Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Fahrenheit 68

hquer, Thursday, 14.09.2006, 16:07 (vor 6442 Tagen)

*War an der 68er Bewegung alles Mist?

Nicht der 68er von 1968 ist das Feindbild! Im Kontext seiner Zeit war der 68er schon nachvollziehbar, wahrscheinlich sogar nötig und überfällig.
Dass er aber heute, in einer völlig veränderten Welt, die sich nicht zuletzt, was bspw. den Feminismus anbelangt, auf den Mantras von damals entwickelt hat, wie sie sich nun mal entwickelt hat (das Private ist politisch z.B.), an exakt diesen Mantras festhält, das macht ihn zum Sündenbock. Und dass die 68er, die mit ihrem ?Marsch durch die Institutionen? endlich an den Schlüsselstellen der öffentlichen Meinungsbildung angekommen sind, mit allerlei Kniffen versuchen, die Veröffentlichung von Meinungen, die den ihren zuwiderlaufen, zu verhindern und denjenigen, die diese Meinungen vertreten, sofort als ?empörende Anti-Irgendwas? etikettieren, das macht sie nicht nur zu Sündenböcken, sondern darüber hinaus zu Meinungsdiktatoren.
An dieser Stelle kann ich mir aber eine gewisse Pauschalkritik an den 68ern nicht verkneifen. Zu jener Zeit und in den nachfolgenden Jahren wurde eine männerfeindlich-feministische Ideologie salonfähig, sie breitete sich in bestimmten Bereichen aus, schürte zunehmend Angst und Ablehnung gegenüber Männern, diffamierte, dämonisierte, verspottete das männliche Geschlecht und redete dessen Leistungen klein. Die 68er haben zu alldem geschwiegen; sie hatten nicht den Schneid den Feministinnen in den 'eigenen Reihen' argumentativ entgegenzutreten. Und das hat sich bei denen bis heute kaum geändert. Ausnahmen bestätigen die Regel und denen gebührt auch Respekt; den grossen Rest kann man in dieser Hinsicht nur noch als eierlose Duckmäuser bezeichnen.

*Die Frauenbewegung ist älter als die 68er?

Selbstverständlich ist die Frauenbewegung wesentlich älter als die 68er-Bewegung. Das heisst aber noch lange nicht, dass die heutige Frauenbewegung dieselben Ideale vertritt wie etwa die Suffragettenbewegung von vor 100 Jahren. Was wir aktuell als Gleichstellungspolitik erleben, lässt sich historisch eindeutig auf feministische Ideologien innerhalb der 68er-Bewegung zurückführen, und die heute tonangebenden Berufsgleichsteller waren entweder selbst Teil der 68er-Bewegung oder sehen sich zumindest in der weltanschaulichen Tradition der damaligen feministischen Strömungen. Den Quotierungen und Frauenförderungsplänen haben im wesentlichen alt 68er zugestimmt. Der heutige Feminismus ist originär auf deren Mist gewachsen.
Frauenbevorzugungen hat es gemäss dem Militärhistoriker van Creveld zu allen Zeiten gegeben. Richtig gefährlich wurde es aber erst dann, als diese Bevorzugung auf bewusste Männerverachtung traf. Den Nährboden dazu hat die 68er Bewegung bereitet, indem sie das Bild der guten Frau und des bösen Mannes bis zum Erbrechen perpetuierte.
*Die Ideen der 68er waren nicht revolutionär
Das stimmt. Vieles von dem, was die 68er Bewegung vorgetragen hat, hat sich bereits in der Lebensreformbewegung der Jahrhundertwende angedeutet, wurde aber durch die Nazis dann entweder vereinnahmt oder zerschlagen, und fand erst unter den Bedingungen der 60er Jahre wieder neue Impulse und Wachstumsbedingungen.

*Aber warum konnte sich der Feminismus seuchenartig ausbreiten?

