Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Antwort DGB nach Schnauzbart-Aktion

karlma, Saturday, 21.02.2009, 13:10 (vor 6151 Tagen) @ so_blöd_auch_wieder_nicht

Betreff: Aktion Schnauzbärte

Mitteilung
--------------------------------------------------------------
Sie spielen an auf die Tatsache, dass Frauen in Durchschnitt
22 % weniger verdienen als Männer. Ich weiß, dass das auch
von Bundesministerien veröffentlicht wird.
Diese Relation zwischen Männern und Frauen besteht sicher,
aber es ist die Frage, wie das errechnet ist. Mir ist
mittlerweile kein Bereich mehr bekannt, in dem für gleiche
Arbeit bei gleicher Leistung und gleicher Qualifikation
unterschiedliche Bezahlung erfolgt. Arbeitgeber würden einen
groben Fehler machen, wenn sie unter den von Ihnen genannten
Bedingungen überhaupt noch Männer einstellen, da sie doch
derart viel teurer wären. In unserer Arbeitsgruppe
(öffentlicher Dienst) ist das Einkommen untershciedliche,
aber nur dadurch, dass Frauen teilweise weniger Stunden
arbeiten. Ist es Ihr Ziel, zu erreichen, dass unabhängig von
der Leistung Leistung z. B. zeitlich gesehen gleiche
Bezahlung erfolgt? für eine Antwort wäre ich Ihnen dankbar.

Wir werden Ihre Anfrage schnellstmöglich bearbeiten.

Mit freundlichem Gruß,

--------------------------------------------
Ihr Team der Initiative "ICH BIN MEHR WERT!"
www.dgb-frauen.de


Hallo!

Bisher habe ich noch keine Antwort erhalten. Ist es so schwer, die
verhältnismäßig einfache Frage, die ich gestellt habe, zu beantworten? Sie
haben bei Ihrer Aktion doch eine Zielrichtung gehabt. Auch ich bin
Gewerkschaftsmitglied und daran interessiert, was der Dachverband macht und
beabsichtigt.

Mit freundlichen Grüßen

Von: Huschke, Jenny (DGB-BVV)
Gesendet: Mittwoch, 4. Februar 2009 09:47
An....................
Betreff: AW: Kontaktaufnahme mit dgb-frauen.de

Sehr geehrter Herr xxxxxxxxxxx,

selbstverständlich haben wir auch Ihre Anfrage registriert und wir arbeiten
daran, diese zu beantworten.

Als Hintergrund vielleicht die Information, dass alle Anfragen über die Seite
www.DGB-Frauen.de <http://www.dgb-frauen.de/> bei mir landen, da ich auch
für die Betreuung der Seite, insbesondere die Dokumentation unserer
Veranstaltung zuständig bin. Nun war ich im Januar im Urlaub und habe dann
nach meiner Rückkehr am Montag die Mails an meine Kolleginnen weitergeleitet,
die die Fachreferentin für Entgeltfragen ist. Ich gehe davon aus, dass sie
sich in den kommenden Tagen meldet.

freundliche Grüße

__________________________________________

Jenny Huschke

Referentin

DGB Bundesvorstand

Bereich Gleichstellungs- und Frauenpolitik

Henriette-Herz-Platz 2

10178 Berlin

Telefon + 49 (0)30 240 60 - 511

Fax + 49 (0)30 240 60 - 761

Sehr geehrter Herr xxxxxxxxxxxxxxxxx, lieber Kollege,

die Entgeltdiskriminierung von Frauen ist - auch im öffentlichen Dienst -
Fakt und in ihren Ursachen subtiler als zu vermuten ist. Am Beispiel der
Entgeltungleichheit von Beamtinnen und Beamten, bei denen die formal gleiche
Besoldung aufgrund gesetzlicher Regelungen völlig außer Frage steht, möchte
ich dies verdeutlichen:

Formal werden im Besoldungsrecht gleiche Tätigkeiten auch gleich bezahlt. Die
Zollsekretärin (A 6) verdient genauso viel wie der Zollsekretär, die
Ministerialrätin und der Ministerialrat werden beide nach B 3 bezahlt.
Dennoch verdienen auch vollzeitbeschäftigte (!) Frauen im mittleren Dienst 13
und im höheren Dienst 12 Prozent weniger. Teilzeitbeschäftigung ist also nur
ein Faktor, der die Einkommensdifferenz erklären kann.

