Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Wird jede Diskussion um den Zwangsdienst Wehrpflicht im Keim erstickt?

Lude, Tuesday, 06.01.2009, 22:56 (vor 6195 Tagen) @ Goofos

Der Meinung, dass die Diskussion um Wehrdienst/Zivildienst klein gehalten
wird, schließe ich mich an. Das Ergebnis ziehe ich auch aus einem
Entschließungsantrag
von den Grünen and den Bundestag
über den ich letztens gestolpert
bin. Blöderweise kann ich daraus keinen Text kopieren, deswegen muss man da
selber reinschauen weil da schon einige Sätze dabei sind, bei denen man
sich fragen darf wieso überhaupt noch
ein Wehr-/Zivildienst existiert?

Hier ist der Antrag

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Deutscher Bundestag........Drucksache 16/11069
16. Wahlperiode............25.11.2008

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Alexander Bonde, Anna Lührmann, Omid Nouripour, Kai Gehring, Winfried Nachtwei, Kerstin Andreae, Priska Hinz, Markus Kurth, Christine Scheel und der Fraktion der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 16/9900, 16/9902, 16/10416, 16/10423, 16/10424, 16/10425 -

Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2009 (Haushaltsgesetz 2009)

hier: Einzelplan 17
Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Die Wehrpflicht ist ein nicht länger zu rechtfertigender Eingriff in die Grundrechte, Ausbildungs- und Berufsbiographien sowie die Lebensplanung junger Männer. So lange es die Wehrpflicht noch gibt, gilt es darauf zu achten, dass die Belastungen so gering wie möglich sind. Dem Wesen der allgemeinen Wehrpflicht entspricht es, dass sie in der Regel durch den Grundwehrdienst erfüllt wird. Sie darf nicht zu einer sozialen Dienstpflicht für Kriegsdienstverweigerer umfunktioniert werden. Längst kann nur noch ein Bruchteil der Wehrpflichtigen Grundwehrdienst leisten. Viele Wehrpflichtige verweigern einen Dienst an der Waffe, zu dem die Mehrheit in der Realität überhaupt nicht herangezogen werden kann. Der Zivildienst ist ein aus Gleichheits- und Gerechtigkeitserwägungen heraus an Stelle des Wehrdienstes abzuleistender Ersatzdienst für Wehrpflichtige. Er ist nicht Ersatz für einen potentiell zu leistenden, sondern Ersatz für einen tatsächlich zu leistenden Wehrdienst. Das ist längst nicht mehr gewährleistet: Wer einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung stellt, wird zum Dienstantritt aufgefordert und mit größter Sicherheit zum Zivildienst einberufen. Demgegenüber werden alljährlich zehntausende grundsätzlich wehrdienstfähige Männer mangels Bedarf nicht einberufen. Damit hat die allgemeine Wehrpflicht den Charakter einer allgemeinen Dienstpflicht für Kriegsdienstverweigerer. Es ist aber keinesfalls hinnehmbar, dass Kriegsdienstverweigerer einen Nachteil erleiden, weil sie vor der tatsächlichen Einberufung zum Wehrdienst bekannt geben, ihr Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung in Anspruch zu nehmen.

2. Im Bundeshaushalt sind hierfür deutlich mehr Zivil- als Wehrdienstplätze vorgesehen. Heute leisten deshalb ca. 15 Prozent der Wehrpflichtigen eines Geburtsjahrgangs Zivildienst und nur ca. 10 Prozent Wehrdienst. Laut Haushaltsentwurf sollen über 30 000 Zivildienstleistende mehr einberufen werden als Wehrdienstleistende. Um diese eklatante Ungleichbehandlung von Kriegsdienstverweigerern zu beseitigen und den Charakter der Wehrpflicht als militärischer und nicht sozialer Dienstpflicht hervorzuheben, dürfen die Einberufungen zum Zivildienst die Einberufungen zum Wehrdienst keinesfalls übersteigen. Die entsprechenden Haushaltsansätze der Bundesregierung im Einzelplan 17 für den Zivildienst sind daher entsprechend abzusenken.

3. Von einer "Allgemeinen Wehrpflicht" kann in Deutschland keine Rede mehr sein: Die veränderte Bedrohungslage, die neuen Aufgaben und die damit einhergehende Transformation der Bundeswehr haben dazu geführt, dass zur Zeit nur etwa 10 Prozent der Wehrpflichtigen eines Geburtsjahrgangs zum Grundwehrdienst einberufen werden. Der Wehrdienst ist damit nicht mehr die Regel, sondern die Ausnahme. Die Einführung neuer Tauglichkeits- und Freistellungskriterien, hat dafür gesorgt, dass über 75 Prozent der jungen Männer vom Wehr- und Zivildienst am Ende keinerlei Dienst leisten. Allerdings haben alle Wehrpflichtigen in einer wichtigen Phase ihres Lebens oft über Jahre hinweg keine Planungssicherheit oder Gewissheit, ob sie einberufen werden, eine Ausbildung oder ein Studium anfangen können bzw. ob sie ins Ausland reisen können oder nicht. Die Einschränkungen ihrer Grund- und Freiheitsrechte- auch im Vergleich zu Gleichaltrigen aus vielen anderen EU-Staaten- sind real und keinesfalls hinnehmbar. Für die Minderheit der jungen Männer, die die Pflichtdienste noch zwangsweise erfüllen müssen, wird das Gleichheitsgebot dadurch noch stärker verletzt. Die Wehrpflicht ist bei weitem nicht mehr eine gleich belastende Pflicht und damit auch verfassungsrechtlich nicht mehr haltbar. Wehrgerechtigkeit ist nicht mehr gegeben und auch auf absehbare Zeit nicht herstellbar. Deshalb muss der Ausstieg aus der Wehrpflicht vorangetrieben werden.