Die 68er Bewegung lehnte den Nationalsozialismus ab und verwarf auch das Führer-Prinzip von vornherein. So nahmen sich die Köpfe dieser Bewegung von Anfang an eine Möglichkeit, ihre Anhänger zu steuern. Die Situation verschlimmerte sich noch dadurch, dass es unter den 68ern offensichtlich keine herausragende, sehr charismatische und redebegabte Persönlichkeit gab, die fähig war, die Menschen in ihrem Sinne zu beeinflussen und zu lenken. Das Ergebnis war ein Chaos, und so konnte sich dann das geistige Mittelmaß durchsetzen..
Der Durchschnittsbürger denkt nicht gern weit, sondern zieht Parolen und Schlagworte vor, die ihm das Denken ersparen. Entsprechend entwickelte sich nun die 68er Bewegung, und es entstanden all die mediokren Gutmenschen, die noch heute fest davon überzeugt sind, mit ihren Parolen und Schlagworten grundsätzlich immer Recht zu haben.
Das bedeutet aber nicht, dass die 68er mit all ihrer Kritik vollkommen daneben lagen. In mancher Hinsicht hatten sie durchaus Recht. Sie sind dann nur in vielem weit über das Ziel hinaus geschossen, in manchen Dingen haben sie wahrhaft Hirnrissiges vollbracht. ?Das Private ist Politisch?. So wurde die Problematik der Umweltverschmutzung richtig als solche erkannt. Anstatt nun konstruktiv auf die Entwicklung neuer, umweltfreundlicher Technologien hinzuarbeiten, wandte man sich oftmals gegen die Technologie, ganz allgemein, stellte sie als Wurzel allen Übels dar und begriff natürlich nicht, dass man durch Aufhalten der technologischen Entwicklung letztendlich doch nur die Konservierung der bestehenden Missstände erreicht. Weil man soweit überhaupt nicht dachte. Dem Durchschnittsbürger sind Wissenschaft und Technologie sowieso fremd und suspekt. Als wird beides abgelehnt.
Die Frauenbewegung kam im Fahrwasser der 68er-Bewegung erst so richtig in Fahrt und entwickelte sich dann ganz genauso. Sie wurde zu einem Teil der 68er-Bewegung und scheint heute, nachdem die Friedensbewegung durch das Ende des Kalten Krieges stark ausgebremst wurde, das erfolgreichste Überbleibsel dieser Bewegung zu sein. Die 68er-Bewegung hat erreicht, dass der Feminismus als politisch korrekt eingestuft wurde. Seitdem fühlen sich unsere Politiker genötigt, bei jeder Gelegenheit noch eins drauf zu setzen. Allmählich wurden aus teils berechtigten Anliegen feministische Wahnvorstellungen.
Die Grünen sind die Partei der 68er. Sie haben es geschafft, sich im Alltagsbewusstsein und den Medien, die dieses erzeugen, festzusetzen und ihr erklärtes Zerstörungswerk durchzuziehen. Es gibt mittlerweile zahllose ?gesunde Zellen?, die dieses Treiben apatisch hinnehmen oder sogar billigen, und sei es nur, damit man sie nicht als ?krebsfeindlich? bezeichnen kann.
Das System im Staat selber ist eigentlich genau zu fassen: die grossmehrheitlich feministisch-sexistisch agierenden Gleichstellungsbürokratinnen sowie sexistische Gesetze (z.B. Wehrpflicht) und Gesetzesauslegungen (z.B. Kind-gehört-zur-Mutter-Ideologie). Die professionellen Gleichstellerinnen sind selbstverständlich nicht die einzigen Schuldigen an der heutigen Misere; durch die von ihnen installierte institutionalisierte Desinformation und dauernd wiederkehrende Männerdiffamierungskampagnen haben sie aber zu einem wesentlichen Teil an der Vergiftung der Geschlechterpolitik beigetragen.

*Unterschied ?Patriarchat? ? ?Feminat?