Beamtinnen - und zwar voll- und teilzeitbeschäftigte zusammen - verdienen
18,9 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Besonders stark ist das
Einkommensgefälle im mittleren und höheren Dienst mit jeweils 22,9 Prozent.
Vollzeitbeschäftigte Beamtinnen verdienen immer noch 7,4 Prozent weniger als
ihre männlichen Kollegen. Im mittleren und höheren Dienst sind es aber 12,5
bzw. 12,2 Prozent weniger. Richterinnen verdienen gleichfalls erheblich
weniger als ihre männlichen Kollegen.

Die Ursachen sind vielschichtig:
- Die Teilzeitbeschäftigung vieler Frauen ist nur ein Faktor für die
Entgeltdiskriminierung. Fast die Hälfte der Beamtinnen und Richterinnen sind
teilzeitbeschäftigt und der Frauenanteil an den Teilzeitbeschäftigten beträgt
etwa 80 Prozent. Der Europäische Gerichtshof hat das unlängst zum Anlass
genommen, die Mehrarbeitsvergütung im Besoldungsrecht zu kippen, weil sie
Teilzeitbeschäftigte und damit Frauen benachteilige: Ein klarer Verstoß gegen
das Gebot der Entgeltgleichheit.

- Je höher die Besoldungsgruppe, desto geringer der Frauenanteil. Im
Gegensatz zu den Männern erreichen Frauen seltener das Spitzenamt der
Laufbahn. Die Geschlechterverteilung im höheren Dienst macht dies besonders
deutlich: Je höher
die Besoldungsgruppe, desto geringer der Frauenanteil. Das bestätigt auch der
EU-Bericht "Frauen und Männer in Entscheidungspositionen 2007": Weniger als
15 Prozent der Abteilungsleitungen hierzulande sind mit Frauen besetzt;
Staatssekretärsposten: Fehlanzeige. Damit liegt Deutschland weit unter dem
EU-Durchschnitt (EU-27) von 33 Prozent und wird bei dieser Negativ-Bilanz
lediglich von Luxemburg und dem Nicht-Mitglied Türkei übertroffen.

- In Teilzeit scheint es fast ausgeschlossen, Führungsfunktionen überhaupt
erreichen zu können. Teilzeitarbeit in höher dotierten Stellen mit
Führungsverantwortung stößt immer noch auf erhebliche Vorbehalte.

- Anwesenheit unterstützt den beruflichen Aufstieg. Teilzeit und
Erwerbsunterbrechungen wegen Kindererziehung wirken sich mittelbar auf die
Karriereentwicklung aus. Sichtbar und flexibel zu sein, sind die wichtigsten
Voraussetzungen für eine Karriere. Wer weniger Stunden in der Woche arbeitet
oder längere Zeit aussetzt, erhält schlechtere Beurteilungen. Die
Personalberichte aus Hamburg und Schleswig-Holstein gestehen diese
Benachteiligung offen ein. Besonders problematisch: Unterbleiben
Beförderungen wegen Beurlaubung oder Teilzeit oder finden sie erst später
statt, kann der Rückstand nicht mehr aufgeholt werden. Beamtinnen und Beamten
steigen zwar in den gleichen Ämtern ein, nach zehn, spätestens zwanzig Jahren
haben die Männer ihre Kolleginnen aber um ein bis zwei Besoldungsgruppen
hinter sich gelassen. Der Weg in
Führungsfunktionen wird den Beamtinnen dadurch erschwert.

- Im Besoldungsrecht werden überwiegend von Frauen ausgeübte Berufe
(Tätigkeiten) geringer bewertet. So werden die Lehrämter an Grundschulen, wo
überwiegend Frauen tätig sind, regelmäßig mit A 12, an Gymnasien, wo die
Männer dominieren, mit A 13 bewertet. Dass Grundschullehrerinnen weniger
Verantwortung hätten, als Gymnasiallehrer ist nicht belegbar. Die GEW fordert
deshalb A 13 als einheitliches Eingangsamt für alle Lehrämter.

- Frauen arbeiten in "typischen Frauenbereichen", zum Beispiel Verwaltungs-
und Büroarbeit im mittleren Dienst, Lehrämter an den Grund-, Haupt und
Realschulen. Gerade bei den Lehrkräften an Grundschulen wäre ein höherer
Anteil an Männern wünschenswert (Stichwort: männliche Vorbilder in
entscheidenden Entwicklungsphasen der Kindheit).

