Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Viele Eheverträge sind sittenwidrig

Maesi, Thursday, 27.02.2003, 01:35 (vor 7732 Tagen) @ Ferdi

Als Antwort auf: Viele Eheverträge sind sittenwidrig von Ferdi am 11. Februar 2003 11:58:37:

Hallo Ferdi

[...]
Ein Ehepaar hatte in einem Ehevertrag gegenseitig auf nachehelichen Unterhalt verzichtet. Ausnahme war der Betreuungsunterhalt für die Kinder. Zugewinn und Versorgungsausgleich wurden ausgeschlossen, dafür zahlte der Mann in eine Kapitallebensversicherung ein.
Bei der Scheidung wurde das Vertragswerk in allen wesentlichen Punkten zerpflückt. Die Ehefrau habe schliesslich durch ihren Beitrag zum gemeinsamen Haushalt Anspruch auf weitere Versorgung und werde durch den Vertrag verfassungswidrig benachteiligt. Daher erklärte das Gericht die "einseitige Aufbürdung von vertraglichen Lasten" als Verletzung von Grundrechten und verdonnerte den Mann zu Unterhaltszahlungen.

Das Thema 'Ehevertraege' wurde hier im Forum schon mehrmals angeschnitten. In bestimmten Punkten mag der Ehevertrag tatsaechlich nuetzlich sein; jedoch sollte sich niemand auf der sicheren Seite glauben, bloss weil er einen 'wasserdichten Ehevertrag' abgeschlossen hat. Die Gefahr, dass ein Ehevertrag nachtraeglich als unsittlich erklaert wird, ist akut; insbesondere bei Unterhaltsverzichtsklauseln in Zeiten der Not.

Sollte der Bundesgerichtshof noch einmal höchstrichterlich bestätigen, was das Bundesverfassungsgericht schon 2001 einmal entschieden hat, nämlich dass der gesamte Unterhaltsverzicht nichtig ist wenn eine nicht erwerbstätige und ein Kleinkind betreuende Mutter in einer notariellen Urkunde auf Unterhaltsansprüche verzichtet, dann ist eine grosse Anzahl der geschlossenen Ehevertrräge wertlos.

Sieht so aus.

Was lernen wir Männer daraus? Wer als Mann eine Ehe eingeht, begibt sich in einen rechtlosen Raum.

Gerade das Gegenteil ist der Fall, lieber Ferdi. Wer als Mann (oder auch Frau) eine Ehe eingeht, begibt sich eben nicht in einen rechtlosen Raum, sondern in ein Netzwerk aus genau aufeinander abgestimmten Regelungen und gut untereinander eingespielten Institutionen und Parteien (Richter, Anwaelte, Gutachter, etc.). Aus diesem engmaschigen Netz sich legal herauszuwinden, ohne allzusehr Federn zu lassen, ist nahezu unmoeglich. Durch das Jawort vor dem Zivilstandsamt hat man(n) sich in diese Falle begeben. Nur: die wenigsten wissen das. Nach dem Ende der Liebe und der gegenseitigen Achtung heisst es dann: 'die Ehe ist zerruettet'. Und genau dann schlaegt dieser verhaengnisvolle Automatismus mit absolut vorhersehbarer Abfolge zu, und alles ist fein saeuberlich durch Gesetze und Rechtsprechung (und somit rechtlich) abgesichert. Man(n) beachte jedoch: wenn es sich bei der Ehe um keinen rechtlosen Raum handelt, heisst das noch lange nicht, dass bei Ehescheidung vor Gericht Gerechtigkeit herrschte. Gott bewahre!

Finger weg von der Ehe. Nur als Single hat man die höchste Sicherheitsstufe, die zweithöchste ist Lebensgemeinschaft in der Wohnung der Frau. Alles andere ist ein Ritt über den Bodensee.

