Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Ein Denkmal für die Opfer ?

susu, Tuesday, 29.08.2006, 12:52 (vor 7040 Tagen) @ Scipio Africanus

Es wurde hier schon dargelegt, dass männliche Homosexualität zur Zeit des
Nationalsozialismus in Deutschland die Deportation in ein KZ zur Folge
haben konnte. Schwule Männer wurden von den Nationalsozialisten verfolgt -
Homosexualität als solche war verboten. Das Verbot bezog sich nur auf
männliche Homosexualität. Weibliche Homosexualität existierte in der
juristischen Wahrnehmung nicht, wurde somit nicht als Straftatbestand
aufgefasst.

Da es keine lesbischen Opfer als solche gab, ist der Entwurf für das
Mahnmal entsprechend ausgefallen : Es werden männliche Homosexuelle
dargestellt. Eigentlich naheliegend, doch der Protest liess nicht lange
auf sich warten. Ein besonders kurioses Beispiel weiblichen Anspruchs auf
Opferstatus kann im nachfolgendem link nachgelesen werden.

Das ist so pauschal falsch, da es in Östereich eine Gesetzliche Verfolgung gab, wobei diese nicht mit der gleichen Konsequenz durchgeführt wurde, wie die der Schwulen, aber nach den bekannten Zahlen waren 5-10% der in Östereich deportierten Homosexuellen Frauen. Eine der Interessantesten Quellen dazu, wie mit dem Thema in Deutschland umgegangen wurde, ist ein Tagebucheintrag von Goebbels, vom 4.3.1944:
"Ich trage dem Führer den Fall Serda vor. Ein gewisses Fräulein Serda
verführt den jungen Filmnachwuchs zu lesbischer Liebe. Der Führer hat
aber keine rechte Lust, in diese Sache einzugreifen. Er ist der Meinung,
daß die lesbische Liebe mit der <männlichen> Homosexualität überhaupt
nicht verglichen werden könne. Bei Frauen seien die Grenzen zwischen
Liebe und Freundschaft nicht so eng gezogen wie bei Männern, und im
übrigen sei die lesbische Liebe im Kriege zum Teil auf den Mangel an Männern
zurückzuführen. Wir hätten Hunderttausende von Frauen überschüssig,
und deshalb dürfe man in dieser Frage nicht allzu scharf vorgehen."

Dies mit dem Verweiß auf den Artikel "Im Schatten der Verfolgung", aus dem Bericht zum Kolloquium (pdf) des Wettbewerbs, von Claudia Schoppmann. Sie schließt:

"Die wenigen bislang bekannten Fälle sind zu spärlich, um Allgemeingültiges
über das Schicksal lesbischer Frauen im KZ festzustellen. Auch ist es
unmöglich, ihre Zahl auch nur annähernd zu schätzen. Fest steht lediglich,
dass es keine systematische Verfolgung lesbischer Frauen gegeben hat,
die mit der homosexueller Männer vergleichbar ist."

Der Fall Wiederhöft und Treike, der im EMMA-Aufruf erwähnt wird, wird auch in diesem Artikel beschrieben, aber eben ohne die Erklärung, daß er eine Ausnahme darstellt und kein allgemeines Phänomen. Verfolgung von Lesben in Nazideutschland ist nur in Einzelfällen bekannt.

Beim Quellendurchsuchen fand ich noch eine Perle des Deutschen Parlamentarismus, Vera Lengsfeld (CDU) begründet ihre Ablehung eines Mahnmals:

"- Ich möchte Ihnen in allem Ernst zu bedenken geben, dass in der Jugendszene das Wort Opfer heute das Wort ist, das denjenigen, den es treffen soll, am meisten beleidigt. Das sollte uns wirklich zum Nachdenken anregen.

(Eckhardt Barthel [Berlin] [SPD]: Das verstehe ich nicht!)

- Das verstehen Sie nicht?

(Dr. Uwe Küster [SPD]: Das ist zu intellektuell! Sagen Sie das einmal klarer!)

- Dann fragen Sie einmal die Jugendlichen bzw. Ihre Söhne und Töchter - Sie haben wahrscheinlich keine -, warum das so ist.

(Dr. Uwe Küster [SPD]: Sie sind so was von klug, Frau Lengsfeld! Erst lesen, dann reden!)

- Das ist nicht zu philosophisch; bei den Jugendlichen schon gar nicht. Es ist eine elementare Reaktion auf eine verfehlte Volkspädagogik oder Sozialpädagogik. Das sollte man wirklich ernst nehmen."

Ja, ja, alle sind jetzt Aggro in Berlin...

susu


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