Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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einige der wesentlichen Fehler in "Sind Frauen bessere Menschen?"

Arne Hoffmann, Friday, 16.04.2004, 21:54 (vor 7326 Tagen)

Howdy :-)

Das hier ist eine Fortsetzung einer Diskussion aus einem anderen Strang; das letzte Posting darin lautete "Zustimmung" und stammt von Peter.

Arne:

Es gibt auch einige Punkte in meinem Buch, wo ich meine Einschätzung inzwischen geändert habe oder wo ich zumindest sehe, dass die "Gegenseite" ebenfalls überzeugende Argumente hat.

darauf Peter:

Das ist interessant. Könntest du das mal aufzählen? Vielleicht besser nicht in diesem Strang, sondern in einem neuen Strang unter "Sind Frauen bessere Menschen? - Rückblick nach drei Jahren" oder so ähnlich? Da hier ja viele wie ich das Buch gelesen haben und vielleicht auch greifbar haben, könnten wir schon ganz gut diskutieren darüber.

Hier steige ich wieder neu ein:

Für eine wirklich aufwändige Rückblick-Analyse meines Buches fehlt mir im Moment ein bisschen die Zeit. Ich habe auch den Eindruck, dass insbesondere die damals noch etwas gewagteren Thesen meines Buches (Beschneidungen von Jungen, Missbrauch durch Mütter, häusliche Gewalt durch Frauen, Vergewaltigungen von Männern, aber etwa auch Gehirnforschung) in den letzten Jahren durch neue Untersuchungen eher bestätigt wurden. Vermutlich gehen wir die einzelnen Themen sowieso gründlicher durch, wenn sich Emmalein mit dem Buch auseinandersetzt. Deshalb jetzt nur mal aus dem Stand diverse Punkte, bei denen ich etwas skeptischer geworden bin:

- In Kapitel 1 vertrete ich die These, dass Frauen bei der Partnerwahl vor allem auf Finanzkraft Wert legen. Das wird ja auch durch zahlreiche Befragungen gestützt. Andererseits gibt es mittlerweile auch einige überzeugende Untersuchungen, denen Geld zufolge keine so große Rolle spielt. In den INVISIBLE MEN hatte ich mal eine Studie veröffentlicht, derzufolge Großstadtfrauen weit eher auf das Portemonnaie schauen als Frauen in Kleinstädten und auf dem Land. Dazu könnte kommen, dass Frauen in Befragungen und vielleicht auf dem Kontaktanzeigenmarkt tatsächlich auf Finanzkraft Wert legen. Aber was hat das mit Partnerschaften zu tun, wie sie sich im wahren Leben entwickeln? Die entstehen doch weit mehr aus Dingen wie persönlicher Sympathie heraus. (Wobei reichere Kerle es vielleicht eher schaffen, schicker auszusehen etc.).

- Die in dem Kapitel Scheidung aufgeführten Fälle sind so selektiv zusammengestellt, dass der Eindruck entstehen könnte, als würden Frauen dabei GRUNDSÄTZLICH den besseren Schnitt machen, wenn sie nicht gar die Männer bewusst ausbeuten. Das gibt aber für die Gesamtheit der Frauen (!) weder die Statistik noch die Lebenserfahrung her. Hier wäre es vermutlich sinnvoller gewesen, noch etwas mehr auf unglückliche staatliche Mechanismen (Steuerrecht, Unterhaltspflicht bis ins Absurde hinein etc.) einzugehen.

- Was häusliche Gewalt angeht, vertrete ich in meinem Buch die These, dass Männer ähnlich schwer verletzt werden wie Frauen. Sie wird ja auch von seriösen und renommierten Kriminologen wie Professor Bock gestützt, der von einer Gleichverteilung der häuslichen Gewalt auf sämtlichen Eskalationsstufen spricht. Andererseits geht Jürgen Gemünden, auch er ein absoluter Fachmann auf diesem Gebiet, davon aus, dass Frauen doch erkennbar heftigere Verletzungen davontragen. Hier ist vermutlich weitere Forschung vonnöten.

- In dem Pornographie-Kapitel findet stellenweise das statt, was ich manchen Feministinnen selbst vorwerfe, nämlich eine Durchmischung von Pornos und Erotika (wobei hier allerdings eine Abgrenzung sehr schwer zu ziehen ist). Das Kapitel hätte ruhig etwas pornokritischer sein können.

