Radio-Tip: Sonntag 05.10.2008 „Kind, du bist uns anvertraut“
Hallo Poeoehser Frauenfeind
Natuerlich hat die Wirtschaft gewisse Interessen. Das wichtigste
wirtschaftliche Interesse eines Wirtschaftsunternehmens ist voellig
unideologisch der Gewinn.
Du willst doch nicht etwa ernsthaft behaupten, dass der Kapitalismus,
insbesondere die neoliberale Strömung als ausgeprägte Form derselben, keine
Ideologie sei ?Kurz einige Worte zum Begriff Ideologie. Der Begriff Ideologie, wertfrei
verwendet, bezeichnet ein System von Ideen und Konzepten, welche für sich
in Anspruch nimmt, Antworten auf grundlegende gesellschaftliche Fragen zu
geben oder zumindest den Lösungsweg aufzuzeigen. Ideologie kann so als
Deutungsraster oder Deutungsrahmen verstanden werden, in welchem sich der
Ideologe orientiert. Ist dieses Deutungsraster starr und unflexibel, d.h
nicht anpassungsfähig, dann wird der Begriff "Ideologe" in pejorativem Sinn
verwendet, also im Sinne von engstirnig und borniert.
Naja, soweit man materielles Profitstreben als Ideologie bezeichnen kann, waere der Gewinn das Resultat eines ideologisch motivierten Profitstrebens. Inwieweit aber die Reduktion auf eine einzige Idee (naemlich die Gewinnmaximierung) als System von Ideen und Konzepten durchgeht, ist wohl eine Definitionsfrage.
Du beschreibst die " freie Marktwirtschaft" gerade so wie ein Biologe das
darwinistische Prinzip, als ein Prinzip, das naturgegeben sei. Deshalb auch
dein Widerwille, marktwirtschaftliche Mechanismen als Teil einer Ideologie
zu deuten.Selbstverständlich ist der Glaube an die "freie Marktwirtschaft" und die
darin zu unserem Wohle wirkenden "unsichtbaren Hände" eine Ideologie. Es
fragt sich nur, ob dieser naive Glaube nicht viel eher eine Esoterik mit
reichlich geringem Realitätsbezug darstellt. Der gegenwärtige beinahe -
Kollaps des Finanzsystems und die gigantische Zwangsumverteilung, um hier
mal bei deinen Begrifflichkeiten zu bleiben, von staatlichen Geldern, die
letztendlich natürlich Steuergelder sind, zugunsten unverantwortlicher
Ideologen des freien Marktes zeigt, dass mehr Vernunft und weniger Esoterik
angesagt ist.
Freie Marktwirtschaft ist nichts anderes als das, was sich ergibt, wenn man Waren und Dienstleistungen frei zirkulieren laesst. So aehnlich wie sich ein elektrischer Strom ergibt, wenn Du zwei verschieden starke elektrische Ladungen mit einem Leiter verbindest. Fuer den Freien Markt wie fuer den Ladungsausgleich zwischen verschieden starken, miteinander verbundenen elektrischen Ladungen kann man ein Modell erfinden, welches den jeweiligen Vorgang beschreibt. Das von Menschen erdachte Modell ist die Ideologie, das tatsaechliche Ereignis jedoch ist die Natur.
Die ausufernde Oekonomisierung in den Familien findet nur deshalb
statt,
weil es die Eltern in den Familien mehrheitlich zulassen, wobei der
Staat
das durch seine Zwangsumverteilungspolitik allerdings kraeftig
foerdert.
Die Umverteilung ist absolut notwendig. Über das wieviel und wohin kann
und muss diskutiert werden. Maesi, du vergisst, dass der von dir so
gehasste Sozialismus eine Reaktion auf das Totalversagen eines
völlig deregulierten Kapitalismus war.
Jeder Gueter- und Dienstleistungsaustausch stellt eine Umverteilung dar. Insofern ist Dein Einwand, Umverteilung sei notwendig, zwar wahr aber auch reichlich trivial; denn wenn keinerlei Umverteilung notwendig waere, gaebe es im Freien Markt auch keinen Gueter- und Dienstleistungsaustausch. Es geht mir aber nicht um die Umverteilung an sich sondern um die Sonderform der Zwangsumverteilung. Der Sozialismus befuerwortet die Zwangsumverteilung aus ideologischen Gruenden, sieht sie sogar als zentrales Element der Disziplinierung und Konditionierung von Menschen. Das lehne ich ab.
