Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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*mir fällt kein Höfflicher Threadtitel ein*

draco, Sunday, 14.03.2004, 15:46 (vor 7941 Tagen) @ Nick

Als Antwort auf: Offener Brief an ai von Nick am 12. März 2004 22:06:

Ich fasse mal zusammen, Sie bemängeln an der Kampagne „Hinsehen & Handeln – Gewalt gegen Frauen verhindern“, dass

1) es eine Kampagne gibt die sich „nur“ mit Frauen beschäftigt und dies in ihren Augen einen Verstoß gegen die allgemeine Gültigkeit der Menschenrechte darstellt, da es nur um eine Teilmenge (Frauen) aller Menschen geht
2)fühlen Sie sich durch die Aufforderung „Hinsehen und Handeln“ in ihrer „Würde“ verletzt, da Sie diese Aufforderung als Beleidigung verstehen
3)werfen sie der Kampagne und ai vor ein Instrument in einem Geschlechterkrieg zu sein

Habe ich das so richtig zusammengefasst?

Ich kann dieser Interpretation der Kampagne NICHT zustimmen. Meine Gründe hierfür werde ich nun versuchen darzulegen.

Zu 1)

Es gibt viele verschiedene Formen von Gewalt, von vielen sind Menschen der unterschiedlichsten Nationalitäten, Hautfarben und Religionen betroffen. Aber es gibt auch Formen von Gewalt von denen nur bestimmte Gruppen betroffen sind bzw. bestimmte Gruppen die Hauptbetroffenen sind. In dieser Kampagne geht es um Gewalt die der Gruppe der Frauen wiederfährt und um Gewaltformen bei denen Frauen die Hauptbetroffenen sind.
Zum Beispiel: Massenvergewaltigungen, Ehrenmorde
Weiterhin beschäftigt sich diese Kampagne mit der Diskriminierung von Frauen in vielen Teilen der Erde. Es gibt Länder in denen eine Frau weniger wert ist als eine Kuh (oder ein anderes Nutztier). Nun gut die konkreten Inhalte der Kampagne möge jeder selbst auf www.amnesty.de nachlesen, die einzelnen Punkte waren ja auch nicht der Grund ihrer Kritik.

Warum steht diese Kampagne nicht in Widerspruch mit der universellen Gültigkeit der Menschenrechte?

Wir Leben in einer Welt in der jede nur erdenkliche Form von Menschenrechtsverletzungen vorkommt. Organisationen wie ai kämpfen gegen diese Verletzungen. ai benutzt Kampagnen um auf Menschenrechtsverletzungen hinzuweisen und diese aufzuzeigen. Ihre Forderung besteht nun darin das ai die Kampagnen nicht in Arten/Gruppen von Menschenrechtsverletzungen unterteilt. Durch die unglaubliche Vielfalt von Menschenrechtsverletzungen ist es unmöglich diese alle in einer Kampagne unterzubringen. Sie interpretieren den Kampagnentitel „Gewalt gegen Frauen verhindern“ so, dass der Gewalt gegen Frauen mehr Bedeutung beigemessen wird als der Gewalt gegen Männer. Dem ist nicht so. ai tritt bedingungslos für die Rechte eines jeden Menschen ein. Es gab/gibt viele ai Kampagnen die sich nur mit einer bestimmten Gruppe beschäftigen, wollen sie ernsthaft behaupten das ai durch die Kampagne „Solidarität für Russland“ dafür eintritt das den Menschen in anderen Ländern weniger geholfen wird bzw. ai denkt die Menschen in Russland seien mehr wert als die Menschen anderswo? Nach der zugrundeliegenden Logik ihres Artikels müssten Sie das.

Zu 2)

Wieso verstehen sie die Aufforderung „Hinsehen und Handeln“ als Beleidigung? Wie sie zu dieser Interpretation kommen ist mir schleierhaft. Nach meiner Erfahrung geht Gewalt meist von wenigen aus. Wenige die ihre Gewalttaten allerdings oftmals unbehelligt ausüben können, weil es an Zivilcourage mangelt und Menschen wegsehen. Genau hier setzt die Aufforderung an: mehr Zivilcourage, mehr Mut zum Handeln um mehr Gewalttaten zu verhindern.
Zurück zur Kampagne „Hinsehen & Handeln- Gewalt gegen Frauen verhindern“: In vielen Ländern sind Frauen Menschen zweiter Klasse und deshalb werden Gewalttaten gegen Frauen, wie z.b. Vergewaltigung, gar nicht oder sehr milde bestraft. Ich denke viele Menschen in diesen Ländern sind mit dieser Situation nicht einverstanden, sie haben allerdings nicht den Mut ihre Meinung offen zu äußern oder einzuschreiten, wenn sie so etwas beobachten.
Hinsehen und Handeln ist leider nicht selbstverständlich. Ihre Reaktion darauf lässt in mir die Vermutung aufkommen, dass sie auch ein „Weggucker“ sind. Sie sehen diese Aufforderung als Generalbeschuldigung der Männer (Warum eigentlich nur der Männer? Es sind auch Frauen aufgefordert). Warum? Sie sagen sie fühlen sich in ihrer Würde als Mann verletzt? Warum?
Ich als Mann fühle mich durch die Aufforderung weder beleidigt noch in meiner Würde verletzt, auch sehe ich es nicht als Aufforderung eine Protestresolution zu unterzeichnen. Dies würde auch überhaupt nichts bringen. Es ist vielmehr eine Aufforderung an jeden einzelnen Menschen durch sein handeln und tun dazu beizutragen ALLEN Menschen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.

Zu 3)

Zitat. „Unserem Urteil nach wird gerade versucht, ai heimtückisch zu instrumentalisieren und mittels dieser Kampagne an die Front eines ideologisch motivierten, sehr destruktiven, inländischen(!) Geschlechterkriegs zu manövrieren“

Sie haben Recht! ai wird versucht zu instrumentalisieren und zwar von Ihnen. Die Motive von ai für diese Kampagne liegen sicher nicht in einem Krieg der Geschlechter.
Diese Kampagne stellt auch keine Gefahr für die allgemein Gültigkeit der Menschenrechte da. Diese Kampagne nimmt Männern keine Rechte und schon gar nicht ihre Würde. Diese Anschuldigungen sind einfach lächerlich und zeugen von einer beschränkten Weltsicht und schwarz-weiß denken, nach dem Motto: „Was nicht für uns ist, ist gegen uns!“

Zum Abschluss erlauben sie mir noch einen persönlichen Kommentar: Ich finde es zum kotzen wie sie eine Kampagne, bei der es um Mord, Vergewaltigung und andere Formen von Gewalt geht, dazu benutzen ihren kleinkarierten Geschlechterkrieg zu führen und wie sie sich dadurch über die Schicksale dieser Menschen hinwegsetzen und diese einfach ignorieren.

draco


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