Was nicht passt wird passend gemacht (^_^)
Tach Nihi
Grundsätzlich habe ich Probleme mit der Sichtweise, ein Kind als
Schadensfall zu betrachten. Ziemlich pervers, allerdings durchaus
aussagekräftig zum moralischen Standard dieser Gesellschaft.
Ich meine mich zu erinnern, daß noch vor wenigen Jahren unsere Justiz das
ganz genauso sah (Du weißt das sicher besser): ein Kind darf nie als
Schadensfall angesehen werden, war damals der Tenor. Lange her.
Das Kind ist auch heute nicht der Schaden. Dieser besteht vielmehr in dem für das Kind zu entrichtenden Unterhalt - den, nebenbei bemerkt, auch du in deiner Sig als "Risiko" betrachtest - sowie in der zerstörten Lebensplanung. Die Frau hatte ausgesagt, überhaupt keine Kinder zu wollen, und ganz bestimmt nicht mit diesem Mann. Ob's glaubwürdig war, kann ich selbst nicht beurteilen, ich war nicht dabei. Das Gericht jedenfalls hat ihr geglaubt.
Und richtig, erzwungene Elternschaft begründet einen
Schadensersatzanspruch. Aber wer hat diese Frau und diesen Mann gezwungen?
Keiner.
Als die Frau ihre Schwangerschaft bemerke, war sie bereits in der 16. Woche. Selbst wenn sie hätte abtreiben wollen, wäre es dafür zu spät gewesen.
Und jetzt will mir jemand erzählen, diese Frau habe niemals nach diesem
Implantat getastet? Sie konnte nicht feststellen, daß es nicht mehr
vorhanden war (es kann den Körper ja nur durch die Haut verlassen haben!)?
Sie konnte nicht bemerken, daß es wirkungslos geworden war (schließlich
gehen mit diesem Mittel massive Veränderungen am weiblichen Zyklus einher,
bei vielen Frauen wird die Blutung ganz eingestellt)? Kommt mir, ehrlich
gesagt, sehr verdächtig vor. Es wundert mich auch, daß es beim Arzt keine
Nachuntersuchung zur Verträglichkeit gegeben haben soll und dabei der
Verlust nicht festgestellt werden konnte.Viele Frauen scheinen gravierende Nebenwirkungen mit diesem Mittel
festzustellen (Akne, Schmierblutungen, Libidoverlust, Gewichtszu- oder
-abnahme). Zwischen hervorragender Verträglichkeit ("Super, DAS Mittel der
Wahl, unvergeßbar, und 3 Jahre keine Mens") und "Absolut unbrauchbar,
gesundheitlich eine Katastrofe" scheint es wenig zu geben. Wie bei der
Pille ja auch (vielleicht sind da die gravierenden Fälle weniger, mag
sein).
Wenn es schwere Nebenwirkungen gab in diesem Fall, wäre es für mich gut
erklärlich, sich das Teil selbst zu entfernen. Ich würde das tun.
Wurde untersucht, ob sich die Frau den Stick womöglich selbst entfernt
hat?Sorry, aber für mich sieht dieser Fall mächtig nach Abzocke aus. Papa hat
kein Geld, Mama wünscht sich ein lebendiges Spielzeug ohne Papa (nur einen
Erzeuger braucht sie) und bei Ärzten ist was zu holen.
Weißt du Nihi, ich teile zwar deine Ansichten in so vielen Punkten nicht, aber ich halte dich nicht für dumm. Warum also begehst du immer wieder den dümmsten Fehler, den man bei der Beurteilung eines Sachverhalts begehen kann? Du bastelst ihn dir zurecht nach dem Motto "was nicht passend ist, wird passend gemacht." Diese Sachverhaltsquetsche, wie man in Juristenkreisen sagt (der Sachverhalt wird der Lösung angepasst statt umgekehrt), führt in Klausuren an der Uni zu null Punkten und in der Praxis zu Prozessniederlagen bzw. Urteilsaufhebungen.
Vielleicht können wir uns auf den Sachverhalt einigen, den das Gericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Und der sieht so aus:
Es steht nach der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme fest, dass dem Beklagten beim Einsetzen des Präparates ein Behandlungsfehler unterlaufen ist.
Zu dieser Frage hat der Senat Beweisbeschluss erlassen und Prof. Dr. G. zum Sachverständigen bestimmt (II 81). Erstattet wurde das Gutachten jedoch von Prof. Dr. Z. Diesen - auf dem fraglichen Gebiet besonders sachkundigen (GA 3) - Fachmann hat der Senat - entsprechend seinem vorherigen schriftlichen Hinweis - in der mündlichen Verhandlung zum Sachverständigen bestellt, so dass das schriftliche Gutachten als gerichtliches Sachverständigengutachten verwertbar ist (BGH NJW 85, 1399; Zöller-Greger, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 404, Rn. 1 a).