Auch den ausufernden Sozialstaat haben wir bloss deshalb, weil eine
Bevoelkerungsmehrheit ihn will. Der Grund ist wohl, dass man eine
moeglichst weitgehende materielle Sicherheit will, und der
Wohlfahrtsstaat
verspricht diese Sicherheit. Dass die Versprechen der materiellen
Sicherheit auf Dauer niemals gehalten werden koennen, interessiert nur
wenige.
Warum eigentlich können diese Versprechen nicht gehalten werden ? Der
technische Fortschritt führt zu immer höherer Effizienz, zu immer
rationelleren Ferigungsmethoden und benötigt gleichzeitig immer weniger
menschliche Arbeitskräfte. Wozu so all dieser Fortschritt denn dienen, wenn
nicht, als Ideal, zur Befreiung des Menschen vom Arbeitszwang?
Naja, wir werden sehen, wie weit der Wohlfahrtsstaat die materielle Sicherheit in den jetzigen unruhigen Zeiten garantieren kann. Ich sehe da rabenschwarz. Nehmen wir nur einmal an, es entstuende ein Run auf mehrere groessere Banken in Europa. Der Staat koennte fuer die Spareinlagen entgegen seinen Versprechen niemals haften, weil sowas seine Finanzkraft bei weitem uebersteigt. Ganz zu schweigen davon, dass er beispielsweise auch das Rentenversprechen langfristig nicht wird halten koennen. Die Produktivitaet der Wirtschaft und die davon abhaengigen Loehne der Beitragszahler muessten in den naechsten Jahren geradezu explodieren, um eine gleichbleibende Kaufkraft der Renten garantieren zu koennen. Um das zu erkennen, braucht man keineswegs Adam Riese sein.
Wozu der wirtschaftliche Fortschritt? Ja, da hast Du eine grundlegende Frage gestellt. Wozu? Die Befreiung des Menschen vom 'Arbeitszwang' konnte noch nirgends grossflaechig durchgesetzt werden und ist deswegen allmaehlich als Aufputschmittel fuer die Massen reichlich ausgelutscht.
Die neoliberale Philosophie, die gerade einmal mehr grandios durch die
Wirklichkeit widerlegt wird, besagt, dass wir in ständigem darwinistischem
Verdrängungswettbewerb strampeln, möglichst schneller als alle anderen.
Diejenigen, welche nicht strampeln, die werden selektioniert. Durch den
Markt. Wie praktisch. Keiner ist dann schuld für die Verwüstungen. Freiheit
bedeutet nichts mehr als die Freiheit, die man sich leisten, d.h kaufen
kann. Als Philosophie armselig !
Hier springst Du ploetzlich zur neoliberalen Philosophie. Weshalb, ist mir schleierhaft.
Die 'Verwuestungen' sind ebenso Teil des Freien Marktes, da wird ueberhaupt nichts widerlegt. Die Korrektur an den Boersen findet statt, weil dem grossen Angebot nunmehr eine ungenuegende Nachfrage gegenuebersteht. Folge davon: die Aktienkurse fallen. Was also genau wird durch die Wirklichkeit nun widerlegt? Die neoliberale Philosophie? Moeglich, die war jedoch Dein Thema und niemals meines...
Dein Vergleich zum Darwinismus ist als Analogie vielleicht gar nicht mal so schlecht, denn auch das Leben auf der Erde wurde mehrmals schwer verwuestet in dem Sinne, dass jeweils grosse Artensterben stattfanden und das Leben danach wieder aufbluehte.
Armselig ist in der Tat die von Dir skizzierte Vorstellung von 'Freiheit, die man sich leisten, d.h. kaufen kann' - die typische Vorstellung eines Materialisten halt.
Tatsaechlich? Worin liegen denn die Vorteile des Feminismus fuer die
Wirtschaftsunternehmen? Ein Quantensprung in der wirtschaftlichen
Produktivitaet oder in der Forschung/Entwicklung durch 'ueberlegene
weibliche Softskills' ist ausgeblieben.
