Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Gleiches Geld für gleiche Leistung

Maesi, Wednesday, 13.11.2002, 21:17 (vor 8430 Tagen) @ Beatrix

Als Antwort auf: Re: Gleiches Geld für gleiche Leistung von Beatrix am 06. November 2002 19:25:39:

Hallo Beatrix

Was mir immer wieder beim Nachforschen im Internet begegnet, ist eine Floskel, die von der Femi-Bewegung immer wieder aufgegriffen wird: Frauen bekommen für die gleiche Arbeit weniger Lohn als die Männer...

Es gibt dazu Untersuchungen. Ich hab sie nur gerade nicht parat. Werd ich aber nachholen.

Da waere ich Dir sehr dankbar (auch wenn der zitierte Text von Stefan ist). Ich habe zwar selbst schon gesucht, zugegenermassen nicht sehr intensiv, aber bisher lediglich Ergebnisse (nicht detailliert) gefunden; es wird zwar immer wieder von Untersuchungen geschrieben, nur scheint niemand zu wissen, wo man die einsehen kann. Gerade in der Gleichstellungsszene wird mit nicht repraesentativen, zurechtgebogenen oder halbierten Statistiken viel Unsinn verzapft. Deshalb bin ich inzwischen aeusserst misstrauisch geworden, wenn solche Forschungsergebnisse auftauchen und moechte sie selbst ueberpruefen.

Trotzdem behauptet auch das Schweizerische Bundesamt fuer Statistik, dass Frauen schlechter entloehnt wuerden. Tatsache ist, dass typische Frauenberufe tatsaechlich eher ein tiefes Lohnniveau aufweisen. Nur: weshalb draengen sich die Frauen in diesen Berufen?

Weil sie Dinge tun möchten, die sie gerne machen, die ihnen liegen.

Weshalb werden sie Floristin, Verkaeuferin oder Coiffeuse obwohl sie wissen, dass sie dort schlecht verdienen?

Weil sie Dinge tun möchten, die sie gerne machen, die ihnen liegen.

Du hast Dir bereits (zumindest teilweise) die Antwort selber gegeben. Weil Frauen tendenziell eher Berufe ausueben, die sie gerne machen, nehmen sie auch haeufiger ein tieferes Lohnniveau in Kauf; eine Frage der Prioritaeten. Frauen sind auch in den Gewerkschaften wesentlich seltener vertreten als Maenner.
Es ist auch so, dass Frauen viel seltener der haupterwerbstaetige Teil in einer Partnerschaft sind. Sie stehen also weniger unter Druck, einen akzeptablen Lohn heimzubringen. Ihr Teilzeiterwerb gilt zwar als wichtiger aber nicht absolut lebensnotwendiger Zustupf zum Familienbudget.

Weshalb siehst Du es als gottgegeben an, daß solche Berufe schlechter bezahlt werden als etwa Werkzeugmacher, Automechaniker oder Techniker?
Ich finde dafür keinen vernünftigen Grund.
Männer und frauen haben oft an ganz verschiedenen Tätigkeiten Interesse und auch die Begabungen unterscheiden sich. Man kann also eigentlich nur die Länge der Ausbildung, die Höhe der Anforderungen und deren Qualität vergleichen.

Nein, Du vergisst einen entscheidenden (den wichtigsten) Punkt. Die Ausbildung sowie die Art der Aufgabe ist das eine, die erbrachte Leistung ist eine andere. Wenn Maenner eher bereit sind Ueberstunden zu leisten oder vielleicht auch mal an einem Samstag oder sogar Sonntag zu arbeiten, dann haben sie gegenueber Frauen, die tendenziell weniger dazu bereit (oder in der Lage) sind einen Wettbewerbsvorteil. Maenner nehmen offenbar auch laengere Arbeitswege in Kauf und sind somit mobiler als Frauen.

Weil sie ihre Befrufstätigkeit mit der Familienarbeit vereinbaren WOLLEN und weil sie ihre Befrufstätigkeit mit der Familienarbeit vereinbaren MÜSSEN, denn es ist meistens niemand da, der sie ihnen abnimmt. Noch nicht.

