her vermehrt in Führungsverwendungen aufsteigen.

Wir haben also zurzeit nur so etwas wie eine „gefühlte Quote“. Aber bei der Beförderung zum Hauptfeldwebel und bei den Stabsoffizieren im Sanitätsdienst ist das Auswahlkriterium „Frau“ schon vereinzelt zum Tragen gekommen.
Mir wird des Öfteren zugetragen, dass bei Personalentscheidungen in der Truppe nicht bekannt sei, welche GleiBmil zuständig sei. Die eigene oder die der zentralen personalbearbeitenden Stelle?

Nach der Ausschlussregelung des § 17 Absatz 3 SGleiG ist an Personal- entscheidungen der zentralen personalbearbeitenden Stellen und an Personalentscheidungen des Bundesministeriums der Verteidigung nur die GleiBmil dieser Dienststellen zu beteiligen. Diese Regelung ist sinnvoll und erforderlich, da Personalentscheidungen nicht zuletzt im Interesse der Betroffenen zeitnah und mit einem vertretbaren Aufwand getroffen werden müssen. Dies schließt allerdings eine Einbeziehung der GleiBmil vor Ort durch eine informelle Mitwirkung nicht aus. Dies ist in der Vergangenheit geschehen. Die GleiBmil vor Ort wurden meistens in den Entscheidungsvorgang eingebunden.
Und wie bewerten Sie die mit großem Aufwand erstellten und alle zwei Jahre aktualisierten Gleichstellungspläne. Auf Ebene der zentralen personalbearbeitenden Stellen und auf Ebene des Bundesministeriums der Verteidigung zeigen sie ja Wirkung - aber auf Ebene der Divisionen?

Der Gleichstellungsplan ist ein Instrument der Personalplanung und Personalentwicklung. Hierfür definiert die Dienststelle Ziele und Maßnahmen. Bei der Aktualisierung ist alle zwei Jahre zu prüfen, ob diese Maßnahmen greifen. Ein solches Vorgehen halte ich für sinnvoll und zur Förderung von Frauen auch für gerechtfertigt. Ein damit verbundener administrativer Aufwand ist somit hinzunehmen. Ich weiß, dass die ersten Gleichstellungspläne sehr umfangreich waren. Die umfassende Erhebung von Daten kommt uns jetzt aber bei den Aktualisierungen zugute.

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Gibt es zwischen den militärischen Gleichstellungsbeauftragten und den Personalvertretungen oder anderen Gremien eine Zusammenarbeit?

Natürlich – eine sehr enge sogar. Die im SGleiG verankerten Aufgaben betreffen auch Vertrauenspersonen, Personalräte oder Schwerbehindertenvertretungen. Aber auch Institutionen wie Familienbetreuungszentren, Sozialdienst der Bundeswehr oder Militärgeistliche sind wichtige Partner.

Glauben Sie, dass sich das jetzige Wahlverfahren bewährt hat?

Was meinen Sie?

Vor dem Hintergrund der Praktikabilität und vereinzelter Ämterniederlegungen von GleiBmil scheint es wichtig, das Wahlrecht der Wahlverordnung zum Soldatenbeteiligungsgesetz (SBGWV) anzugleichen und nur noch einen Wahlgang durchzuführen. Die Soldatin mit den meisten Stimmen wäre dann zur GleiBmil und die mit der nächst niedrigen Stimmzahl zur Stellvertreterin gewählt. Dadurch würde sich auch der administrative Aufwand erheblich reduzieren. Das Wahlverfahren, wie in der Wahl zu den Vertrauenspersonen, ist in den militärischen Dienststellen vielfach erprobt und allen bekannt.

Vielleicht keine schlechte Idee. Aber ich dachte, Sie sprechen das Thema „Wahlrecht für Soldaten“ an. An der Wahl der militärischen Gleichstellungsbeauftragten nehmen nur Soldatinnen teil. Vor dem Hintergrund der Aufgaben „Vereinbarkeit von Familie und Dienst“ und „sexueller Belästigung“ würde ihre Akzeptanz vielleicht steigen, wenn sie auch von den Soldaten gewählt werden würde. Dagegen ist eine geschlechtsbezogene Festlegung des aktiven und passiven Wahlrechts nach wie vor geboten und sachlich notwendig. Im Regelfall werden nur Frauen die entsprechende innere Einstellung und Motivation für das Amt aufweisen und es schon deshalb sachgerechter als Männer ausüben. Nur sie können die Verhältnisse aus Sicht der Soldatinnen beurteilen.

Und wie sieht Ihr persönliches Fazit aus?

Die Erfahrungen nach drei Jahren Praxis sind überwiegend positiv. Nach der gelungenen Einführung des SGleiG in die Truppe funktioniert die Umsetzung zwischenzeitlich erstaunlich gut. Dennoch haben wir noch viele offene Baustellen, wie zum Beispiel Fragen der Vereinbarkeit von Familie und Dienst. Die Einführung von Pendlerappartements ist genauso dringend wie die Schaffung von Kinderbetreuungsplätzen. Auch die noch nicht geregelte Erstattung von Kinderbetreuungskos­ten liegt mir am Herzen. Es ist einfach ungerecht, dass nach dem Bundesgleichstellungsgesetz und den ergangenen Durchführungsbestimmungen Mit­arbeiterinnen und Mitarbeitern bei Teilnahme an Fortbildungen die Kosten für die Betreuung von Kindern am Wohnort oder am Fortbildungsort erstattet werden können und Soldatinnen und Soldaten nicht. Daran müssen wir noch arbeiten.


Mus Lim: Kursiv und Unterstreichungen von mir.
Man muss schon angestrengt den Text lesen, bis man rausfindet, dass Gleichstellungsbeauftragte nur Frauen sein können.

Und dann sind Frauen benachteiligt, wenn sie weniger als 50% beim Sanitätsdienst und 15% in den sonstigen Laufbahnen besetzen. Also werden Frauen auch in der Bundeswehr genau da gefördert, wo es besonders warm und ungefährlich ist.

Und man sehe das Foto. Diese Mädels sehen nicht so aus, dass sie sich auf einen Fronteinsatz in Afghanistan freuen, sondern auf das nächste Schopping.

Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz (SGleiG)

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