Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Sozialversicherung und Steuersystem - Umverteilung

Garfield, Thursday, 10.12.2009, 20:43 (vor 5864 Tagen) @ Joe

Hallo Joe!

Das sind Luxusprobleme. In einem freien Land kommt erstmal jeder für sich selbst auf.

Sofern er denn das Geld dafür hat. Hat er es nicht, dann klappt das leider nicht, wie man u.a. in den USA schön sehen kann. Nachdem die Immobilienblase geplatzt war, mußten da nicht wenige Menschen in ihren Autos leben - für Versicherungen dürfte es dann auch kaum noch gereicht haben. Erzähl denen mal, daß sie Luxusprobleme hätten...

Sie sind nicht "versichert", sondern sie erhalten Leistungen aus Steuergeldern...

Ja, klar, aber sie sind versichert. Auf Kosten des Steuerzahlers zwar, aber immerhin. Nimmt man diese Versicherung weg, dann sind sie nicht mehr versichert. Und haben auch nicht das Geld, um sich freiwillig zu versichern.

Die Lohnsteuer der Putzfrau ist betragsmäßig für den Staatshaushalt völlig irrelevant.

Na ja, aber wie sieht es mit der Lohnsteuer von 10.000 Putzfrauen aus? Und dazu noch 10.000 Erntehelfer, 10.000 Wachdienstleute... Da sagt der Staat nicht mehr so gern nein!

Für das gegenwärtige sozialistische Luxussystem reicht es natürlich bei weitem nicht. Da ist auch ein ziemlicher Kahlschlag nötig, angefangen beim Verwaltungswasserkopf, über irgendwelches Frauen-Heiteietei und nicht endend bei der Begrenzung der Rentenhöhe nach oben.

Ja, aber wenn durch Sparmaßnahmen Geld frei wird, dann finden sich ja sofort wieder die sattsam bekannten Geldegel ein, um das flugs wegzusaugen. Die Pharmakonzerne beispielsweise haben ganz zufällig die Preise ihrer Medikamente erhöht, als die Zuzahlungen für Medikamente eingeführt wurden. Davon merkten die Kassenpatienten nichts - wer sich Medikamente aber privat kaufen mußte, der merkte das wohl. Diese Zuzahlungen waren also nichts weiter als ein Solidaritäts-Beitrag für Großaktionäre und sonstige Besitzer der Pharmakonzerne.

Gerade im Gesundheitswesen wird in Zukunft noch viel mehr Geld in dunkle Kanäle versickern, denn da sollen ja auch die Kliniken in den Besitz einiger weniger Klinik-Konzerne kommen. Das Endziel soll dann so aussehen, daß es nur noch eine große Krankenkasse gibt, die sich im Besitz dieser Klinik-Konzerne befindet. Oder aber daß - falls diese Konzerne sich nicht einigen können - eben jeder seine eigene Krankenkasse hat. Solche Monopole werden sämtliche Preise im medizinischen Sektor in heute unvorstellbare Höhen treiben.

Und das nehmen wir einfach so hin?

Anscheinend ja. Die Politik tut nichts dagegen, weil sie ihre Sponsoren nicht vergraulen will. Die Massenmedien tun auch nicht viel dagegen, weil ihre Besitzer teilweise selbst Aktien an solchen Klinikkonzernen oder auch in der Pharmaindustrie haben. Nur bei den extremsten Mißständen berichtet man mal, weil man sonst völlig unglaubwürdig wird. Aber davon abgesehen läßt man alles im Hintergrund schön planmäßig weiter laufen. Gerade der Medizin-Sektor wird als Goldgrube der Zukunft betrachtet, weil es in Zukunft mehr ältere Menschen geben wird, die nun einmal häufiger medizinische Hilfe brauchen. Das könnte in Zukunft der einzige Wachstumsmarkt hierzulande sein. Man spekuliert eiskalt, daß jemand, der schwerkrank ist, jedes bißchen Geld zusammen kratzen und sich auch hoch verschulden wird, um die Wucherpreise zahlen zu können.

Na das hat er doch gespart, schreibst Du doch einen Satz weiter vorher. Also ist die Summe da.

Vielleicht hat er gehofft, daß er Geld zur Seite legen kann? Vielleicht hat er das sogar? Vielleicht stiegen die Preise aber weiter stärker als sein Lohn, so daß seine Ersparnisse weggeschmolzen sind? So daß er nun, wo er krank ist und Geld braucht, leider nichts mehr hat?

Oder hat er sie schlauerweise in eine private Versicherung investiert.

Vielleicht ist die aber pleite gegangen, und der bankrotte Staat konnte sich keine Bürgschaft dafür leisten? Ja, schade aber auch...

Aber Du schreibst natürlich gespart, meinst aber verpraßt.

Mit "gespart" meinte ich erst einmal nur, daß er eben nichts in eine Versicherung eingezahlt hat.