1. Es ist auffaellig, dass bei Trennungen/Scheidungen die Kinder fast immer bei der Mutter bleiben. Nicht bloss weil Frauen hauptamtlich Muetter sein muessen, sondern auch weil sie das wollen. Im Gegensatz zum berufstaetigen Mann muessen alleinerziehende Frauen auch nie ihre Qualitaet bzw. Leistung als Mutter unter Beweis stellen, ihnen wird gemaess Gesetz und richterlicher Praxis nahezu immer ein zusaetzlicher Unterhalt (neben dem Kindesunterhalt) zugesprochen, und zwar selbst dann, wenn ihre Leistung ungenuegend ist; als Mutter ist sie in einer nahezu unkuendbaren Stellung, waehrend der Vater (insbesondere auch von der feministischen Ideologie) als entbehrlich abgestempelt wird. Ein Berufstaetiger hingegen muss eine gewisse Leistung erbringen, ansonsten wird er halt gefeuert, oder ihm wird sein Gehalt gekuerzt, was einer alleinerziehenden Mutter nur aeusserst selten passieren kann.
Diese gesellschaftlichen Realitaeten praegen sowohl Frauen wie Maenner. Maenner werden darum schon im jugendlichen Alter auf berufliche Leistung getrimmt bzw. sie trimmen sich selber darauf, da ihnen eine andere ernstzunehmende Option (eben des hauptamtlichen Familienvaters) fehlt.

2. In einer Partnerschaft wird auch heute noch eine gewisse Arbeitsteilung vorgenommen; der eine Teil (meist die Frau) uebernimmt mehrheitlich die Familienarbeit, waehrend der andere Teil (meist der Mann) hauptsaechlich fuer das Familieneinkommen zustaendig ist. Ob und wie diese Arbeitsteilung vorgenommen wird, ist Sache der beiden Partner; und wie man sich gebettet hat, so liegt man dann halt. Natuerlich unterliegen die Partnerschaften
normalerweise gewissen Sachzwaengen. Einer davon resultiert auch daraus, dass Frauen wesentlich seltener einen Mann heiraten, der weniger als sie selber verdient, als umgekehrt. Dann liegt es beim Eintreffen von Kindern auf der Hand, dass in der Partnerschaft/Ehe derjenige Teil mit dem hoeheren Erwerbseinkommen im Berufsleben verbleibt, und der andere sich hauptsaechlich der Familienarbeit widmet.

3. Es darf auch nicht vergessen werden, dass etliche typische Frauenberufe normalerweise zuerst und besonders stark von Rezessionen betroffen sind. Wenn ich weniger Kohle fuer meine Arbeit bekomme, schraenke ich mich staerker im Konsum ein, was sich beispielsweise in der Verkaufsbranche (sehr stark teilzeit- und deshalb frauenzentriert) sofort bemerkbar macht. Maenner belegen auch ein wesentlich weiteres Spektrum von Berufen als Frauen, was sie wiederum insgesamt etwas rezessionsresistenter macht.

4. Wie Umfragen belegen, wuerden nicht wenige Maenner ebenfalls gerne Teilzeit arbeiten. In qualifizierten Berufen ist Teilzeitarbeit jedoch sehr selten. Dies liegt einerseits an den Arbeitgebern; diese unterliegen einem starken Kostendruck und sind deshalb interessiert die (besonders in qualifizierten Berufen sehr hohen) Gemeinkosten zu reduzieren. Zwei Mitarbeiter bedeuten fuer einen Arbeitgeber einen erhoehten administrativen Aufwand, hoehere Ausbildungskosten sowie eine groessere Infrastruktur und mehr Aufwand fuer Einarbeitung der Mitarbeiter, selbst wenn sie nur jeweils halbtags arbeiten. Andererseits liegt das auch an der Art der Arbeit selber; komplexe Arbeit laesst sich haeufig nicht sinnvoll und/oder rationell auf beliebig viele Personen aufteilen (z.B. in der IT), sondern muss von einigen wenigen, dafuer jedoch ganztags (notfalls mit Ueberstunden), erbracht werden. Ausserdem ist heutzutage Teamarbeit gefragt; je groesser das Team desto mehr Reibungsverluste (durch Missverstaendnisse, ungewollte Doppelspurigkeiten, Antipathien und Sympathien, etc.) entstehen im Team. Wenn der Arbeitgeber mehr Teams einsetzt, entsteht dasselbe (Koordinations-)Problem zwischen den einzelnen Teams. Kurzum: zuviele Koeche verderben den Brei, und das besonders bei komplexen (und deshalb besser bezahlten) Arbeitsvorgaengen. Wenig komplexe Arbeitsvorgaenge lassen sich jedoch viel einfacher und normalerweise ohne groessere Reibungsverluste auf mehrere Personen aufteilen. Teilzeitarbeit kann dann fuer einen Arbeitgeber durchaus attraktiv sein. Wenn Frauen wesentlich oefter Teilzeit arbeiten, draengen sie sich dann halt eben in genau solchen Berufen.

Diese Aufzaehlung ist keineswegs abschliessend; vielleicht mag sie der eine oder andere ergaenzen.

Gruss

Maesi


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