- Die Verwaltungskultur in Deutschland ist männerorientiert und von Männern
dominiert. Dass Frauen kaum in Führungsfunktionen aufrücken, ist Beleg für
eine Kultur männlich dominierter Führung im öffentlichen Dienst.

Die Entgeltdiskrimierung von Beamtinnen muss übrigens gar nicht "errechnet"
werden; sie geht unmittelbar aus den statistischen Erhebungen des
Statistischen Bundesamtes hervor. Der folgende Link führt Sie auf die
entsprechende Destatis-Website:

https://www-ec.destatis.de/csp/shop/sfg/bpm.html.cms.cBroker.cls?cmspath=stru
ktur,vollanzeige.csp&ID=1022446

Wenn Sie hier eine der Dateien öffen (Excel oder PDF) sehen sie in Tabelle
2.7.2 die durchschnittlichen Brutto-Monatsbezüge der Vollzeitbeschäftigten
(!) des öffentlichen Dienstes im Juni 2007 nach Beschäftigungsverhältnis,
Laufbahngruppen und Beschäftigungsbereichen. Aus dieser Tabelle geht
unmittelbar hervor, dass vollzeitbeschäftigte Beamtinnen weniger verdienen
als vollzeitbeschäftigte Beamte. Da die Beamtinnen hier zu den Beamtinnen und
Beamten insgesamt ins Verhältnis gesetzt sind, wird das Ausmaß der
Entgeltdiskriminierung eher verschleiert. Würde man die Beamtinnen zu den
Beamten ins Verhältnis setzen, würde die ungleiche Besoldung noch deutlicher
zutage treten.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit unseren Informationen am Beispiel der
Beamtinnen und Beamten die Tatbestände verdeutlichen und Ihre Fragen
beantworten.

Mit freundlichen Grüßen
Silke Raab
Referatsleiterin für Modernisierung des öffentlichen Dienstes
und beamtenpolitische Öffentlichkeitsarbeit


Sehr geehrte Frau Huschke!

Ich danke Ihnen für Ihre Nachricht, aber meine Frage ist darin gar nicht beantwortet. Ich fragte nach Ihren Zielen.

Ihre Antwort enthält eine Auflistung von Ungleichheiten, die ich nicht bezweifel. Ungleichheiten, bei denen Frauen besser abschneiden als Männer werden von Ihnen bedauerlicherweise nicht genannt.

Ich bezweifel allerdings, ob es berechtigt ist, die Folgen der persönlichen Lebensplanung als Diskriminierung zu bezeichnen. Niemand in dieser Gesellschaft hindert Frauen daran, auch nur einen Beruf zu ergreifen. Die Bewerberquote von Frauen für eine Stelle im Bergbau oder bei der Müllabfuhr ist nun mal gering, ebenso die Berwerberquote der Frauen bei leitenden Positionen. Das spiegelt aber keine Diskriminierung. Die sogenannte gläserne Decke findet sich eher in den Köpfen der Frauen als in der Realität, denn die Frauenförderung bedingt schon seit einigen Jahren, dass Männer mit ihren Bewerbungen kaum noch Chancen haben, wenn eine gleich qualifizierte Frau konkurriert.

Wenn Sie aber der Meinung sind, dass alle feststellbaren Unterschiede ausgeglichen werden müssen, bitte ich weiterhin um Nachricht, wie Sie sich das vorstellen! Soll ein Mensch, der zeitlich weniger arbeitet, dieselbe Entlohnung erfahren wie einer, der vollzeit arbeitet? Soll ein Arbeiter dieselbe Entlohnung bekommen wie der vielzitierte Generaldirektor? Wenn alle das gleiche Geld erhalten, gibt es keine Diskriminierung mehr, zumindest in dieser Hinsicht Aber soweit ich informiert bin, beruht ein Wirkprinzip unserer Gesellschaftsordnung auf Ungleichheit (z. B. leistungsabhängig). Wollen Sie das abschaffen?

Wenn ferner von Ihnen gefordert wird, dass alle Ungleichheiten ausgeglichen werden, informieren Sie mich bitte darüber, wie Sie den Unterschied in der durchschnittlichen Lebenserwartung zwischen Männern und Frauen ausgleichen wollen als Beispiel für viele weiteren Unterschiede zwischen Männern und Frauen, bei denen Männer schlechter abschneiden als Frauen.

Mit freundlichen Grüßen

xxxxxx xxxxxxxxxxxxxx


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