Es kann natürlich sein, daß er das Geld verpraßt hat. Es hatte schon seinen Sinn, daß die Pflichtversicherung eingeführt wurde. In jungen Jahren, wenn man gesund ist, ist die Versuchung eben groß, auf eine Krankenversicherung zu verzichten. Wenn man dann älter ist, wird man aber nur noch gegen hohe Beiträge von einer privaten Krankenversicherung aufgenommen. Die kann man mit geringem Einkommen leider nicht zahlen - also ist man dann eben nicht versichert.

Und schließlich und endlich ist es auch möglich, daß er sich gern krankenversichert hätte, daß aber sein Lohn immer so mickrig war, daß er wirklich kein Geld für Krankenversicherung übrig hatte. Kennst du dich zufällig mit den Löhnen im Osten Deutschlands aus? Der viel diskutierte Mindestlohn von 7,50 Euro pro Stunde würde da für nicht wenige Beschäftigte eine Lohnerhöhung um ca. 100% bedeuten!

Und glaub mal nicht, daß die Netto-Löhne nach Abschaffung der Pflichtversicherung deutlich ansteigen würden! Sehr viele Firmen würden sich einen guten Teil des so gesparten Geldes einfach als Zusatzprofit einsacken. Deshalb hätten viele jetzige Pflichtversicherte im Niedriglohnsektor kaum noch eine Möglichkeit, sich überhaupt irgendwo zu versichern.

Selbst wenn der Staat sowas gesetzlich verbieten würde: Das würde oft ignoriert werden. Ich kenne im Osten Leute, die zwar berufstätig sind, aber nicht mal einen Arbeitsvertrag haben. Wenn die da nur einmal irgendeine Forderung stellen (z.B. nach einem Arbeitsvertrag), können die sofort nach Hause gehen. Die können froh sein, wenn sie überhaupt Lohn kriegen!

Das ist die Zukunft; da geht es hin, und zwar auch im Westen Deutschlands.

So jemand hat sich ganz bewußt dafür entschieden, seine Lebenserwartung hedonistisch zu verkürzen.

Oder sein Chef hat das für ihn entschieden.

Wenn man sich allerdings kurz anguckt, wie überversichert die Deutschen generell sind, besteht keine große Gefahr, daß die Massen aus der Krankenversicherung komplett aussteigen.

Noch 10 Jahre Lohndrückerei, dann sieht das auch schon ganz anders aus. Schon jetzt kalkulieren Experten, daß sich in etwa 20 Jahren ein Normalverdiener nicht mal mehr einen Kleinwagen leisten können wird.

Und ob jemand fürs Alter vorsorgen oder lieber bis zum Tod-Umfallen arbeiten will, das kann er frei wählen. Warum denn nicht?

Wenn man die Wahl hat, ist das okay. Immer mehr Menschen haben die Wahl aber nicht mehr. Z.B. wenn sie noch nicht einmal einen Job finden.

Beiträge hochdrücken ist bei einem freiwilligen System nicht einfach möglich, da die Leute ja jederzeit aussteigen können. Schon deshalb findet sich automatisch eine Balance zwischen zu hohen Beiträgen und zu niedrigen Leistungen. In beiden Fällen sinkt die Anzahl der Zahler, wogegen das Sozialsystem automatisch gegensteuert, um sich selbst zu erhalten.

So ist das in der Theorie. Die Praxis sieht anders aus. Die Probleme gerade mit privaten Krankenversicherungen sind doch hinlänglich bekannt. Muß ich dazu jetzt noch viel schreiben? Wer alt und vor allem krank ist, kann die Versicherung nicht einfach wechseln. Er wird von einer anderen Versicherung entweder gar nicht aufgenommen, oder aber nur zu extrem hohen Beiträgen.

Markwirtschaft funktioniert nur auf freien Märkten, wo es viele Anbieter gibt, die wirklich in Konkurrenz zueinander stehen. Wenn es nur noch wenige Konzerne gibt, die alle denselben, weil für sie einträglichsten Kurs fahren, dann gibt es keine Konkurrenten mehr, sondern nur noch Oligopole. Und dann funktioniert Marktwirtschaft eben nicht mehr.

Und ein freiwilliges SV-System steht in Konkurrenz zur privaten Versicherungswirtschaft.

So ein freiwilliges SV-System würde selbstverständlich in die Hände privater Versicherer gelegt werden.

Das Problem ist, daß Du Dich hier zu stark auf Lohnarbeit und Krankenversicherung fixierst.

Ja. Da liegen nämlich die größten Probleme! Die Masse der Menschen ist abhängig beschäftigt oder aber zwar selbstständig, aber ohne hohes Einkommen. Und fehlende Krankenversicherung ist das größte Problem. Denn eine schwere Erkrankung nimmt einem Menschen die Möglichkeit, für sich selbst zu sorgen. Ohne Arbeitslosenversicherung oder ohne Rentenversicherung kann man sich noch irgendwie durchwurschteln. Aber eben nur, solange man einigermaßen gesund ist. Wird man schwer krank, geht nichts mehr. Und ohne Krankenversicherung steht man dann ganz übel da.

Freundliche Grüße
von Garfield


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