Der wichtigste Unterschied ist IMHO, dass der moderne Feminismus nie einen ideologischen Gegner hatte; Gegner dieses Feminismus' waren Strukturen aber keine Männerrechtler, denn die gab es vor dreissig Jahren nicht. Die Männerrechtsbewegung ist zu einem wesentlichen Teil Resultat eines ideologischen Schlechtmachens von Männern, welches sich eben tatsächlich (auch) in staatlichen Strukturen festgesetzt hat; man(n) erinnere sich an die massiv sexistischen Begründungen im Rahmen des GewSchG im Bundestag verbunden mit der tendenziösen Darstellung der Realität im Bereich 'Häusliche Gewalt'. Das sogenannte 'Patriarchat' (um einen typisch feministischen Begriff zu benützen) hatte nie den Anspruch auf Gleichberechtigung und Gleichbehandlung der Geschlechter - im Gegenteil! Der Feminismus vertritt diesen Anspruch jedoch sehr wohl. Da aber in der Realität die feministische 'Gleichstellung' keine echte Gleichberechtigung ist (nicht trotz, sondern wegen der vielen feministischen Gleichstellungsfunktionärinnen), handelt es sich hierbei lediglich um eine glatte Propagandalüge. Ist auch logisch. Das biologische Geschlecht wird umso mehr zum bestimmenden Kriterium, je öfter von Gleichbehandlung und Gleichberechtigung die Rede ist. Dieses Denken nahm 68 seinen Anlauf. Niemand käme auf die Idee, Klein- und Grosswüchsige Menschen gleichzustellen. Warum dann Männer und Frauen?

*Der Feminismus ist nicht die Ursache der dekadenten Gesellschaft

Der Feminismus ist nur das Symptomeiner kranken Gesellschaft, die den Wahnsinn zur Massenepidemie und den Irrationalismus zum dominierenden Kulturprinzip erhoben hat.
Beispiel Vaterlosigkeit. Natürlich muss man sich auch an die Väter wenden, die sich der Verantwortung nicht stellen. Im gesellschaftlichen Diskurs wird der abwesende Vater aber mit dem interessenlosen Vater gleichgesetzt; d.h. es wird bei nahezu jedem Vater, der nach einer Scheidung/Trennung keinen regelmässigen Kontakt mehr zu den Kindern pflegt, unterstellt, er täte dies aus Interesselosigkeit. Gerade alleinerziehende Mütter pflegen mit Vorliebe dieses Vorurteil, und die Gesellschaft übernimmt nur allzu gern kritiklos deren Sichtweise. Die wenigen Väterstudien zeichnen aber ein ganz anderes Bild. Leider werden diese Studien gesellschaftlich bislang kaum zur Kenntnis genommen. Basierend auf diesen Studien erachte ich die Väter, die sich vor ihrer Verantwortung wirklich drücken wollen, als ein relativ geringes Problem ? obwohl es sie zweifellos gibt.
Anderes Beispiel wäre die unterschiedliche Behandlung von rechter und linker Gewalt. Jedem halbweg vernünftigen Menschen muss klar sein, dass es keine Hierarchie des Bösen geben kann. Vielfach wird heute rechts und rechtsextrem bereits gleichgesetzt, so als ob rechts per definitionem verwerfenswert wäre. Links wird dagegen als progressiv, gut und erstrebenswert eingestuft. Diese Schere im Kopf geht wesentlich auf die 68er zurück.

*Maskulismus ist reaktionär

Selbst wenn man annimmt, dass es eine patriarchale Herrschaft gegeben hat, steht der Maskulismus nicht notwendigerweise für eine Wiederherstellung derselben. Konsequenterweise müssten dann die Maskulisten für die Nur-Männer-Wehrpflicht sein und die Feministen dagegen. Vor allem das erstere ist bekanntlich nicht der Fall.

*der Kapitalismus ist eine brutale wirtschaftliche Angelegenheit

Der Kapitalismus hatte durchaus auch eine soziale und erst recht eine politische Dimension. Der Kapitalismus hatte tatsächlich die Intention alte Handelshemmnisse zu beseitigen (z.B. Zölle, viele verschiedene Währungen und unterschiedliche Masseinheiten); Diese Absicht hat er übrigens auch heute noch (oder wieder). Man kann das im politischen Bereich auch Liberalismus nennen, das ändert nichts daran, dass der Kapitalismus die dazugehörige Wirtschaftsform war und ist. Der Konservativismus bevorzugt wirtschaftlichen Protektionismus, aber auch die linke Bewegung frönt einem selektiven Protektionismus (beispielsweise, um sich gegen ausländisches Lohndumping zu wehren).

