1929 - Ein Spaziergang
Hallo Dark Knight!
Ich habe leider nicht die Zeit, um alles im Detail zu beantworten. Deshalb beschränke ich mich auf die wesentlichsten Punkte.
Erst einmal zu deiner Frage, ob ich noch durchsteige. Etwas ist mir in der Tat schwer verständlich, nämlich woher du deine naive Gutgläubigkeit nimmst.
So hast du ja wieder geschrieben, daß die Menschen doch allesamt wie wild konsumieren würden, und alles wäre doch super und würde immer besser werden... Die deutschen Einzelhändler sehen das anders. Die haben nämlich 2007 Umsatzeinbußen feststellen müssen, zunächst durch die Mehrwertsteuererhöhung, dann durch die Preiserhöhungen für Benzin, Heizöl, Lebensmittel und andere Güter des täglichen Bedarfs. Vor Weihnachten hoffte man, daß der letzte Verkaufstag vor den Feiertagen das schlechte Ergebnis für 2007 noch etwas aufbessern würde.
Du hast ja schon richtig festgestellt, daß viele Elektroartikel noch gut verkauft werden. Das liegt daran, daß die Preise dafür relativ niedrig sind. Einen MP3-Spieler beispielweise kann sich ein Kind vom Taschengeld leisten. Auch bei den LCD-Fernsehern sind die Preise recht schnell gesunken. Das liegt gerade daran, daß die Menschen immer weniger Geld haben und sich solche Luxusgegenstände gar nicht leisten könnten und würden, wenn man die Preise zu hoch ansetzen würde.
Deshalb gibt es Preiserhöhungen vor allem bei Gütern des täglichen Bedarfs - Benzin, Heizöl, Gas, Strom, Wasser, Lebensmittel, und bei Haushaltsgeräten versucht man das nun auch. Da kann man nämlich davon ausgehen, daß es immer genügend Menschen gibt, die diese Produkte kaufen MÜSSEN.
Es gibt natürlich noch Menschen, die zumindest nicht zuwenig Geld zum Leben haben. Z.B. haben heutige Rentner oft noch durchgängige Erwerbszeiten aufzuweisen, vor allem im Westen. Die kriegen so noch gute Renten. Die Straße, in der ich wohne, gehört zu einer Siedlung, die 1967 gebaut wurde. Hier wohnen viele Leute seit dieser Zeit, und die kriegen heute alle schon Rente. Die fahren auch zum großen Teil teure Autos, vor allem von Mercedes. Wenn man sich ihre Häuser aber genauer ansieht, dann merkt man schnell, daß selbst bei denen das Geld nicht mehr so locker sitzt. Die Häuser haben alle noch die alten Dächer, obwohl die langsam mürbe werden. Und als die Familie gegenüber (auch Mercedes-Fahrer) vor einigen Jahren einen neuen Heizkessel brauchte, haben sie kein teures Markengerät, sondern ein Billigteil einbauen lassen.
Das ist ja auch der Grund für das Märchen von der Klimakatastrophe. Das hat man sich ausgedacht, um z.B. Menschen, die ein Auto brauchen, oder auch Hausbesitzer per Gesetz zum Konsum und idealerweise auch zur Aufnahme von Krediten zwingen zu können. Weil die davon profitierenden Branchen ansonsten durch die gesunkene Kaufkraft kaum noch etwas verkaufen würden.
Und nun zu den Spitzen-Managern:
Da bist du der Meinung, daß die in ihrer genialen Weisheit schon alles zum Guten wenden würden. Dabei gibt es doch immer wieder Beispiele von üblen Management-Fehlern, die selbst manche Großkonzerne schon weitgehend ruiniert haben. Die endeten üblicherweise immer damit, daß viele Menschen ihre Jobs verloren, während die Spitzen-Manager für ihre Fehler noch mit fetten Abfindungen belohnt wurden - und oft dank ihren Beziehungen sofort wieder neue Jobs fanden.
