Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Die Geschichte von der Ameise und der Heuschrecke

artie1, Friday, 01.05.2009, 15:48 (vor 6083 Tagen) @ Isegrim

Ich halte mich am ehesten an den Gerechtigkeitsbegriff von Rawls.
Die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme sollte dabei den "Schleier des
Nicht-Wissens" ersetzen, und in einem Diskurs, bei dem jeder von seiner
persönlichen Situation abstrahiert, setzt sich eine gemeinsame
Gerechtigkeitsvorstellung durch (etwas idealisiert nach Habermas'
Diskursethik).

Ich kenne Rawls zu wenig, um fundierte Kritik abzugeben. Dennoch möchte ich sagen, dass Rawls in Grundzügen relativ nahe an Hayek dran ist. Wo Rawls abgleitet ist bei seinem Differenzprinzip. Auch Hayek hat das erkannt, aber nach Hayek ist es für eine Person oder Institution unmöglich festzustellen, wo solche Differenzen entstehen, und noch viel weniger, was der beste Ansatz ist, diese zu beheben. Ausserdem geht Hayek davon aus, dass Differenzen bestehen und das ein grosser Vorteil ist für jede Gesellschaft als ganzes.

Freihiet und Gerechtigkeit sind Ansprüche, die an den Staat respektive die
bürgerliche Gesellschaft gestellt werden. Das Recht stellt laut Hegel die
Freiheit als Idee dar - und der Staat ist die Wirklichkeit der sittlichen
Idee.

Hegel ist ein Kollektivist...es ist eben _nicht_ so, dass Freiheit und Gerechtigkeit Ansprüche and den Staat sind. Es sind Ansprüche an jeden einzelnen von uns, deswegen habe ich auch den Begriff der Verantwortung eingeführt. Mehr dazu weiter unten.

Ich kenne Hayeks Buch nicht. Aber ist Freiheit ohne Zwang denkbar? Die
Abwesenheit von Zwang eines Menschen auf den anderen ist doch nur durch
Zwang zu erreichen - sonst verkommt der Staat zum Faustrechts-Staat.

Natürlich ist Freiheit und Zwang und Gesetze nicht möglich! Zentral ist, dass Freiheit nur als Abwesenheit von Zwang eines anderen Menschen (oder Gruppe) definiert ist, jedoch nicht als Abwesenheit von Zwang, die von anderen Umständen (Hunger, Krankheit, etc.) definiert sind. Freiheit ohne jeglichen Zwang wäre, wie du erkannt hast, pure Anarchie (Ohne gesetze könnte jeder einem anderen Zwang ausüben..würde als der Freiheit widersprechen). Erst Gesetze erlauben Freiheit. Das entscheidende ist, dass die Gesetze so allgemein Gehalten werden, wie nur möglich, _und_ für jeden genau die gleiche Rahmenbedingungen schaffen.

Zwang, den gewisse Bevölkerungsgruppen, vielleicht die Mehrheit der
Bevölkerung, auf andere Bevölkerungsgruppen, vielleicht eine Minderheit,
ausübt, ist gar Vorrausetzungsvoll für die Freiheit - sofern sich dieser
Zwang in gewissen Bahnen bewegt, die durch ein vernünftiges Staatsgebilde
definiert werden.

Genau. Der Rahme muss für alle genau gleich gelten (Chancengleicheit, und nicht Zielgleichheit!). Ich glaube es ware David Hume, der 3 Grundprinzipien aufstellte, die der Staat übernehmen sollte: 1. unantastbarkeit von eigentum (inkl. eigener Körper), 2. freiheit dieses eigentum zu tauschen und 3. vertragssicherheit.

Und wer wollte in einer Gesellschaft leben, in der einzelne Mitglieder
verhungern, obwohl die Mittel vorhanden sind dies zu verhindern, selbst
wenn diese Leute selbst Schuld an ihrem Unglück sind?

Deswegen ist der Begriff der Verantwortung so wichtig. Und es ist wichtig, dass die Verantworung von innen heraus kommt: 1. Verantwortung für sich 2. Verantwortung für Familie 3. Verantwortung für Freunde 4. Verantwortung für Unbekannte. Die Reihenfolge ist sehr wichtig. Es ist davon auszugehen, das jemand, der volle Verantwortung für sich übernimmt, auch die Stärke hat, die Stufen 2, 3 und vier zu bedienen. Derjenige, der 1. nicht erfüllt, wird zuwenig Stärke und Bewusstsein entwicklen, um 2-4 wirklich zu bedienen.

Seht 4 im Mittelpunkt steht, ist jeder Mensch überfordert...und fühlt sich von Natur aus schuldig, sobald Armut oder anderes Leid ersichtlich ist. Es ist gar nicht möglich für einen Menschen, kollektive Verantwortung zu übernehmen...dieser Berg ist zu hoch....und es führt zu noch mehr leid und armut.

Gleichzeit ist es aber logisch, dass wenn 1 verankert ist, die logische konsequenz ist, dass Armut und Leid viel weniger erschaffen wird und existiert. Wenn die Familie als kleinste Zellenverbund intakt ist, helfen sich die Menschen als ganz natürlichen Akt (ohne Zwang und Einwirkung einer oberen Macht)

Was wiegt schwerer - Freiheit oder Subsistenz? Ist die Antwort darauf
nicht klar?

Da Subsistenz, in deinem Sinne, kollektiv nicht geplant und ausgeführt werden kann , ist die Antwort relativ klar. Freiheit.

Wie ich bereits schrieb: das Austarieren zwischen den beiden genannten
Gerechtigkeitsprinzipien ist Sache jeder einzelnen Gesellschaft. Daß sie
aber beide eine Rolle spielen sollten ist mMn evident.

Wie ich hoffe erklärt zu haben, führt die Leistungsgerechtigkeit, konsequent umgesetzt automatisch dazu, dass die Bedarfsgerechtigkeit zwar nicht vollständig, aber doch in dem Masse erreicht wird, die die Beste ist für eine Gesellschaft. Der umgekehrte weg jedoch, führt dazu dass eine gesellschaft zum stillstand kommt, der antrieb verloren geht und die (moralische und materielle) armut immer weiter fortschreitet.

Es geht also nicht um das austarieren, sondern um den kampf für die freiheit. Bedarfsgerechtigkeit ist einen natürlich folge der leistungsgerechtigkeit (in zusammenhand mit der verantwortung, wie oben beschrieben).

Die Lektüre Hayeks sie hiermit sehr empfohlen.


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