Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Solidarität nach der Versorger-Ehe?

Maesi, Saturday, 17.01.2009, 21:54 (vor 6185 Tagen) @ Christine

Hallo ChrisTine

Vor einem Jahr wurde einem bis dahin breit abgesicherten Lebensmodell
die finanzielle Basis entzogen: der Versorger-Ehe.

Hier kann man sich schon fragen, wieso die Frauen äh... besser wohl
Feminstinnen dann nie zufrieden waren, als dieses breit abgesicherte
Modell
existierte.

Ausserdem muss man konstatieren, dass die beiden Autorinnen weder von der Intention noch der effektiven Ausgestaltung des alten Eherechts eine Ahnung haben. Die traditionelle Versorgerehe war lediglich waehrend der Ehezeit eine. Die Scheidung basierte hingegen auf dem Schuldprinzip. Wer die Ehe zerstoerte, bekam keinen Unterhalt sondern hatte Unterhalt zu zahlen. Sozusagen eine Art Schadenersatz fuer eine begangene Ehezerstoerung. Eine schuldig geschiedene Frau bekam somit keinen Unterhalt sondern wurde unterhaltspflichtig. Ob sie das auch bezahlen konnte, steht natuerlich auf einem anderen Blatt. Der urspruengliche Gesetzgeber sah nur in der Ehe selbst den Garanten fuer innerfamiliaere gegenseitige Verpflichtungen. Keine Ehe, keine gegenseitigen Verpflichtungen, so lautete die einfache und nachvollziehbare Formel der buergerlichen Stifter des vormaligen Eherechts.

Desweiteren wurde vom Gesetzgeber 1977 auch nach der Eherechtsreform eigentlich erwartet, dass eine Frau nach der Scheidung moeglichst bald (wieder) die Erwerbstaetigkeit aufnimmt und finanziell auf eigenen Fuessen steht; zumindest wurde das der Oeffentlichkeit von den Politikern so verkauft. Insofern versucht diese neueste Novellierung noch einmal den damaligen Geist der Gesetze in etwas verbindlichere Klauseln zu giessen, von Revolution kann also nur ein Ignorant reden. Die Gerichte hatten damals diese urspruengliche (und wohl sowieso eher schwach ausgepraegte) Intention des Gesetzgebers von Beginn weg unterlaufen. Moeglichst langwaehrende Unterhaltsansprueche zugunsten des 'wirtschaftlich schwaecheren Exgatten' war die Hauptdoktrin der deutschen Richter. Grosszuegig interpretierte Ausnahmeregelungen bezueglich Nichterwerbsfaehigkeit sowie die Unzumutbarkeit der Berufstaetigkeit bei einer westdeutschen Mutti waren die juristischen Waffen, um der Doktrin zu genuegen. Trotz entruesteter Opposition anno 1977 hat der dicke Kanzler in den 80er Jahren die unsaegliche Rechtsauslegung weiterhin schleifen lassen. Die vielbeschworene Reform der CDU gefuehrten Regierung konnte man(n) noch nicht einmal Refoermchen nennen.

Die beiden Autorinnen sind zu jung, um all das mitbekommen zu haben und offenbar unfaehig oder unwillig, um diesbezuegliche Recherchen anzustellen. Typischer 'Qualitaetsfeminismus', wie wir ihn heute kennen: von nichts eine Ahnung aber dafuer wenigstens eine ideologische Ueberzeugung haben, durch die jedes fehlende Wissen locker ersetzt werden kann.

Seit Januar 2008 ist das anders. Lässt sich eine Frau heute scheiden,
soll sie für sich selbst sorgen, sobald die Kinder drei Jahre alt sind -
auch wenn sie ihren Lebensstil einschränken muss. Frauen müssten also
bereits in der Ehe darauf achten, in einem qualifizierten Beruf am Ball zu
bleiben. Aber dieses Modell wird in der deutschen Lebensrealität im Moment
zumindest stark behindert, wenn nicht unmöglich gemacht.
Arbeitsbedingungen, Steueranreize und (Weiter-)Bildungsmöglichkeiten, die
eine Unabhängigkeit überhaupt erst ermöglichen können, gibt es nur
wenige.

