Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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"Ich verspreche nichts, also glauben Sie mir"

Christine ⌂, Friday, 30.01.2009, 12:06 (vor 6172 Tagen)

Folgendes ist zwar Off-Topic, aber ich habe mich so kaputt gelacht, weil ich das schon kabarettreif finde [image]
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"Ich verspreche nichts, also glauben Sie mir"
Do, 29.01.2009

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück erläutert in der der Berliner Zeitung, warum das Konjunkturpaket II richtig sei. Das Programm ist "stimmig" Schließlich werden Investitionen gefördert und die Nachfrage angekurbelt.

Das Interview im Wortlaut:

Berliner Zeitung: Herr Steinbrück, Ihrer Meinung nach wird zu viel an den Rettungsschirmen herumgemäkelt. Sie dürfen jetzt in einfachen Worten erklären, warum wir uns freuen sollen.

Peer Steinbrück: Unser Programm ist in sich stimmig. Wir fördern Investitionen, stimulieren die Nachfrage, helfen einer deutschen Leitindustrie...

Berliner Zeitung: ... stopp, das versteht wieder keiner...

Steinbrück: ... klar doch. Wir tun, was in unseren Kräften steht. Wir tun es mit Vernunft. Und das wird verstanden. Schauen Sie doch nur, was in den Autohäusern los ist. Trotz der Nörgelei der üblichen Bedenkenträger ist die Abwrackprämie der Renner. Wir können nicht versprechen, dass wir allein mit unseren Mitteln die Rezession verhindern können. Aber die Folgen glätten, das können wir schön.

Berliner Zeitung: Bei der ersten Rettungsaktion für eine Bank im September sagten Sie: "Wir haben in den Abgrund geschaut. " Wo schauen wir jetzt hin?

Steinbrück: Nach wie vor in einen dunklen Tunnel. Ich weiß nicht, was noch passieren wird. Es gibt viele Probleme: das enorme Ausmaß der weltweit auf Pump finanzierten Konjunkturpakete, Staaten, denen Zahlungsschwierigkeiten drohen, massive Verwerfungen auf dem Markt für Staatsanleihen.

Berliner Zeitung: Es ist die erste globalisierte Krise, gegen die ein kleiner Finanzminister...

Steinbrück:... ein mittlerer...

Berliner Zeitung:... wogegen ein mittlerer nationaler Finanzminister wenig tun kann?

Steinbrück: Es gibt kein Drehbuch, schon weil alles auf einmal kam: eine weltweite Rezession, ein tektonisches Beben auf den Finanzmärkten und die Strukturkrise der Automobilbranche. Es gibt keine Blaupause für die Lösung. Ich bin aber überzeugt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Berliner Zeitung: Wird Ihnen nicht bange bei so vielen staatlichen Eingriffen? Wie wollen Sie aus der Interventionsspirale wieder herauskommen?

Steinbrück: In Deutschland sind wir ordnungspolitisch auf der einigermaßen vorsichtigen Seite. Schließlich verstaatlichen wir ja keine Industriebetriebe, wie es ein origineller Ministerpräsident der CDU gefordert hatte. Aber Sie haben recht: Es bleibt die Frage, wann und wie der Staat den Rettungsschirm für die Banken wieder zuklappen kann.

Berliner Zeitung: Auch die Schaeffler-Gruppe ruft nach Hilfe, die Conti-Übernahme droht zu scheitern. Spannen Sie einen neuen Rettungsschirm?

Steinbrück: Ganz klares Nein. Es ist nicht Aufgabe des Staates, in solchen Fällen einzugreifen, in denen unternehmerische Entscheidungen möglicherweise nicht durchdacht genug waren. Wir können es doch keinem Menschen erklären, Unternehmen, hinter denen Milliarden-Vermögen stehen, mit Steuergeldern zu unterstützen.

Berliner Zeitung: Lehnen Sie eine Bad Bank für Problempapiere der Banken weiter ab?

Steinbrück: Es wird eine solche zentrale institutsübergreifende Lösung mit staatlichem Geld, also zu Lasten der Steuerzahler, nicht geben. In Anerkennung der Auswirkungen fauler Wertpapiere in den Bilanzen der Banken stellt sich aber die Frage, ob nicht jedes einzelne Institut die Möglichkeit bekommt, Problempapiere aus seiner Bilanz auszulagern und so neu durchzustarten. Die Verantwortung für die Risikopapiere bleibt dann bei der jeweiligen Bank, nicht beim Steuerzahler. Der abgetrennten ,Good Bank' müsste dann gegebenenfalls über den Rettungsschirm geholfen werden.

Berliner Zeitung: Auch die Zwangsverstaatlichung scheint kein Tabu mehr zu sein. Was haben Sie mit dem Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate vor?

Steinbrück: Man kann nicht auf Dauer Milliardensummen in ein großes schwarzes Loch pumpen, ohne dass sich etwas verbessert. Das dürfen wir schon im Interesse der Steuerzahler nicht. Also müssen wir auch die Voraussetzungen für eine mögliche Verstaatlichung prüfen, um eine grundlegende Sanierung maßgeblich mitzubestimmen. Entscheidungen gibt es bisher noch nicht.