Es gibt natuerlich mehrere Motive zu heiraten oder aber die Finger von der Ehe zu lassen. IMHO haben viele Gruende, die frueher durchaus fuer die Ehe sprachen, an Gewicht verloren oder sind inzwischen voellig obsolet geworden. Frueher wurde normalerweise geheiratet, weil nur gemeinsam der Lebensunterhalt fuer die Familie bestritten werden konnte. Die Kinder waren auch da schon eine starke Belastung, aber sie waren gleichzeitig auch eine wirtschaftliche Absicherung des Lebensabends; als es noch keine Altersvorsorge gab, war mancheiner auf seine Nachkommen angewiesen, ansonsten landete er womoeglich irgendwann mal im Armenhaus. Sofern jemand viele Kinder hatte, stieg die Wahrscheinlichkeit durch gelebte Solidaritaet dieser Kinder ein gewisses Auskommen auch im Alter zu haben; ausserdem blieben die aelteren Familienmitglieder gerade auf dem Land haeufig in der Familie integriert und uebten auch dort noch Taetigkeiten aus, sodass sie einen Beitrag zum Ueberleben der wirtschaftlichen Einheit 'Familie' beitragen konnten. Die Notwendigkeit, dass Toechter und v.a. Soehne den eigenen Lebensabend absichern, ist heute im Zeitalter von Altersrenten schlichtweg nicht mehr gegeben; auch Arbeitlosigkeit, Krankheit oder Behinderung werden durch Sozialwerke aufgefangen. Die persoenlich gelebte Solidaritaet wurde durch unpersoenliche Solidaritaet im Rahmen von Sozialwerken abgeloest. Geheiratet wird heute in erster Linie aus Liebe (oder vielmehr Verliebtheit); gerade die Liebe jedoch erweist sich als aeusserst truegerische Grundlage fuer einen gemeinsamen Lebensentwurf.
Was viele Leute heutzutage nicht wahrhaben wollen, ist die Tatsache, dass die soziale Gemeinschaft von Menschen fast immer eine Zweckgemeinschaft ist. Solange ein bestimmter Zweck damit erfuellt wird, haelt die darauf beruhende Gemeinschaft. Die traditionelle Ehe war ein typisches Beispiel einer Zweckgemeinschaft: der Zweck der Ehe war die wirtschaftliche Absicherung der Ehepartner sowie von deren Kindern. Dieser Zweck entfaellt heute in den westlichen Industriestaaten weitgehend. Die Folge davon war und ist eine stetige Zunahme von Scheidungen. Eine Scheidung bedeutet zwar auch heute noch grosse wirtschaftliche Schwierigkeiten der beiden Expartner; sie weist allerdings fast nie lebensbedrohliche Ausmasse auf, denn die Grundbeduerfnisse (Nahrung, Kleidung, Obdach) des Menschen sind normalerweise durch den Sozialstaat gedeckt. Noch vor 60 Jahren war dies keineswegs gesichert. Genau dieser Zwang, durch Bildung einer Zweckgemeinschaft das Ueberleben dieser Gemeinschaft zu ermoeglichen oder zu erleichtern, hielt jahrtausendelang Familien, Sippen und Doerfer zusammen. Die selbstlose Solidaritaet (insbesondere gegenueber wildfremden Menschen), die so viele Gutmenschen v.a. linker und religioeser Provenienz predigen, ist groesstenteils Wunschdenken und spielt im Leben weiter Teile der Bevoelkerung eine voellig untergeordnete Rolle; der Normalverbraucher mag vielleicht fuer die Winterhilfe, Caritas, das Rote Kreuz, oder aehnliche Hilfswerke Geld, Kleider oder meinetwegen nicht mehr benoetigte Spielzeuge spenden, damit hat sich aber der Altruismus von IMHO weit ueber 90% der Bevoelkerung dann auch schon erschoepft.

Gefahr erkannt - Gefahr gebannt! Eigentlich schade, dass man als Mann, der Frauen mag, heutzutage sowas schreiben muss. Aber für die Zustände sind ausschliesslich diejenigen verantwortlich, die 1977 mit der Scheidungsreform die Scheidung zu einem Volkssport für Frauen gemacht haben.

Ich glaube nicht, dass diese Scheidungsreform eine wesentliche Schuld an der grossen Zahl der Scheidungen traegt; sie mag allenfalls einen gewissen Einfluss darauf gehabt haben. Es ist wohl einfach so, dass sich die wirtschaftliche Situation der Menschen seit Mitte der 50er Jahre in den Industriestaaten immer mehr verbessert hat. Parallel dazu hat die Gesellschaft eine Entwicklung zu immer staerkerer Individualisierung durchgemacht (letzteres haelt auch heute noch an). Diese beiden Entwicklungen sind IMHO die wichtigsten Einflussfaktoren auf die Scheidungszahlen. Die Scheidungsreform war wohl eher die Reaktion auf ein Scheidungsrecht das aufgrund bereits angestiegener Scheidungszahlen von immer mehr Menschen als nicht mehr zeitgemaess empfunden wurde. Damit will ich nicht behaupten, dass ich das damals verabschiedete Scheidungsrecht fuer fair halte, im Gegenteil. Einerseits wollte man sich vom Schuldprinzip verabschieden (was man weitgehend auch erreichte), andererseits konnte man sich aber nicht konsequent zu einer Neudefinition der Ehe bzw. deren Beendigung durch Scheidung durchringen. Die Scheidungsfolgen (frueher direkt von der Schuldfrage abhaengig) wurden weiterhin gemaess anachronistischem Eheschema auf die beiden Ex-Partner aufgeteilt (Kinder zur Mutter, Einkommen erwirtschaftet der Vater). Hier haette man konsequenterweise nur noch den Unterhalt fuer die Kinder beibehalten sollen; der Zwang zum Unterhalt an den Expartner (sogenannte nacheheliche Solidaritaet) haette ersatzlos gestrichen werden sollen, da mit der Ehe ja auch die wirtschaftliche Einheit der beiden Ex-Partner aufgeloest wurde. Aus steuerlicher Sicht wurde das pikanterweise tatsaechlich durchgezogen (Steuerklasse 1 fuer den Unterhaltszahler bringt halt dem Staat Deutschland mehr Steuern ein). Wie wir sehen, konnte sich der damalige Gesetzgeber offenbar nicht vollstaendig vom alten Eheideal verabschieden, aus welchen Gruenden auch immer.
Die traditionelle Ehe (mit dem Hintergedanken der wirtschaftlichen Versorgung) wird wohl noch weiter an Bedeutung verlieren. Auch die Zahl der Kinder wird noch weiter zurueckgehen, da deren Zweck zur wirtschaftlichen Sicherung des eigenen Lebensabends nicht mehr besteht (zumindest in Form direkter Solidaritaet). Im Gegenteil: Kinder werden heute v.a. als wirtschaftliche Last empfunden, was in zahlreichen Studien ueber die Kosten der Kinder fuer die Eltern aufgezeigt wird; der emotionale Gewinn, den Kinder bringen, ist kaum je Thema in der oeffentlichen Debatte, wogegen ueber die Umstaende, die der Nachwuchs verursacht, insbesondere von Alleinerziehenden sehr wirkungsvoll gejammert wird. Meine Ansicht ist da konsequent: wer Kinder zeugt bzw. empfaengt, ist auch verantwortlich fuer sie.

Gruss

Maesi


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