Der Feminismus stellt nichts in Frage. Als emanzipierte Frau gilt die
beruflich erfolgreiche Frau. Die Tendenz des Feminismus, den Staat für ihre
Interessenwahrung zu instrumentalisieren, Regulierungen zu ihrem Vorteil zu
installieren und sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen, all dies ist für
die "Glaubensbrüder und Schwestern der unsichtbar waltenden Hände" zwar ein
Äergernis, aber nichts, womit man sich nicht arrangieren könnte. Die Kirche
bleibt, trotz Gekeife, im Dorf.
Du hast meine Frage bezeichnenderweise nicht beantwortet. Dass der Feminismus der Wirtschaft nicht so schlimm geschadet hat, dass er sie umbringt, bedeutet noch lange keine gemeinsamen Interessen zwischen beiden. Auch der Parasit bringt seinen Wirt normalerweise nicht um, schaden tut er ihm trotzdem...
Die totale Ökonomisierung der Gesellschaft ist ja wohl im Kern eine
kapitalistische Zielsetzung.Deine Analyse greift zu kurz.
Nein, es ist eine materialistische Zielsetzung. Der Kapitalismus als
politische Ideologie existiert nicht oder hoechstens in den Koepfen der
Sozialisten.
Hab ich widerlegt.
Nein, hast Du nicht. Ideologie existiert per definition nur in irgendwelchen Koepfen. Die Durchoekonomisierung von Familien und der Gesellschaft insgesamt ist Materialismus pur. Und sie findet auch keineswegs nur im sogenannten 'Kapitalismus' sondern selbstverstaendlich ebenso im Sozialismus statt. Fuer mich sind beide ideologische Facetten desselben Materialismus. Du magst das meinetwegen noch weiter unterscheiden in 'Kapitalismus' und 'Sozialismus', fuer mich sind die Unterschiede unwesentlich und v.a. auch irrefuehrend, da die sozialistischen Materialisten ebenso einem Kapitalismus anhaengen wie die von ihnen verfemten kapitalistischen Materialisten. Wie ich schon schrieb, der Kapitalismus als politische Ideologie existiert in den Koepfen der Sozialisten. Sie brauchen diesen (Klassen-)Feind einfach unbedingt, um sich von ihm irgendwie ideologisch absetzen zu koennen. 'Guter' (d.h. sozialistischer) vs 'boeser' (d.h. neoliberaler) Materialismus! Ebensogut koennte man zwischen guter und schlechter Sklaverei unterscheiden.
Inwieweit man sein eigenes Leben der Freien Marktwirtschaft unterordnen
will, kann aber jeder selbst entscheiden.
Ach ? Gibt es ein bedingungsloses Grundeinkommen ? Freiheit ? Eben, genau
die Freiheit, die man sich materiell leisten kann.
Wenn man fest daran glaubt (Vorsicht Ideologie!), nur mit einem bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) ueberleben zu koennen, dann hat man seine Freiheit zugunsten dieser Ideologie aufgeben. Wer auch noch andere Wege sieht, um zu ueberleben, der kann sie auch versuchen zu beschreiten; er hat also objektiv feststellbar mehr Freiheit als der auf das BGE fixierte Mensch, der obendrein noch von demjenigen abhaengig (und somit unfrei) ist, der ihm das BGE garantiert.
Natuerlich kann jemand mit viel Geld sich materiell auch mehr leisten. Diese materiell groessere Freiheit hat er. Aber er opfert fuer diese groessere materielle Freiheit einen anderen Teil seiner Freiheit (z.B. Zeit, die er fuer etwas anderes einsetzen koennte). Er ist somit ein Sklave des Geldverdienens, des Mammons geworden. Und der materiell schlechter Gestellte ist Sklave seines Neides auf den Besitzenden und somit ebenfalls des Mammons. Am Neid auf den Besitz der anderen kann man den Materialisten uebrigens am besten erkennen - sowohl den armen wie den reichen Materialisten.
Was ich immer wieder schreibe: wir sind fuer
unser Tun selbst verantwortlich und koennen die Verantwortung nicht auf
andere abschieben.
Also für die Zocker an der Wallstreet gilt dieser Grundsatz ganz
offensichtlich nicht.