*Der Feminismus will das Geschlechtliche unbedeutend machen. Das Geschlecht soll so unbedeutend sein wie die Haarfarbe.

Die Frage ist: Wer hat überhaupt dezidiert die Zugehörigkeit zum Geschlecht zur politisch entscheidenden Maxime erhoben?
Antwort: der Feminismus!
*klingeling* Der Kandidat hat hundert Punkte gewonnen.
Es sind gerade Gleichstellungsbürokratinnen, die beispielsweise Geschlechterquoten einrichten wollen oder es teilweise bereits getan haben und so das biologische Geschlecht zum relevanten Qualifikationsmerkmal beispielsweise für die Besetzung Arbeits- oder für Frauen reservierte Ausbildungsstellen erheben. GenderMainstreaming ist nicht weiteres als die konsequente Fortsetzung der einseitigen Frauenförderungspolitik.

*Sind Männer mächtig und Frauen machtlos?

Das Machtgefälle zwischen Männern und Frauen wird nicht angezweifelt, darf es offensichtlich nicht werden. Das männlich/weibliche Machtgefälle wird als nicht zu hinterfragendes Axiom akzeptiert und daraus Frauendiskriminierungen abgeleitet. Was ist dann aber mit den vorhandenen Männerdiskriminierungen (z.B. Wehrpflicht) bzw. den von Van Creveld aufgezählten Frauenbevorzugungen? Diskriminieren sich Männer selber? Weshalb schanzen sie Frauen Privilegien zu, die sie sich selber versagen? Stimmt denn überhaupt die These vom mächtigen Mann und der ohnmächtigen Frau? Oder gar vom unterdrückenden Mann und der unterdrückten Frau? Spannend, diese Fragen. Bloss schade, dass der Feminismus sich bisher kaum bemüssigt fühlte, das ehrlich zu beantworten.
Die Rede- und Denkverbote der 68er wirken hier extrem blockierend.
Hier könnte man tatsächlich genauer analysieren, wie die Machtverteilung wirklich war und ist. Man müsste allerdings zur Kenntnis nehmen, dass es nicht bloss Männer und Frauen gibt, sondern auch Herrscher und Beherrschte, Reiche und Arme, Menschen in hohen und niederen sozialen Positionen usw. usf. Man würde feststellen, dass die Macht nicht nur nach dem simplen Schema der Feministinnen (männlich/weiblich) verteilt war und ist, sondern weit komplexeren Gesetzen gehorcht. Für den Durchschnittsbürger ist es zu komplex. Deshalb setzt er Mann = mächtig und Frau = machtlos gleich.

