Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Tutzinger Tagung - Solidarität statt Krieg

Beatrix, Thursday, 04.04.2002, 17:37 (vor 8649 Tagen)

Statt Geschlechterkrieg und gegenseitigem Aufrechnen von Übeltaten kann das neu entstandene Bewußtsein für männliche Opfererfahrungen auch zu einer neuen Solidariät zwischen den Geschlechtern führen.

Diesen Eindruck von der Tutzinger Tagung hatte jedenfalls der Journalist, der den Bericht in den Nürnberger Nachrichten schrieb - und hat dabei das volle Einverständnis der Tagungsleitung, von der ich diesen Bericht als Kopie erhalten und nun abgetippt habe:

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Eine Akademie-Tagung in Heilsbronn beschäftigte sich mit dem Tabu-Thema Gewalterfahrung von Männern

Überschrift: Das starke Geschlecht ist nicht immer Täter

Untertitel: Auf dem Weg zu einer neuen Solidarität - Forderung nach mehr Prävention - Familinmininisterium plant eine Pilotstudie

von Kai Anderson (epd)

HEILSBRONN - der "neue Mann", seit mindestens 30 Jahren ersehnt und heraufbeschworen, ist kein reines Traumbild mehr: Trotz Konzentration auf Karriere, Sportschau und Stammtisch beteiligen sich mehr Väter denn je an Hausarbeit und Kindererziehung. Seminare und Selbsterfahrungsgruppen helfen bei der Entwicklung zum einfühlsamen Partner. Aber wenn es um Gewalt geht, sind im weit verbreiteten Verständnis die Rollen noch klar verteilt: Das "starke Geschlecht" dominiert die Täterseite, die Opfer dagegen sind schwach - und weiblich.

In welchem Umfang auch Männer von Kindesbeinen an gedemütigt oder verprügelt werden oder andere Formen von "Grenzüberschreitungen" erleiden, wie es der Sozialwissenschaftler Hans-Joachim Lenz aus Eckental bei Nürnberg nennt, galt lange als Tabu. Erstmals will das Familienministerium jetzt eine Pilotstudie dazu in Auftrag geben. Die Gewalt kommt von den Vätern, aber auch von Müttern, später von anderen Jugendlichen, die die Ohnmacht der Schwächeren rücksichtslos ausnutzen, von Vorgesetzten, Rivalen, in manchen Fällen sogar von der Partnerin. Immerhin wird beim Kampf gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern seit ein paar Jahren das Augenmerk auch auf die Jungen gerichtet.

"Männer haben in der Vergangenheit alles erforscht, nur nicht sich selbst, geschweige denn die Verletzungen, die dem eigenen Geschlecht zugefügt wurden.", sagte Lenz bei einer Tagung der Evangelischen Akademie Tutzing in Heilsbronn. Und selbst in diesem vertraulichen Rahmen zeigte sich, wie heikel es ist, über "männliche Opfererfahrungen" zu reden, werden sie doch in der Regel verdrängt oder verschwiegen. Kein Wunder, schließlich rühren die belastenden Eindrücke stets an die Identität: Schmerzen klaglos auszuhalten, sich zu behaupten und zu kämpfen, darin bewährt sich Männlichkeit nach einem in Jahrhunderten verfestigten Muster. Nicht der Täter, sondern das Opfer schämt sich.

Die Folgen wie Depressionen, Sucht, Aggressivität, sind bekannt, aber das Ausmaß ist erschreckend: "Rund die Hälfte der Patienten in psychiatrischen Praxen und Kliniken sind Gewaltopfer", so der Berliner Psychotherapeut Michael Dothagen. Seine Forderung nach einem Ausbau der Vorbeugung stieß unter den Teilnehmern der Tagung auf breite Unterstützung. Mehr Prävention würde sich durch Einsparungen bei den Behandlungskosten mehr als bezahlt machen. Hart mit der eigenen Zunft ins Gericht ging der Baseler Psychotherapeut Werner Tschan: "Viele betrachteten Therapie als "magisches Arbeitsmittel", glaubten "dogmatisch an ihre Theorien" und unterließen dabei eine fundierte Diagnose, hielt er seinen Kollegen vor.

Auch die feministische Forschung hat das Schwarz-Weiß-Schema bei der Untersuchung von Gewalt in Beziehungen längst überwunden und erkennt das große Dunkelfeld bei der Erkundung männlicher Opfererfahrungen an. Unerläßlich seien dabei allerdings präzise Unterscheidungen, betonte die Münchner Politologin Monika Schröttle: Wenn Frauen Gewalt erleiden, seien die physischen und psychischen Folgen meist schwerwiegender als bei Männern. Wenn Frauen selbst gewalttätig werden, würden die Formen und Umstände ebenfalls von denen bei männlicher Gewalt deutlich abweichen.

Ein Gegeneinander-Ausspielen hielt sie jedoch ebenso wie die männlichen Referenten für verhängnisvoll: "Das Ernstnehmen von erlittenen Verletzungen von Menschen beiderlei Geschlechts", so der Wunsch von Hans-Joachim Lenz, "könnte der Ausgangspunkt neuer Solidarität zwischen den Geschlechtern werden."

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Ich kann mich dem Wunsch von Herrn Lenz nur anschließen.

ciao
Beatrix


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