Hier fragt man sich unwillkürlich, was muss es denn noch alles für
Programme geben, damit Frau endlich, endlich selbstständig sein kann.

V.a. fragt man sich sich, wo denn die vielbeschworene Emanzipation abgeblieben ist. Emanzipation hiesse ja auch, sich von den Unterhaltszahlungen des Ex-Mannes unabhaengig zu machen. Tja, das war wohl nix mit der omnipotenten Pauerfrau, liebe Feministinnen.

Hat eine Frau ihrem Ehemann zwanzig Jahre den Rücken freigehalten und
die Kinder großgezogen, während er Karriere machte, dann kann es ihr nach
der Scheidung jetzt gut passieren, dass sie an der Scannerkasse sitzt oder
den Staat um Solidarität bitten muss.

Gut, das die Autorin schreibt, das es der Frau passieren kann. Die
Regel ist immer noch und auch vom Gesetzgeber so gewollt, das Frauen nach
einer langjährigen Ehe weiterhin noch Jahre mit der nachehelichen
Solidarität rechnen kann. Es gibt allerdings hier und da mal ein Urteil, wo
Richter tatsächlich der Meinung ist, das eine Frau auch nach 20 Jahren noch
arbeiten kann, umfangreiche Hilfen des Staates sind ihr gewiß
http://www.wgvdl.com/forum/index.php?id=42730

Es war weniger vom Gesetzgeber anno 1977 gewollt (jedenfalls nicht so offensichtlich) sondern es wurde in den Folgejahren von der Gerichten so ausgelegt. Auch wenn ich vom komischen Zerruettungsprinzip der 77er Politpfeifen wenig halte, das haben die nicht alleine verbockt.

Mit nachfolgendem wird es allerdings schwierig:

Gleichzeitig muss man sich auch fragen: Welche Form von Solidarität
wollen wir in unserer Gesellschaft leben? Sollte unser gesellschaftliches
Ziel nicht sein, dass Menschen füreinander einstehen, Verantwortung
übernehmen? Verantwortung nicht im patriarchalischen, sondern im modernen
Sinn: Frauen gegenüber Frauen. Männer gegenüber Männern. Frauen gegenüber
Männern. Männer gegenüber Frauen.

Was soll man dazu noch sagen? Nun ja, lest alles selbst:
http://www.taz.de/1/debatte/kommentar/artikel/1/und-nach-der-versorger-ehe/

Kollektivistischer Schwachsinn. Die Gesellschaft hat keine Verantwortung fuer (familiaere) Solidaritaet und kann schon gar keine den Mitgliedern der Gesellschaft befehlen.

Verantwortung im patriarchalischen Sinn bedeutet, dass wer sich eine Suppe einbrockt, diese auch selbst ausloeffeln soll. Es handelt sich um die altbekannte Kausalitaet zwischen Verhalten und der Uebernahme der Verantwortung fuer dessen Folgen, die kausal mit der Ursache verknuepfte Wirkung. Diese Verknuepfung spiegelt sich beispielsweise auch in der Doktrin der Unterhaltspflicht des Ehezerstoerers im alten Scheidungsrecht vor 1977 wieder. Im Grundsatz ein gerechte Sache. Lediglich die Tatsache, dass zwingend jede Ehescheidung genau einen Schuldigen erforderte, ohne den sie nicht vollzogen werden konnte, ist da ein Schoenheitsfehler. Eine Moeglichkeit zur formalen Ehekuendigung (entweder von einem oder beiden Ehegatten) haette diesem Missstand jedoch abgeholfen. Damit waere aber das Weiterbestehen einer ehelichen Unterhaltspflicht nach der Ehe nicht aufrechtzuerhalten gewesen, da diese durch die Ehekuendigung ja ebenfalls gekuendigt worden waere. Deshalb hat man dieses Unding der Ehezerruettung konstruiert, wodurch suggeriert wurde, dass nicht etwa der (die) Ehekuender verantwortlich sei (seien) fuer das Ende der Ehe sondern irgendwelche ueberpersonale Umstaende, sozusagen ein Akt 'hoeherer Gewalt'. Das erlaubte es auch weiterhin den 'wirtschaftlich Staerkeren' einseitig in die finanzielle Pflicht zu nehmen, obwohl der u.U. die Ehe gar nicht aufloesen wollte.