*Die Frau hatte unter dem sog. Patriarchat keine Rechte

Dass der Feminismus sich selbst als (linke) politische Bewegung versteht, hat niemand hier bestritten. Ebensowenig, dass er gezielt politisierend (wohl meist eher gezielt diffamierend) vorgeht oder das bestehende Herrschaftssystem zu verändern (oder von mir aus zu destabilisieren) versucht. Dass das Private als politisch verstanden wird, ist ebenfalls offensichtlich. Dass die Frau im Privaten keine Rechte gehabt hätte unter dem sogenannten 'Patriarchat' ist aber schlichtweg falsch. Es bestanden vielmehr je nach Geschlecht getrennt (teilweise) unterschiedliche Rechte und Pflichten. Der Feminismus leugnet männliche Pflichten und weibliche Rechte und macht sich deshalb der Geschichtsklitterung schuldig.
Desweiteren ist gerade das vom Feminismus als politisch erklärte Private problematisch. Ein wesentliches Kennzeichen aller totalitären Ideologien ist, dass der Mensch in seinem gesamten Wesen erfasst wird; jegliche Privatsphäre wird abgelehnt, weil im Schutze dieser ideologiewidriges Verhalten vermutet wird. Um solches Verhalten aufzudecken, wird die Polizei mit weitreichenden Vollmachten ausgestattet und der dem Prinzip der Menschenrechte verbundene Rechtsstaat ausgehebelt zugunsten einer staatlichen Willkür. Der Feminismus zeigt hier eine von mehreren totalitären Facetten. Immerhin machen die Feministinnen das nicht ungeschickt: sie setzen Privatheit und Rechtsfreiheit gleich. Dem aufmerksamen Leser ist jedoch sehr wohl klar, dass es sich bei diesen beiden Begriffen nicht um dasselbe handelt und deshalb die feministische (Un-)Logik bereits hier scheitern muss. Gesetze gelten selbstverständlich auch im privaten Raum, es handelt sich somit eben nicht um einen rechtsfreien Raum.
Eines der wichtigsten feminismuspolitischen Zugpferde ist die 'Vergewaltigung in der Ehe' bzw. die weniger drastische Form 'sexuelle Belästigung in der Ehe'. Die traditionelle Ehe hatte zweifellos den Zweck, Nachwuchs in die Welt zu setzen und diesen grosszuziehen. Aus diesem Grund sahen die Richter auch keinen Grund, den Tatbestand der Vergewaltigung in der Ehe anzuerkennen, da ja nach damaliger Interpretation das prinzipielle Einverständnis zum GV mit dem Jawort bei der Eheschliessung implizit gegeben worden war - und zwar von beiden Ehegatten. Deweiteren wäre eine schlüssige Beweisführung normalerweise ohnehin selten zustande gekommen, da unabhängige Zeugen oder stichfeste Indizien meistens fehlten. Das Verankern des 'Vergewaltigungsverbotes in der Ehe' im Gesetz wurde als feministischer Sieg gefeiert, ist aber im Grunde genommen ein Papiertiger, denn die Zeugen und Indizien fehlen meistens noch immer.
Deshalb wird einerseits mit gewaltigem Propagandaaufwand suggeriert, Vergewaltigung in der Ehe sei ein häufig anzutreffender Tatbestand; leider fehlen bisher jegliche Belege dafür. Andererseits wird angestrebt, die Beweisführung für die Klägerin (die Staatsanwaltschaft) in diesem Bereich zu 'erleichtern', was de facto auf eine mehr oder weniger starke Aushebelung des Rechtsstaats hinausläuft, der einen fairen Prozess garantieren soll. Und genau hier stösst der Feminismus (auch der gemässigte) auf rechtsstaatlich und menschenrechtlich äusserst fragwürdiges Territorium vor. Im Fall des Gewaltschutzgesetzes befinden wir uns zweifellos in einem solchen.
Noch etwas zum Gegensatz Konservative - Progressive. Früher war das Modernisierungstempo tief. Neue Ideen sickerten langsam ein, mussten sich bewähren, um sich durchzusetzen. Konservativismus und Progressivismus befanden sich in einem gewissen Gleichgewicht, wirkten gegenseitig wie ein Sieb, welches die Ideen des jeweils anderen immer wieder auf Zweckmässigkeit hin durchsiebten. Es gab Modernisierungsschübe, gefolgt von Konsolidierung und zunehmender Erstarrung, die wiederum aufgebrochen wurde usw.
Heute ist das Modernisierungstempo sehr hoch. Der Mensch selber kann geistig kaum mehr Schritt halten, kann die rasante Entwicklung kaum mehr verarbeiten. Konservativismus und Progressivismus verlieren deshalb zunehmend ihre festen Positionen. Ist die Globalisierung beispielsweise konservativ oder ist sie progressiv, und was sind im Gegensatz dazu die Globalisierungsgegner?
Ähnliches gilt auch für den Feminismus. Ist der nun konservativ (da bereits schon wieder überholt) oder nicht? Inwieweit vertritt der Feminismus überhaupt die Frauen? Immerhin sind offensichtlich viele Frauen, was Kinder angeht, sehr wertkonservativ; sie verlangen nach einer Versorgung, so wie sie das schon im sogenannten 'Patriarchat' beanspruchten und auch erhielten. Die Powerfrau, die Karriere macht und nebenbei noch Kinder grosszieht, ist die absolute Ausnahmeerscheinung. Neu ist lediglich, dass Frauen unter mehreren Modellen auswählen können; und falls die Karrierepläne scheitern, kann frau es immer noch mit Kindern versuchen. Männern sind Alternativen zu seinem Beruf nach wie vor verwehrt, und Frauen zeigen auch wenig Neigung, männliche Ambitionen in Richtung Familienarbeit zuzulassen. Vom Feminismus erntet der Mann ohnehin nur Vorwürfe, dass er sich zuwenig um allfällige Kinder kümmert. Der Feminismus beleuchtet die Machtverhältnisse in den Familien nur soweit, als diese seiner Ideologie entsprechen. Das Private, das der Feminismus als angeblich so hochpolitisch anschaut, wird verzerrt wiedergegeben, da wesentliche Fakten aus ideologischen Gründen ausgeklammert werden; wohl wissend, dass die Frauen den Feminismus ganz schnell fallenlassen würden, wenn die familiäre Machtpositionen von Frauen (insbesondere in ihrer Rolle als Mütter) genauer analysiert und entsprechende politische Forderungen daraus abgeleitet würden.

