Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Die Geschichte von der Ameise und der Heuschrecke

Isegrim, Wednesday, 29.04.2009, 21:02 (vor 6084 Tagen) @ artie1

Ich halte mich am ehesten an den Gerechtigkeitsbegriff von Rawls.
Die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme sollte dabei den "Schleier des Nicht-Wissens" ersetzen, und in einem Diskurs, bei dem jeder von seiner persönlichen Situation abstrahiert, setzt sich eine gemeinsame Gerechtigkeitsvorstellung durch (etwas idealisiert nach Habermas' Diskursethik).
Freihiet und Gerechtigkeit sind Ansprüche, die an den Staat respektive die bürgerliche Gesellschaft gestellt werden. Das Recht stellt laut Hegel die Freiheit als Idee dar - und der Staat ist die Wirklichkeit der sittlichen Idee.

Ich kenne Hayeks Buch nicht. Aber ist Freiheit ohne Zwang denkbar? Die Abwesenheit von Zwang eines Menschen auf den anderen ist doch nur durch Zwang zu erreichen - sonst verkommt der Staat zum Faustrechts-Staat.
Zwang, den gewisse Bevölkerungsgruppen, vielleicht die Mehrheit der Bevölkerung, auf andere Bevölkerungsgruppen, vielleicht eine Minderheit, ausübt, ist gar Vorrausetzungsvoll für die Freiheit - sofern sich dieser Zwang in gewissen Bahnen bewegt, die durch ein vernünftiges Staatsgebilde definiert werden. Sonst regiert die Ochlokratie, die in gewisser Hinsicht sehr frei, und in anderer Hinsicht sehr unfrei ist - sich aber von der "guten" Staatsform "Demokratie" gerade durch ihre Ungerechtigkeit unterscheidet.

Ich glaube aus der Perspekive des Rawlsschen Gerechtigkeitsbegriffs heraus würde kaum jemand einen Staat preferieren, in dem manche wegen Fehlentscheidungen verhungern, während andere in Saus und Praus leben, wenigstens sofern er zur Perspektivenübernahme imstande ist. Ebenso sollte niemand verhungern, der aufgrund äußerer Gegebenheiten (Krankheit, Behinderung, verminderte Intelligenz etc.) nicht dazu in der Lage ist, etwas an seiner Situation zu ändern.
Und wer wollte in einer Gesellschaft leben, in der einzelne Mitglieder verhungern, obwohl die Mittel vorhanden sind dies zu verhindern, selbst wenn diese Leute selbst Schuld an ihrem Unglück sind?
Eine solche Gesellschaft ist zutiefst unmenschlich.
Was wiegt schwerer - Freiheit oder Subsistenz? Ist die Antwort darauf nicht klar?

Wie ich bereits schrieb: das Austarieren zwischen den beiden genannten Gerechtigkeitsprinzipien ist Sache jeder einzelnen Gesellschaft. Daß sie aber beide eine Rolle spielen sollten ist mMn evident.


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