Re: Stärkt die Reproduktionsmedizin die Rolle der Frau?
Als Antwort auf: Re: Stärkt die Reproduktionsmedizin die Rolle der Frau? von Odin am 19. November 2002 18:51:06:
Hallo Odin
um die Rechte der Kinder ging es in dem Artikel gar nicht, sondern um die Repro-medizin.
Schon klar; diese geplante Show war der Aufhaenger, um bestimmte soziologische Implikationen der Reproduktionsmedizin und der praenatalen Diagnostik aufzuzeigen. Allerdings tappte im Zusammenhang mit der Show die Zeitschrift 'Psychologie heute' gleich selber in die Falle, als sie die Kinder als Hauptbetroffene schlichtweg vergessen hatte. Aus Sicht der Menschenrechte ist der Hinweis auf die Problematik der Entbehrlichkeit der meisten (aber noch nicht aller) Maenner durchaus begruessenswert ebenso wie auch auf den immer staerker werdenden Druck auf die Frauen, nur gesunde Kinder zu gebaeren. Aber letzten Endes muessen alle relevanten Aspekte beruecksichtigt werden, und dazu gehoeren eben auch die Kinder.
Außerdem wurde der Fall ja vorgestellt, um über derlei Tendenzen zu informieren und zu warnen.
IMHO war aber dieser Aufhaenger ungeeignet, um ueber Reproduktionsmedizin zu debattieren; denn die Show hat damit gar nichts zu tun, ausser, dass sie den Frauen die Entscheidung offenlaesst, ob sie sich auf dem herkoemmlichen Weg begatten lassen oder lieber eine kuenstliche Befruchtung vorziehen. Das
eigentliche Happening (naemlich die Auswahl eines bestimmten Samenlieferanten durch die Frau), haette man auch schon vor 500 Jahren (oder 5000 Jahren) organisieren koennen, als es noch gar keine Reproduktionsmedizin gab.
Die Reproduktionsmedizin wird schon laengere Zeit angewandt, und bei bestimmten Problemen ist sie gewiss ein Segen (z.B. wenn auf natuerlichem Weg keine Befruchtung erfolgen kann). Der ganze Artikel befasste sich mit einer bestimmten Facette dieses komplexen Themenbereichs, aber noch nicht einmal diese Facette wurde besonders gruendlich durchleuchtet. IMHO ist das ein eher schwacher Artikel, der vielleicht den oberflaechlich denkenden Menschen zu befriedigen vermag, aber sicher niemanden, der etwas tiefschuerfender nachdenkt.
Ich denke, die wichtigste Vorbereitung zu dieser Show wird sein, wie die Rechte des Kindes am wirkungsvollsten Umgangen werden kann.
Das scheint mir leider auch so.
Ich habe von einem Fall gehört, da will in England eine Frau die Samenspende eines Mannes (ehemals ihr Verlobter) verwenden, obwohl dieser Mann es verbietet. Ihr Angebot ist jetzt, daß vertraglich ausgeschlossen wird, daß der Mann dadurch irgendwelche Verpflichtungen dem Kind gegenüber hat (die Frau ist unfruchtbar durch Krankheit, hat aber vor ihrer Krankheit noch Vorsorge treffen können). Bin gespannt, wie der Fall ausgehen wird.
Da bin ich auch gespannt. Denn laut meinen zitierten Kinderrechtsartikeln (Artikel 27, Absatz 4) hat der Staat die Pflicht, die Geltendmachung der Unterhaltsansprueche des Kindes gegenueber seinen Eltern sicherzustellen. Wuerde das Gericht das Angebot der Frau stuetzen, verstiesse es direkt gegen den erwaehnten Artikel. Der Kindesunterhalt ist nicht fuer die Mutter gedacht sondern fuer das Kind; die Mutter darf als gesetzliche Vertreterin des Kindes lediglich treuhaenderisch ueber den Kindesunterhalt verfuegen aber nicht darauf verzichten; ein entsprechender Vertrag gilt zumindest in Deutschland als unsittlich und deshalb null und nichtig. Und selbst wenn sie, wider die Interessen des Kindes, trotzdem verzichtete, spaetestens mit dessen Volljaehrigkeit, kann das Kind selbst den Unterhalt einfordern (und zwar von beiden Elternteilen); dann koennte der unfreiwillige Samenspender noch eine boese Ueberraschung erleben, wenn er ploetzlich Unterhalt bezahlen muesste, denn normalerweise ist er (und natuerlich auch die Mutter) unterhaltspflichtig bis zum Abschluss der Erstausbildung des Kindes. Und diese Erstausbildung dauert in der Regel wesentlich laenger als nur bis zur Volljaehrigkeit (z.B. Studium). Ich frage mich sogar, ob das Kind allenfalls mit Erreichen der Volljaehrigkeit womoeglich nicht noch rueckwirkend Unterhalt vom Vater verlangen und sogar eine zivilrechtliche Klage gegen seine Mutter anstrengen koennte wegen unzureichender Wahrnehmung seiner Interessen gegenueber dem Vater.