Leider klaffen da zwischen Theorie und Praxis immer größere Unterschiede. Ich erläutere dir das mal an einem Beispiel, wozu ich vor einiger Zeit in einem anderen Beitrag schon mal etwas geschrieben habe. Dieses Beispiel sauge ich mir nicht aus den Fingern, sondern ich erlebe es täglich in der beruflichen Praxis:
Da entschieden die Spitzenmanager eines großen deutschen Software-Hauses, das wiederum zu einem deutschen Großkonzern gehört, daß man in Zukunft Software vor allem in Billiglohnländern entwickeln lassen will. Nach einigen mehr oder weniger erfolglosen Versuchen in verschiedenen osteuropäischen Ländern wurde schließlich beschlossen, ein Softwarehaus in Indien aufzubauen.
Das tat man also und stellte in Indien zunächst hunderte, später noch mehr Software-Entwickler ein. In der Theorie erschien das auch erfolgversprechend. In Indien sprechen alle gut Englisch, es gibt da mittlerweile hunderttausende gut qualifizierte Programmierer und mit den modernen Kommunikationsmöglichkeiten ist eine große räumliche Distanz scheinbar kein Problem mehr.
Nehmen wir als Beispiel mal ein kleines Projekt, für das man 5 Software-Entwickler braucht. In Deutschland fielen dafür (für die reine Software-Entwicklung) in diesem Softwarehaus pro Stunde folgende Lohnkosten an:
1 Projektleiter = 1 x 70 Euro pro Stunde
5 Programmierer = 5 x 60 Euro pro Stunde
Macht also 370 Euro pro Stunde.
Ein indischer Programmierer wird mit 20 Euro pro Stunde veranschlagt. Macht also in der Theorie eine Ersparnis von 5 x 40 = 200 Euro pro Stunde. Statt 370 also nur noch 170 Euro pro Stunde.
Klingt doch gut, oder?
Sicher hat der eine oder andere Spitzen-Manager schon davon gehört, daß man bei Software-Entwicklung im Ausland genauer spezifizieren muß, daß es da gewisse Reibungsverluste gibt, daß man für 20 Euro auch in Indien keine hochqualifizierten Spezialisten bekommt usw. Aber selbst, wenn die indischen Programmierer die doppelte Zeit bräuchten, dann hätte man immer noch 5 x 20 Euro pro Stunde gespart, dachte man.
Also wurde das so durchgezogen, und damit es auch wirklich gemacht wird, wurde von oben angeordnet, daß jeder Bereich einen bestimmten Prozentsatz Inder beschäftigen MUSS. Wie immer ohne Rücksicht darauf, ob das möglich ist oder nicht.
Und so sieht das mit unseren 5-Programmierer-Projekt dann in der Praxis aus:
1 deutscher Projektleiter = 1 x 70 Euro/Stunde
1 deutscher Projektleiter für die Betreuung der Inder = 1 x 70 Euro/Stunde
5 indische Programmierer, die im Durchschnitt etwa die dreifache Zeit brauchen = 5 x 3 x 20 Euro/Stunde
1 indischer Projektleiter, weil die Inder feste Hierarchien und deshalb immer auch einen Chef vor Ort brauchen = 1 x 30 Euro/Stunde
1 deutscher Programmierer zur fachlichen Betreuung der Inder = 1 x 60 Euro/Stunde
1 deutscher Programmierer, der etwa die Hälfte des Tages damit verbingt, Fehler der Inder auszubügeln = 1 x 30 Euro/Stunde
Macht summasummarum 560 Euro/Stunde.
Klingt auf einmal gar nicht mehr so gut, oder? Das liegt u.a. daran, daß in Indien einfach jeder eingestellt und auch bei völliger Nicht-Eignung nicht entlassen wird. So kam es z.B. vor, daß ein Inder beim Vorstellungsgespräch behauptet hat, schon zwei Jahre Berufserfahrung mit einer bestimmten Programmiersprache zu haben. Dann stellte sich aber leider heraus, daß der Mann von dieser Programmiersprache keinen blassen Schimmer hat. Das war vor zwei Jahren, und der hat seinen Job heute noch.