4. Jugendliche sind die Generation mit der größten Bereitschaft zu freiwilligem Engagement. Sie haben ein großes Interesse, im Rahmen eines Freiwilligendienstes berufliche und soziale Lernerfahrungen im In- oder Ausland zu sammeln. Um die aktive Bürgergesellschaft weiter zu stärken und mehr Menschen zu motivieren, sich gesellschaftlich zu engagieren, müssen bewährte Formen wie die bestehenden Jugendfreiwilligendienste in ihrem Profil geschärft und deutlich ausgebaut werden. Auf einen Freiwilligendienstplatz kommen zwischen drei und vier Bewerberinnen und Bewerber. Freiwilligendienste sind für die Gesellschaft und für die Freiwilligen von sehr großem Wert. Das Interesse kann durch das bisherige Unterstützungsangebot noch nicht hinreichend befriedigt werden. Die finanziellen Einsparungen die durch die Herabsetzung der Zivildienstplätze im Bundeshaushalt erzielt werden, sollen deshalb vor allem zur Förderung der Jugendfreiwilligendienste eingesetzt werden. Ziel muss es sein, die angebotenen Freiwilligendienstplätze mehr als zu verdoppeln und die Benachteiligungen für Wehrpflichtige aufzuheben. Diese teilweise Umwandlung von Zivildienstplätzen in Angebote der Jugendfreiwilligendienste ist ein wichtiger Schritt in dem Prozess zum Ausstieg aus der Wehrpflicht.

5. Die Zukunft der Jugendfreiwilligendienste liegt in der Fortführung der Freiwilligkeit, im quantitativen Ausbau und einer qualitativen Weiterentwicklung. Hierzu gehört vor allem eine noch konsequentere Ausrichtung der Freiwilligendienste an Orientierung, Bildung und Qualifizierung. Die verschiedenen Programmzweige und Modellprojekte benötigen eine kohärente Gesamtkonzeption und -Strategie. Diese Gesamtkonzeption muss die sozialen, ökologischen, kulturellen, generationenübergreifenden und entwicklungspolitischen Dimensionen genauso umfassen wie die Angebote in Europa, im außereuropäischen Ausland sowie die ungeregelten Dienste. Freiwilligendienste müssen allen Jugendlichen gleichermaßen offen stehen. Daher ist ein stärkeres Augenmerk auf bislang unterrepräsentierte und benachteiligte Jugendliche zu richten Um das hohe gesellschaftliche Potenzial von Freiwilligendiensten auszuschöpfen, ist zudem eine Reform der bisherigen Finanzierungsstruktur erforderlich.

6. Verteidigungsminister Jung hat für das Haushaltsjahr 2009 erneut angeordnet bis zu 6.700 Grundwehrdienstleistende mehr einzuberufen als funktional in der Bundeswehrplanung für erforderlich gehalten wurde. Statt wie geplant 30.000 sollen im Jahresdurchschnitt 35.000 Grundwehrdienstleistende in der Bundeswehr ihren neunmonatigen Grundwehrdienst leisten. Angesichts von Einberufungsjahrgängen von 350.000 bis 450.000 Wehrpflichtigen ändert die Einberufung von 6.700 Grundwehrdienstleistenden nichts an der Unmöglichkeit, die allge-
meine Wehrpflicht heute noch gerecht zu gestalten. Demgegenüber stellt die funktional nicht begründete Einberufung eine Belastung für die Truppe, insbesondere die Zeit- und Berufssoldaten dar. Sie bindet Personal und Ressourcen, die an anderer Stelle fehlen. Die Wehrpflicht behindert damit den Aufbau von modernen Streitkräften in einer freiheitlichen Demokratie. Mit einem attraktiven freiwilligen Kurzdienst, der Frauen und Männern offensteht und der die Möglichkeiten verbessert, das Binnenleben der Bundeswehr und die Bundeswehr als Arbeitgeber kennen zu lernen, könnte der Ausstieg aus der Wehrpflicht zum Abschluss gebracht werden

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die Benachteiligung von Wehrdienstverweigerern bei der Einberufungspraxis unverzüglich zu beenden,

2. nicht mehr Kriegsdienstverweigerer zum Zivildienst einzuberufen als Wehrdienstpflichtige zum Wehrdienst,

3. die dadurch im Einzelplan 17 eingesparten Mittel vorrangig für den Ausbau der Jugendfreiwilligendienste im In- und Ausland einzusetzen, um die angebotenen Freiwilligendienstplätze in den kommenden Jahren zu verdoppeln,

4. allen Wehrpflichtigen eine ersatzdienstfähige Freiwilligendienstoption im In- und Ausland zu ermöglichen und die Benachteiligungen gegenüber Nicht-Wehrpflichtigen zu beenden,

5. auf die außerplanmäßige Einberufung von bis zu 6.700 Grundwehrdienstleistenden zu verzichten,

6. in der Bundeswehr einen attraktiven freiwilligen Kurzdienst für Frauen und Männer einzuführen,

7. eine kohärente Gesamtkonzeption für die verschiedenen Freiwilligendienste zu entwickeln,

8. den Ausstieg aus der Wehrpflicht und die Konversion des Zivildienstes voranzutreiben.

Berlin den 25. November 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion
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