Das Gutachten ist überzeugend und nachvollziehbar. Danach kommt als einziger Grund dafür, dass sich das Präparat nicht im Körper der Klägerin befand, ein nicht ordnungsgemäßes Vorgehen des Beklagten in Frage, mit der Folge, dass das wirkstoffhaltige Stäbchen entweder vor der Einlage aus der Einführungskanüle heraus geglitten ist oder aber, dass die Einführungskanüle zwar unter die Haut gebracht wurde, beim Zurückziehen aber das implanonhaltige Stäbchen wieder mit entfernt wurde (GA 3 unten, 4 oben). Ein ungewollter Verlust des Stäbchens ist, wenn es ordnungsgemäß eingebracht wurde, nicht denkbar (GA 5). Diese Aussage des Sachverständigen entspricht auch den Angaben des Herstellers, der das Risiko einer Expulsion mit 0 % angibt (I 37), nur dann, wenn es nicht richtig eingelegt wurde, kann es ausgestoßen werden (Fachinformation, I 43, Mitte, oben).
Dieses Ergebnis entspricht im Übrigen den Erkenntnissen der Gutachterkommission.
Gegen die Aussagen des Gutachtens hat der Beklagte keinerlei Einwände erhoben.
Nur auf Nachfrage des Senats blieb er bei seiner erstinstanzlichen Behauptung, er habe nach dem Einlegen das Stäbchen ertastet. Dies hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung wiederholt, die Klägerin hat bestätigt, dass der Beklagte noch einmal an ihrem Oberarm gefühlt habe. Was er dabei ertastet habe, könne sie nicht sagen. Auf die vom Beklagten gegenbeweislich benannte Sprechstundenhilfe als Zeugin wurde daraufhin verzichtet. Damit steht nur fest, dass der Beklagte getastet, nicht aber, dass er das Präparat auch positiv ertastet hat. Selbst wenn dies aber der Fall gewesen sein sollte, bleibt immer noch die nach dem Sachverständigen einzig denkbare andere Ursache des Verlustes nach nicht ordnungsgemäßem Einbringen des Präparates, was dem Beklagten ebenfalls vorzuwerfen wäre. Nach den Herstellerangaben und den Sachverständigenaussagen muss der Arzt mit der besonderen Technik des Einsetzens vertraut sein, der Hersteller bietet spezielle Trainingsveranstaltungen an, an denen der Beklagte nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung (nicht protokolliert) nicht teilgenommen hat. Nur anlässlich einer Tagung hat er sich - ohne praktische Einweisung - über das Präparat informiert. Eine Fehlimplantation in der geschilderten Form bleibt vor diesem Hintergrund nach Überzeugung des Senats die einzig denkbare Ursache des fehlgeschlagenen Vorganges.
Die erstinstanzliche Behauptung des Beklagten, die Klägerin könne das Präparat ja willentlich oder versehentlich selbst entfernt haben (I 105), hat der Beklagte nicht aufrechterhalten.
Der Beklagte wiederholt in der Berufungsinstanz nicht mehr seine Behauptung, eine andere Patientin habe das Stäbchen beim Badevorgang verloren (I 29, I 111). Diese Behauptung könnte das eindeutige Sachverständigengutachten aber ohnehin nicht in Frage stellen, denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Beklagte auch dieses Präparat nicht ordnungsgemäß eingeführt hat.
Der Behandlungsfehler des Beklagten ist als kausal für die Schwangerschaft anzusehen, wie auch vom Beklagten nicht in Frage gestellt wird. Bei ordnungsgemäßer Einlage gewährt das Präparat eine volle kontrazeptive Sicherheit (GA 3), die Versagerrate wird vom Arbeitskreis Lakon (Langzeitkontrazeption) mit 0 angegeben (II 137). Es kann deshalb kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass bei ordnungsgemäßem Einlegen des Präparats eine Schwangerschaft nicht eingetreten wäre.
(...)
Dahinstehen kann auch, ob der Beklagte die Klägerin auf eine bestehende Unsicherheit des vorliegenden Präparates hingewiesen hat.
Dies folgt schon daraus, dass eine derartige Unsicherheit des Präparates weder bzgl. der kontrazeptiven Wirkung noch bzgl. einer Expulsion vorliegt.
(Auszug aus der Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz, dem OLG Karlsruhe, Az. 13 U 134/04)
Nur, was ist hier passiert? Hier wurde kein Leben vernichtet und auch
keines geschädigt. Das Kind ist gesund. Es ist primär nicht durch
Handeln oder Versäumnisse des Arztes entstanden, sondern durch den Akt des
Poppens der Eltern. Ein Vorgang, der auch mit den besten Verhütungsmitteln
immer zur Entstehung eines Kindes führen kann!
Im entschieden Fall nicht. Hätte der Arzt das Stäbchen fachgerecht eingesetzt, dann wäre die Frau garantiert nicht schwanger geworden.
Übrigens, dass kein Leben vernichtet oder geschädigt wurde, heißt bezüglich Schadenersatz nichts. Sach- und Vermögensschäden sind auch ersatzpflichtig. Oder soll etwa ein Einbrecher, der ein Fenster einschlägt und das Haus dann ausräumt nicht schadenersatzpflichtig sein, weil er den Bewohnern kein Haar gekrümmt hat?