Diese und noch viele andere Probleme werden immer wieder nach oben kommuniziert - und vom Spitzen-Management beharrlich ignoriert. Auch von Vertretern des mittleren Managements kam dazu nur die Aussage, daß das Problem bekannt sei, daß man aber nichts daran ändern könne, weil es nun einmal die Strategie des Unternehmens sei, die "Offshore"-Kapazitäten zu erhöhen.
Die Spitzen-Manager feiern in ihren Rund-Mails regelmäßig die ständig steigende Zahl der indischen Mitarbeiter. Nach deren Produktivität fragt niemand. Mittlerweile hat man auch schon Mitarbeiter in Deutschland entlassen.
Ich könnte dir für solche praxisfernen Theorien der Spitzen-Manager noch mehr Beispiele nennen, aber ich will dich nicht mit einem endlosen Pamphlet ermüden.
Dann hast du noch gefragt, wieso die Menschen sich gefallen lassen sollten, daß ihnen immer mehr Geld abgezogen wird.
Das ist genauso wie mit dem eigentlichen Thema dieses Forums. Warum lassen sich denn so viele Männer immer noch gefallen, daß sie z.B. als Väter kaum Rechte haben? Erst einmal gibt es ja nicht wenige Männer, die nicht betroffen sind oder aus verschiedenen Gründen hoffen, nie betroffen zu sein. Oft wachen erst diejenigen auf, denen schon übel mitgespielt wurde.
Dann gibt es noch diejenigen, die sich das alles schön reden. So schlimm wäre es doch auch wieder nicht, schließlich kann man auch freiwillig mehr Unterhalt zahlen und kriegt sein Kind dann regelmäßig zu sehen...
Usw. Ja, und das ist eben auch bei anderen Themen genauso. Grob betrachtet kann man alle Menschen unterhalb der oberen 10.000 in zwei Gruppen unterteilen:
a) Diejenigen, die jetzt schon nur noch durch Sozialleistungen über die Runden kommen. Die arbeiten dann meist auch nicht, oder zumindest nicht auf Vollzeit. So haben sie immerhin ein bequemes Leben. Zwar bleibt ihnen echter Luxus verwehrt, aber sie haben ihr Auskommen, und weil sie dafür oft nicht viel tun müssen, ist das dann für sie auch okay.
b) Diejenigen, die immer noch jeden Monat mehr oder weniger Geld übrig behalten. Die müssen dafür oft auf Vollzeit arbeiten, schieben teilweise noch Überstunden und haben gar keine Zeit für Protestaktionen. Und sie haben immer mehr oder weniger zu verlieren.
Denn wie kann man seinen Unmut denn effektiv zum Ausdruck bringen? Durch Demonstrationen? Das interessiert keinen. Wenn man damit Aufsehen erregen will, dann muß man mindestens schwere Sachbeschädigungen erzeugen. Damit riskiert man dann aber eine Verurteilung, Verlust des Jobs, eine Gefängnisstrafe...
Oder vielleicht über Wahlen? Die ändern nichts. Auch wenn man nicht wählen geht, interessiert das nicht wirklich jemanden.
Vielleicht Steuer-Boykott? Das wäre eine tolle Idee - wenn die Masse der Bevölkerung mitmachen würde. Aber es wäre schon einmal schwierig umsetzbar. Wie soll man denn z.B. die Zahlung der Lohnsteuer boykottieren? Oder die Zahlung der Mehrwertsteuer? Das ist ja alles gerade so organisiert, daß man sich komplett aus dem System ausklinken müßte, um sich diese Steuern zu ersparen. Wenn man das aber tut, verliert man damit sehr viel.
Ändern wird sich das erst dann, wenn die Mittelschicht soweit ausgedünnt ist, daß sie die Sozialleistungen nicht mehr finanzieren kann. Und wenn man dann zwangsläufig auch bei diesen Sozialleistungen sparen muß.
Dann wird sich der Unmut der Bevölkerung aber nicht gegen die Schuldigen richten, sondern er wird in das totale Chaos münden. Um das zu verhindern, müßte sich JETZT etwas ändern. Je länger das nicht geschieht, umso sicherer ist das Ende im Chaos.
Freundliche Grüße
von Garfield
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Maik1,
26.12.2007, 15:27
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Conny,
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