Ausserdem habe ich noch grundsaetzliche Bedenken, denn im oben zitierten Fall will die Frau gegen den erklaerten Willen des Mannes seine (offenbar schon frueher abgegebene) Samenspende verwenden. Sowas halte ich schlichtweg fuer Noetigung; denn der Mann muss darueber mitentscheiden koennen, ob und wann er Vater werden will, sowie wer die Mutter seiner Kindes sein soll. Sofern wir denselben Fall meinen, hat er naemlich seinerzeit die Samenspende im Hinblick auf eine gemeinsame Zukunft mit der Mutter sowie dem Kind (oder Kindern) abgegeben. Die Beziehung ist inzwischen jedoch in die Brueche gegangen und eine gemeinsame Zukunft gibt es nicht mehr; die Grundlagen, auf denen seine Einwilligung zur Samenspende beruhen, existieren somit ebenfalls nicht mehr. Deshalb hat er IMHO auch das Recht, die bereits abgegebene Samenspende wieder zurueckzufordern, insbesondere da Vaterschaft gemaess UNO-Kinderrechtskonvention mit einer ganzen Reihe von Pflichten verbunden ist. So wuerde er jedoch gegen seinen Willen gezwungen, Pflichten einzugehen, die er nicht oder nicht gemeinsam mit dieser Frau eingehen will. So hart es fuer diese Frau sein mag, sie muss sich einen anderen Hengst suchen, der ihr von seinem Samen abgibt, und der die sich aus einer Vaterschaft ergebenden Pflichten zu uebernehmen bereit ist.
Wenn tatsächlich vertraglich die Pflichten des Mannes umgangen werden können (damit aber auch teilweise die Rechte des Kindes!), wäre auch der Weg frei für eine derartige Show.
Nein, die Show waere auch so moeglich (natuerlich nur mit der notwendigen kriminellen Energie, die Kinderrechte mit Fuessen zu treten). Die Samenspender in der Show waeren ja freiwillig dort und muessten nicht gegen ihren erklaerten Willen ihren Samen abgeben.
Um es nochmals zu betonen, die UNO-Kinderrechte wurden nicht im luftleeren Raum formuliert und von den meisten Staaten ratifiziert; sie schuetzen vielmehr berechtigte Anliegen von Kindern. Wie anonyme Adoptionen zeigten, hatten die adoptierten Kinder sehr oft ein starkes Beduerfnis ihren unbekannten biologischen Vater bzw. Mutter kennenzulernen, selbst dann, wenn sie ein sehr gutes Verhaeltnis zu ihren Adoptiveltern gehabt hatten; es scheint ihnen sehr wichtig zu sein, Antworten zu erhalten auf Fragen wie: 'Woher komme ich?', 'Weshalb haben meine Mutter/mein Vater/meine Eltern mich weggegeben?', 'Wollten/konnten/durften sie mich nicht aufziehen?'. Es scheint so, dass fuer die meisten Menschen die Kenntnis ueber die Eltern ein wichtiger Faktor fuer die eigene Existenz, fuer die Identifikation mit sich selber ist; deshalb sind anonyme Adoptionen heute sehr umstritten, weil sie dem Beduerfnis von Menschen nach Kenntnis der eigenen Herkunft diametral entgegenstehen. Diese Erkenntnisse flossen auch in die UNO-Kinderrechtskonvention ein und garantieren jetzt jedem Kind ein Recht auf die Kenntnis der Identitaet seiner Eltern (Artikel 7 Abs 1).
Gruss
Maesi
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Odin,
17.11.2002, 16:03
- Re: Stärkt die Reproduktionsmedizin die Rolle der Frau? -
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17.11.2002, 19:07
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Odin,
19.11.2002, 20:51
- Re: Stärkt die Reproduktionsmedizin die Rolle der Frau? - Maesi, 30.11.2002, 14:58
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19.11.2002, 20:51
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17.11.2002, 19:23
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18.11.2002, 16:54
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Odin,
19.11.2002, 21:16
- Re: Stärkt die Reproduktionsmedizin die Rolle der Frau? - Garfield, 20.11.2002, 13:34
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19.11.2002, 18:15
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18.11.2002, 11:24
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17.11.2002, 19:07