- Wie ich hier im Forum neulich schon einräumte, hat sich meine Befürchtung, die Sexuelle-Belästigungs-Hysterie würde von den USA nach Deutschland schwappen, offensichtlich nicht bzw. nur begrenzt bewahrheitet. Wenn sie sich bewahrheitet hat, dann vor allem in den Köpfen vieler junger Männer, die zuviele feministische Texte gelesen haben und jetzt glauben, jede Berührung würde ihnen von Frauen als Übergriff ausgelegt.

- Organisationen wie "Zartbitter" und "Wildwasser" gegenüber bin ich weit weniger skeptisch eingestellt, seit ich weiß, dass diese inzwischen weibliche Täter und männliche Opfer verstärkt wahrnehmen.

- Maya hat mal recht überzeugend argumentiert, dass die geschätzten 40 Prozent Missbrauchsunterstellungen in Sorgerechtsverfahren deutlich zu hoch gegriffen seien und sich diese Zahlen nicht mit anderen Statistiken decken. Darauf gab es meiner Erinnerung nach zwar eine gleichfalls starke Antwort von Sam, aber insbesondere nach längeren Telefonaten mit Beatrix denke ich, Maya könnte da Recht haben.

- Maya hat mit Sicherheit Recht, wenn sie folgende Sätze kritisiert: "Ein anderer solcher Fall endete noch tragischer, nämlich mit dem Selbstmord des zu Unrecht Beschuldigten. Nachzulesen ist die Geschichte von André Schaller im Internet unter www.andre-schaller.de." Ihre naheliegende Frage war, woher ich mit Sicherheit wüsste, dass Schaller zu Unrecht beschuldigt worden sei, nur weil er seine Schuld offenbar bis zuletzt abstritt. Das war von mir schlampig gearbeitet/formuliert.

- Dass Frauen nicht wegen ihres Geschlechts, sondern wegen bewusster Entscheidungen schlechter als Männer bezahlt werden, ist ja inzwischen erfreulicherweise auch von unserer Frauenministerin bestätigt worden. Allerdings hat vor einigen Monaten das Institut für Wirtschaftsforschung (IWF) eine Untersuchung vorgelegt, der zufolge die Schlechterbezahlung qua Geschlecht sehr wohl der Fall sei. Mich wundert, dass diese Studie in den Frauenforen nicht noch mehr Aufmerksamkeit erhielt, denn das IWF ist ja nun wohl kaum eine feministische Organisation. Hier müsste man mal ein bisschen genauer hinschauen, wie dieses Urteil des IWF zustande kam.

Dinge, die man an dem Buch insgesamt kritisieren könnte:
- Amerikanische und deutsche Verhältnisse werden zum Teil wild zusammengeworfen.
- Die Konzentration des Inhalts auf Schattenseiten von Frauen mag in vielen Lesern durchaus den (falschen) Eindruck eines frauenfeindlichen Untertons erwecken
- Einzelne Passagen, insbesondere das Inhaltsverzeichnis, sind nahezu hysterisierend. Man kann natürlich mit Emmalein argumentieren, dass man manche Dinge provokativ überzeichnen muss, um überhaupt darauf aufmerksam zu machen. Aber eine Kapitelüberschrift wie "Häusliche Gewalt ist weiblich" ist schlicht Unsinn, und eine Überschrift wie "Die Frauenbewegung: faschistoid?" (statt meinetwegen "Faschistoide Auswüchse in der Frauenbewegung") befindet sich nüchtern betrachtet schon an der Grenze zur Idiotie.
- Das Buch bietet keinerlei eigenständige Lösungskonzepte, sondern zitiert lediglich einige Vorschläge aus der von mir verwendeten Literatur.
- Und natürlich ist es viel zu dick. :-)

Das sind so die Schwachstellen, wie ich sie heute sehe. Es gibt bestimmt noch einige, die ich jetzt nicht im Kopf habe. Andererseits sehe ich, wenn ich mein Buch so durchgehe, dass sich der größte Teil seiner Thesen in den Jahren danach eher gefestigt hat, was die Faktenlage angeht. Dass die Anliegen der Männerbewegung inzwischen von immer mehr Frauen, auch Feministinnen, wahrgenommen werden, spricht wohl auch dafür.

Herzlicher Gruß

Arne


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