*Die 68er als Heilsbringer
Die alt 68er haben zu Recht den braunen Totalitarismus bekämpft. Dummerweise haben sie sich selbst dabei so sehr als die ?Guten?, als die ?moralisch Besseren? erlebt, dass ihnen jegliche Selbstkritik für alle Zeiten abhanden gekommen zu sein scheint.
Anno 1968 wurde die Beseitigung obsoleter Konventionen gefordert und teilweise auch erreicht. Heute errichten dieselben Personen wieder neue Konventionen; diesmal allerdings sogar in Gesetzesform, d.h. bei Zuwiderhandlung wird man nicht mehr bloss gesellschaftlich geächtet sondern von der Staatsmacht verfolgt. Die damalige Freiheitsbewegung hat sich inzwischen in eine ängstliche, kleinmütige Spiesserbewegung verwandelt, die überall Gefahren und Risiken sieht und diese mittels immer mehr Gesetzen zu minimieren sucht. Die Freiheit bleibt zunehmend wieder auf der Strecke, während eine immer mehr auf die Spitze getriebene Versicherungsdenke inzwischen ziemlich seltsame Blüten treibt.

Man wird die verwirrenden, z.T. sehr widersprüchlichen Phänomene niemals begreifen, wenn man den Zeitgeist nicht durchschaut und versteht, der ihnen allen gemeinsam zugrunde liegt. Den Zeitgeist zu durchschauen aber ist sehr, sehr schwer, denn er hat ja jeden von uns auf mannigfaltige Weise imprägniert. Keine Generation zuvor war je so sehr ?Produkt des herrschenden Zeitgeistes?. Das ist extrem problematisch. Der Zeitgeist bestimmt auf allerlei indirekten Wegen all die persönlichen Strukturen unseres Denkens, Erlebens, Erkennens, die aber nun mal nötig sind, um ihn überhaupt zu durchschauen: ein typischer circulus vitiosus. So entsteht eine spezifische seelische Blindheit für die Zusammenhänge der eigenen Lage, in der gewissermassen der grüne Wald vor lauter dichtbewachsenen Bäumen nicht mehr erkennbar ist. Es gibt daher keinen anderen Weg, als den Mythos selbst in seiner Tiefe zu knacken. Und dieser Mythos lautet in seiner heutigen Form nun mal 68 inklusive der z.T. komplizierten Zerfallsprodukte.

*Warum aber ist dieser Zeitgeist besonders hartnäckig?

Weil er erstens über alle Medien daherkommt, zweitens die Menschen in der hektischen pluralistischen Welt sich auf ihre eigenen Sorgen konzentrieren (müssen), drittens die Herrschenden ein Interesse daran haben, dass die Beherrschten sich gegenseitig beharken (anderes gesagt dass die Mediokrität regiert) und viertens die Denk- und Redeverbote im Zuge der political correctness.


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