Wenn der Arzt tatsächlich gepfuscht hat, halte ich eine Entschädigung für
angemessen.
Nach dem o.g. Sachverhalt hat er gepfuscht, indem er es unternommen hat, das Stäbchen einzusetzen, obwohl er diesen Eingriff nur thoeretisch kannte und es unterlassen hat, sich die erforderliche praktische Fertigkeit anzutrainieren.
Nicht angemessen ist es jedoch, den Versorgungsanspruch des
Kindes als Schaden zu betrachten und einzufordern!
Ja was denn sonst?
Angenommmen, ich lasse mich für eine Tropenreise gegen Malaria impfen.
Leider versagt das Mittel, ich bekomme trotzdem Malaria und sterbe daran
und falle in meinem Existenzweck als Mann (also Versorgung von
Frauenundkindern) aus. Wer ist verantwortlich? Der Arzt? Der Entwickler
des Medikaments? Oder primär ich, da ich in ein solches Land gereist bin?
Wer ist schadensersatzpflichtig? Muß der Doktor meine Frauen und Kindern
nun lebenslang versorgen?
Unser Fall auf deinen übertragen sähe so aus: du gehst zum Arzt und verlangst eine Malariaimpfung (mal unterstellt es gäbe so was und böte 100%igen Schutz). Der Arzt sagt "wird gemacht" und spritzt dir unachtsamerweise einen Impfstoff gegen Grippe.
Dann wäre er für deine Malaria und deren Folgen in vollem Umfang schadenersatzpflichtig.
Sie haben die Faxen dicke, weil sie hier so schlecht bezahlt werden wie
kaum sonst irgendwo in der zivilisierten Welt. Dazu kommt die teilweise
menschenunwürdige Ausbeutung von Medizinern im Krankenhausbetrieb (wie gut
bist Du eigentlich nach 60h ohne Schlaf mit dem Skalpell? DARÜBER wird
selten geredet, wenn es um Ärztepfusch geht).
Da hast du nicht ganz unrecht, aber ich habe so meine Zweifel, dass es viele Länder gibt, wo das besser ist.
Ich würde dafür plädieren, es mit mehr statt weniger Markt zu versuchen.
In England tut man das Gegenteil mit dem NHS, der noch aus dem Zweiten
Weltkrieg stammt. Ein totales staatliches System also. Ist es
leistungsfähig? Nein, es ist geradezu berüchtigt für seine Ineffizienz.
In den USA bestimmt der Markt auch das Gesundheitswesen. Das bringt
naturgemäß auch Schlimmes mit sich, aber: auf längere Sicht funktioniert
es besser. Ich denke nicht, daß es diskutabel ist, daß die USA eines der
besten und effektivsten Gesundheitssysteme der Welt haben, oder? Herz-OP -
ich fliege in die Staaten usw.
Nicht unbedingt. Das effektivste und bestorganisierte Gesundheitswesen, das ich als Patient kennengelernt habe, ist das in Singapur. Und das ist, ähnlich wie hier, größtenteils staatlich.
Und was das Gesundheitswesen der USA betrifft, so ist das ganz bestimmt vorzüglich - für die wenigen, die sich's leisten können. Aber was wird aus den vielen, die es sich nicht leisten können?
Gesundheit als Ware? Lieber nicht!
Greets
Beelzebub
--
"Ihre Meinung ist widerlich. Aber ich werde, wenn es sein muß, bis zum letzten Atemzug dafür kämpfen, dass Sie sie frei und offen sagen dürfen." (Voltaire)
Ich denke, also bin ich kein Christ. (K. Deschner)
gesamter Thread:
- Arzt muss für Kind einer Patientin Unterhalt zahlen -
Lucius I. Brutus,
15.11.2006, 03:01
- Weiter so - die Ärzte haben hier bald die Faxen dicke ..(nT) - Swen, 15.11.2006, 15:24
- Arzt muss für Kind einer Patientin Unterhalt zahlen -
H.-Norbert,
15.11.2006, 19:54
- Ungewollte Elternschaft ist ein Schaden -
Beelzebub,
15.11.2006, 22:19
- Ketzer! :-) -
Nihilator,
16.11.2006, 01:08
- Was nicht passt wird passend gemacht (^_^) -
Beelzebub,
17.11.2006, 03:04
- Was nicht passt wird passend gemacht (^_^) -
Maesi,
19.11.2006, 12:33
- "Was wäre wenn" ist keine Diskussionsgrundlage - Beelzebub, 20.11.2006, 23:35
- Was nicht passt wird passend gemacht (^_^) -
Maesi,
19.11.2006, 12:33
- Was nicht passt wird passend gemacht (^_^) -
Beelzebub,
17.11.2006, 03:04
- Ketzer! :-) -
Nihilator,
16.11.2006, 01:08
- Ungewollte Elternschaft ist ein Schaden -
Beelzebub,
15.11.2006, 22:19
- Arzt muss für Kind einer Patientin Unterhalt zahlen - Conny, 15.11.2006, 20:13