Doch, auch fuer die gilt dieser Grundsatz. Sie sind verantwortlich fuer das, was sie tun. Sie moegen vielleicht so tun, als seien sie nicht verantwortlich; dann beluegen sie sich jedoch bloss selbst. Ob sie irgendein Mensch wegen eines allenfalls unverantwortlichen Verhaltens bestraft, ist wiederum eine andere Frage. Ebenso, ob sie deswegen Gewissensbisse haben; wer sich erfolgreich selbst beluegt, graemt sich wegen letzterem wohl eher selten. Nunja, ich glaube daran, dass da Wer ist, Der die Verantwortungsleugner dereinst fuer ihre Taten zur Rechenschaft zieht, sofern sie nicht vorher ihre Suenden bereuen.
Wer sich hingegen
willenlos von der Masse treiben laesst, der ist etwa so frei, wie ein
Stueck Treibholz im Meer. Aber dafuer darf er sich wenigstens als
hilfloses
Opfer der treibenden Masse und der von ihm selbst verursachten
Konsequenzen
fuehlen, und das ist doch auch etwas, nicht wahr?
Dieser Seitenhieb ist ungerechtfertigt. Warum soll nicht jeder abzocken,
wo er nur kann ? Das ist ja genau das Prinzip, dass du vertrittst. Der
Profit als oberste Maxime. Und jetzt komm mir nicht mit Moral ! Es ist ein
Verteilkampf, sonst gar nichts.
Doch ich komme mit der Moral, sowie - noch schlimmer - mit dem Glauben. Das ist das Prinzip, das ich vertrete und nicht das Prinzip des Profits als oberste Maxime. Fuer den Materialisten (egal, ob sozialistischer oder 'kapitalistischer' Provenienz) hingegen kann nie etwas anderes eine hoehere Prioritaet einnehmen als der materielle Profit. Denn ausserhalb des Materiellen existiert fuer ihn ja gar nichts. Tragisch, aber diese Hoelle hat er sich selbst geschaffen.
Persoenliche Bemerkung: Ich habe den Eindruck, dass Du mich irgendwie in die Rolle eines materialistischen Liberalen (oder gemaess Sozensprech 'Kapitalisten') stecken willst in der Hoffnung auf einen ideologischen Disput, in dem Du dann die klassischen Argumente der Kapitalismuskritik herunterbeten kannst. Darin wirst Du jedoch erfolglos bleiben, denn ich lehne den Materialismus insgesamt ab und kann deshalb die Rolle eines materialistischen Liberalen gar nicht erfuellen, womit wiederum Deine materialistischen Argumente im Disput mit mir weitgehend gegenstandslos werden. Freiheit ist es, was ich propagiere. Aber eben nicht die Pseudofreiheit der Verantwortungsleugner, die sich einen Dreck um die Folgen ihrer Taten scheren, sondern jene Freiheit, die die damit verknuepfte ethische Verantwortung wahrnimmt und die sich daraus ergebenden Folgen akzeptiert.
Hier spanne ich den Bogen wieder zurueck auf das Ursprungsposting sowie das Subject und was ich dazu geschrieben habe. Den Familien wird durch die verstaerkte staatliche Interventionspraxis die individuelle Verantwortung weggenommen. Daraus ist unmittelbar einsehbar, dass sie dazu verfuehrt werden, ihre Verantwortung auch nicht mehr von sich aus wahrzunehmen, da der Staat das ja schon fuer sie erledigt. Und je mehr der Staat die Verantwortung fuer Kinder an sich reisst, desto staerker lehnen die Eltern ihrerseits die Verantwortung fuer ihre Kinder ab.
Eben diesen verhaengnisvolle Zusammenhang zwischen Verantwortungswegnahme/Verantwortungsablehnung, die miteinander korrespondieren, habe ich thematisiert und gleichzeitig den ueberbordenden Sozialstaat, der mit seinem Heilsversprechen der 'Entlastung der Eltern von der Erziehungs-/Betreuungsverantwortung' eindeutig der Treiber in diesem Teufelskreis ist, kritisiert. Das dabei eigentlich belanglose wirtschaftliche Element gefolgt von der sattsam bekannten materialistisch-sozialistischen Kapitalismuskritik hast erst Du in diesem Fred eingefuehrt, Poeoehser Frauenfeind.
Gruss
Maesi
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