Berliner Zeitung: Prüfen Sie auch eine Enteignung der Aktionäre?

Steinbrück: Ich kann und will nichts ausschließen.

Berliner Zeitung: Glauben Sie, die Wähler kommen bei all den Themen noch mit?

Steinbrück: Die Menschen fühlen sich schon durch die vielen englischen Fachbegriffe ausgeschlossen. Die Akteure auf den Finanzmärkten haben sich ohnehin abgeschottet. In Wirklichkeit ist das eine sehr kleine Bruderschaft gewesen, die sich für heilig hielt. Die sitzt jetzt zu Recht auf der Schleifmaschine.

Berliner Zeitung: Was können Sie national tun, um solche Krisen künftig zu vermeiden?

Steinbrück: Es geht um Managergehälter, Steueroasen, Eigenkapitalregeln, internationale Bankenaufsicht oder die Zulassung von Finanzprodukten. Bei Managervergütungen oder Steueroasen macht die Union jetzt einen Rückzieher. Es ist bemerkenswert, dass sie meinen Referentenentwurf ablehnt, mit dem Steueroasen bekämpft werden sollen. Die SPD besteht darauf, dass es Anfang März im Koalitionsausschuss zu einer abgestimmten Linie für den Finanzgipfel Anfang April in London kommt.

Berliner Zeitung: Durch die Rettungspakete ist vieles verfrühstückt, was die Parteien für den Wahlkampfaufheben wollten. Kann es noch Versprechen geben?

Steinbrück: Das würden die Leute uns sowieso nicht glauben. Ich sage immer: Ich verspreche nichts, also glauben Sie mir. Das kommt besser an, als Sie denken. Ich werde das auch im Wahlkampf machen.

Berliner Zeitung: Und wenn Union und FDP Steuersenkungen versprechen?

Steinbrück: Sollen sie machen. Dann nehme ich ihnen das im Wahlkampf auseinander. Die Zeiten für vollmundige Steuerversprechen sind längst vorbei. Das weiß auch die Union.

Berliner Zeitung: Gilt das auch für die SPD? Also etwa für Senkungen der Sozialabgaben?

Steinbrück: Aus jetziger Sicht gibt es auch für Abgabensenkungen keinen Spielraum mehr. Ich rate meiner Partei, keine voreiligen Versprechen zu machen.

Berliner Zeitung: Hat Politik überhaupt noch Gestaltungsspielraum?

Steinbrück: Gestalten heißt ja nicht automatisch Geld ausgeben. Beim Steuertarif etwa kann man auch umverteilen, also im oberen Einkommensbereich die Belastung erhöhen, damit man sie im unteren senken kann. Das wäre seriöse Finanzpolitik. Die SPD wird damit auf Zustimmung stoßen.

Berliner Zeitung: Derzeit liegt sie bei 25 Prozent.

Steinbrück: Die Krise ist nicht dazu da, dass wir uns parteipolitisch profilieren. Die Menschen erwarten zurecht, dass die Regierung geschlossen handelt. Mein Sohn würde sagen: Die sollen einen guten Job machen.

Berliner Zeitung: Merkel rettet die Konjunktur, und Steinbrück ist der übelste Schuldenmacher - geht Ihnen diese Rollenverteilung nicht auf die Nerven?

Steinbrück: Soweit ich das sehe, sind die Umfragen für den Finanzminister nicht gerade die schlechtesten.

Berliner Zeitung: Weil viele nicht wissen, dass er in der SPD ist?

Steinbrück: Wie nütze ich meiner SPD am meisten? Indem ich als Parteifunktionär auftrete oder als Finanzminister über Parteigrenzen hinweg wirke? Ich bin von letzterem überzeugt.

Berliner Zeitung: Die SPD steht trotzdem nicht besser da als zu Zeiten von Kurt Beck.

Steinbrück: Nun sein Sie mal nicht so ungeduldig. Die Wahl ist in acht Monaten. Das ist noch ein weiter Weg.

Berliner Zeitung: Was hat sich denn unter dem SPD-Chef Franz Müntefering geändert?

Steinbrück: Die Lage an der Parteispitze hat sich klar verbessert. Das ganze Zusammenwirken, die Ansagen, die politische Zügelführung, auch die Kommunikation. Ich kenne keine bessere Aufstellung der SPD.

Berliner Zeitung: Sieht das auch die Parteibasis so?

Steinbrück: Mein Eindruck ist, dass die Partei mit der Aufstellung an der Spitze zufrieden ist. Es weiß aber auch jeder: Diese Konstellation ist unsere letzte Chance vor der Wahl. Wenn wir die jetzt auch noch vergeigen, dann ist alles zu spät.

Das Gespräch führten Timot Szent-Ivanyi und Regine Zylka.

http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Interview/2009/01/2009-01-29-steinbrueck-berliner-zeitung.html

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Es ist kein Merkmal von Gesundheit, wohlangepasstes Mitglied einer zutiefst kranken Gesellschaft zu sein


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