Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Viele Eheverträge sind sittenwidrig

Peter, Tuesday, 11.02.2003, 17:24 (vor 7748 Tagen) @ Peter

Als Antwort auf: Re: Viele Eheverträge sind sittenwidrig von Peter am 11. Februar 2003 15:01:43:

Ich habe selber mal gesucht und den folgenden Text gefunden. Der Tenor des Urteils scheint mir: Wir moegen keine Ehevertraege und wuerden am liebsten alle verbieten, weil damit die Maenner sich gegenueber den Frauen absichern koennen. Insbesondere die Rede von den 'Grundrechten der Frau' ohne zu begruenden, auf welchen Artikel des Grundgesetzes man sich warum genau bezieht, ist in meinen Augen nicht mehr Rechtsprechung sondern Gesetzgebung, also eine Anmassung des Gerichts. Hoffentlich hat das vorm BGH keinen Bestand.

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BGB §§ 1408, 1585c, 138 Abs. 1

Unwirksamkeit eines Ehevertrages wegen Benachteiligung der Ehefrau

Ein Ehevertrag mit weitgehendem Unterhaltsverzicht, Verzicht auf Durchführung des Versorgungsausgleichs und des Zugewinnausgleichs ist unwirksam, wenn die Ehefrau, die unter Aufgabe eigener Berufstätigkeit die Betreuung der gemeinsamen Kinder übernommen hat, gegenüber dem vermögenden und gut verdienenden Ehemann hierdurch unangemessen benachteiligt wird (Leitsatz des Bearbeiters).

OLG München, Urt. v. 25.6.2002 ? 4 UF 7/02

Kz.: L I 1 ? § 1408 BGB

Problem

Nach den zwei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur richterlichen Inhaltskontrolle von Eheverträgen vom 6.2.2001 (DNotI-Report 2001, 40 = DNotZ 2001, 222) und vom 29.3.2001 (DNotI-Report 2001, 142 = NJW 2001, 2248) ist fraglich geworden, inwieweit im Einzelfall noch von der de lege lata gegebenen Vertragsfreiheit im Hinblick auf die Scheidungsfolgen Gebrauch gemacht werden kann. In der seither veröffentlichten Literatur wird die Frage sehr kontrovers diskutiert. Als "problematisch" werden aber überwiegend v. a. Gesamtverzichtsvereinbarungen bei einer "kinderorientierten" Ehe angesehen (vgl. Nachreiner, MittBayNot 2001, 356, 360; Grziwotz, FamRB 2002, 26; Bergschneider, FamRZ 2001, 1337, 1339). Andere Autoren empfehlen demgegenüber beispielsweise konkret, den Kindesbetreuungsunterhalt nach § 1570 BGB von einem Unterhaltsverzicht grundsätzlich herauszunehmen (so z. B. Waldner, FamRB 2002, 216 ff.).

Auch die bislang vorliegende Rechtsprechung hat bis auf die Entscheidung des OLG Naumburg vom 20.8.2001 (DNotZ 2002, 791), in der eine Scheidungsfolgenvereinbarung mit Unterhaltsverzicht und Versorgungsausgleichausschluss als sittenwidrig angesehen wurde, eher zurückhaltend auf die neue Rechtsprechung reagiert (vgl. OLG Köln FPR 2002, 306 ff. ? Wirksamkeit eines Gesamtverzichts; OLG Frankfurt ZFE 2002, 349 ff. ? Wirksamkeit der Vereinbarung der Gütertrennung; BGH FuR 2002, 4220 ? Wirksamkeit einer Scheidungsvereinbarung mit Unterhaltsverzicht).

Im vorliegenden Fall hatten die Ehegatten drei Jahre nach der Eheschließung einen Ehevertrag errichtet, in dem auf nachehelichen Unterhalt (bis auf den wegen Kindesbetreuung) verzichtet wurde, Gütertrennung vereinbart wurde sowie der Versorgungsausgleich gegen Abschluss einer Kapitallebensversicherung mit einer Versicherungssumme in Höhe von 80.000 DM ausgeschlossen wurde. Der Ehemann, ein Unternehmensberater mit monatlichen Einkünften in Höhe von durchschnittlich 27.000 DM netto, war sehr vermögend. Die Ehefrau dagegen war vermögenslos, hatte allerdings studiert und bis zur Geburt des ersten Kindes auch gearbeitet. Die ehelichen Lebensverhältnisse der Ehegatten waren vom Zuschnitt bescheiden, die Familie erhielt Kleidung aus der Altkleidersammlung (!), die Einrichtung der Wohnung war einfach, was die Möbel und die sonstige Ausstattung anbelangte.

Entscheidung

Das OLG München hält den gesamten Ehevertrag für unwirksam. Unter Berufung auf die Rechtsprechung des BVerfG beanstandet es zunächst den Unterhaltsverzicht als einseitig unangemessen belastend, weil die Ehefrau aufgrund der Haushaltsführung und Betreuung der Kinder an einem eigenen Aufbau einer Invaliditäts- und Altersversorgung gehindert gewesen sei. Auch die Regelung des Versorgungsausgleichs wird in einem obiter dictum als unangemessene Benachteiligung der Ehefrau gewertet und für unwirksam gehalten (obwohl die Entscheidung über den Versorgungsausgleich nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens war). Schließlich ist nach Auffassung des OLG München auch der Ausschluss des Zugewinnausgleichs im Ehevertrag unwirksam, weil der Antragsteller seine dominierende Lage als Inhaber eines Vermögens und Bezieher eines weit über dem Durchschnitt liegenden Einkommens gegenüber der vermögenslosen und praktisch einkommenslosen Antragsgegnerin zu deren Nachteil ausgenutzt habe.

Das OLG München sieht hierdurch die Grundrechte der Antragsgegnerin verletzt, ohne allerdings im Einzelnen darzulegen, worauf es die Annahme der Unterlegenheit der Ehefrau gründet. Im Übrigen erachtet das OLG München auch die im Ehevertrag enthaltene salvatorische Klausel für unwirksam, weil es seiner Auffassung nach einer dominanten Vertragspartei nicht überlassen bleiben könne, in weitestgehendem Umfang Schutzvorschriften für den Gegner auszuschließen und ihm das Risiko der Inhaltskontrolle zu überlassen.

In der Entscheidung des OLG München wurde die Revision zum BGH zugelassen, so dass abzuwarten bleibt, ob das Urteil dort Bestand haben wird.


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