Bei der Verantwortung im 'modernen' Sinn (bzw. im Sinne der beiden feministisch-schlaumeierischen Schreiberlingen) handelt es sich jedoch um etwas vollkommen anderes. Man meint damit, dass die Verantwortung grundsaetzlich nicht vom Verursacher wahrzunehmen sei sondern auf irgendein amorphes Kollektiv oder irgendwelche Umstaende abgeschoben werden koenne. Resultat davon ist logischerweise das Gegenteil von Verantwortung, naemlich die Verantwortungsnegierung, welche sich wiederum in struktureller Verantwortungslosigkeit aller manifestiert. Wenn eine Gesellschaft verantwortlich ist, dann fuehlt sich keiner mehr verantwortlich - auch dann nicht, wenn er Teil der verantwortlichen Gesellschaft ist.

Diese Umlagerung von Verantwortung auf ein Kollektiv finden wir typischerweise auch beim Umverteilungsstaat sozialistischer Praegung, in dem irgendwelche materielle Lasten einer als privilegierungswuerdigen Klientel der nichtbeteiligten Gesellschaft (=Sozialstaat, Wohlfahrtsstaat) aufgebuerdet werden; eigentlich unnoetig zu sagen, dass auch der nationalsozialistische Staat so funktionierte. Die Gesellschaft wiederum kann ihre 'Verantwortung' gegenueber dieser politisch privilegierten Klientel nur dann wahrnehmen, wenn sie ihre Mitglieder zur Loyalitaet zwingt. Sonst funktioniert das Umverteilungssystem nicht, weil sich von den Gesellschaftsmitgliedern niemand individuell verantwortlich fuehlt; verantwortlich ist nominell ja die Gesellschaft und sind nicht etwa die konkret fassbaren Einzelpersonen. Im (materialistischen) Wohlfahrtsstaat geschieht die Verantwortungsumlagerung normalerweise durch Teilenteignungen (Steuern, Abgaben) sowie gesetzliche Gebote und Pflichten, nicht selten auch flankiert durch besonders starke Teilenteignungen von bestimmten als speziell ausbeutungswuerdig erachteten Kleingruppen (meist der 'Reichen' und der 'Kapitalisten'). Wer ueber die Verantwortungsumlagerung im Zwangswohlfahrtsstaat bestimmt, ist der eigentlich Maechtige im Sozialstaat, da hat sich seit den Zeiten der Jakobinerherrschaft unter Robespierre absolut nichts geaendert. Alle anderen sind die Beherrschten, auch wenn sie sich nochmals in Profiteure und Ausgebeutete aufteilen.

Auch in der sogenannten Geschlechterpolitik finden wir das Prinzip der Verantwortungsnegierung fest verankert. Wenn eine Frau weniger Lohn bekommt als ein Mann, dann wird die Verantwortung dafuer auf ihr weibliches Geschlecht oder irgendwelche nicht nachweisbare Diskriminierungen geschoben und nicht etwa auf sie selbst, weil sie in ihrer Berufswahl weniger auf den Verdienst geschaut hat, als der besserverdienende Mann. Bei Haeuslicher Gewalt ist nach feministischer Logik immer die Frau das Opfer und der Mann der Taeter, und selbst wenn die Frau zugeschlagen hat, dann hat sie es nur in 'Notwehr' getan. Hier finden wir eine Variante der Verantwortungsnegierung naemlich die Abwaelzung der Verantwortung auf einen Suendenbock (den Mann oder oftmals auch das Maennerkollektiv insgesamt).


Gruss

Maesi


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