Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Radio-Tip: Sonntag 05.10.2008 „Kind, du bist uns anvertraut“

Pööhser Frauenfeind, Thursday, 09.10.2008, 14:55 (vor 6284 Tagen) @ Maesi

Hallo Poeoehser Frauenfeind

dir ist das Koordinatensystem etwas durcheinandergeraten. Du verortest

die

Probleme in einem "überbordenden Sozialstaat". Dabei übersiehst du,

dass

die Wirtschaft und der Feminismus hier ganz klar gemeinsame Interessen
haben. Beide wollen sie möglichst alle ( d.h alle Männer und Frauen )

in

den Lohnarbeitsprozess führen. Feminismus ist Steigbügelhalter einer
ausufernden Ökonomiesierung aller Lebensbereiche geworden. Der

"ausufernde

Sozialstaat" ist ein Symptom dieser Politik, nicht die Ursache.


Hallo Maesi

Natuerlich hat die Wirtschaft gewisse Interessen. Das wichtigste
wirtschaftliche Interesse eines Wirtschaftsunternehmens ist voellig
unideologisch der Gewinn.

Du willst doch nicht etwa ernsthaft behaupten, dass der Kapitalismus, insbesondere die neoliberale Strömung als ausgeprägte Form derselben, keine Ideologie sei ?

Kurz einige Worte zum Begriff Ideologie. Der Begriff Ideologie, wertfrei verwendet, bezeichnet ein System von Ideen und Konzepten, welche für sich in Anspruch nimmt, Antworten auf grundlegende gesellschaftliche Fragen zu geben oder zumindest den Lösungsweg aufzuzeigen. Ideologie kann so als Deutungsraster oder Deutungsrahmen verstanden werden, in welchem sich der Ideologe orientiert. Ist dieses Deutungsraster starr und unflexibel, d.h nicht anpassungsfähig, dann wird der Begriff "Ideologe" in pejorativem Sinn verwendet, also im Sinne von engstirnig und borniert.

Du beschreibst die " freie Marktwirtschaft" gerade so wie ein Biologe das darwinistische Prinzip, als ein Prinzip, das naturgegeben sei. Deshalb auch dein Widerwille, marktwirtschaftliche Mechanismen als Teil einer Ideologie zu deuten.

Selbstverständlich ist der Glaube an die "freie Marktwirtschaft" und die darin zu unserem Wohle wirkenden "unsichtbaren Hände" eine Ideologie. Es fragt sich nur, ob dieser naive Glaube nicht viel eher eine Esoterik mit reichlich geringem Realitätsbezug darstellt. Der gegenwärtige beinahe - Kollaps des Finanzsystems und die gigantische Zwangsumverteilung, um hier mal bei deinen Begrifflichkeiten zu bleiben, von staatlichen Geldern, die letztendlich natürlich Steuergelder sind, zugunsten unverantwortlicher Ideologen des freien Marktes zeigt, dass mehr Vernunft und weniger Esoterik angesagt ist.

Die ausufernde Oekonomisierung in den Familien findet nur deshalb statt,
weil es die Eltern in den Familien mehrheitlich zulassen, wobei der Staat
das durch seine Zwangsumverteilungspolitik allerdings kraeftig foerdert.

Die Umverteilung ist absolut notwendig. Über das wieviel und wohin kann und muss diskutiert werden. Maesi, du vergisst, dass der von dir so gehasste Sozialismus eine Reaktion auf das Totalversagen eines völlig deregulierten Kapitalismus war.

Der II WK hätte ohne das komplette Marktversagen ( der Finanzmarktplätze - wie Wallstreet - als den Kathedralen des Kapitalismus ) und die anschliessende Weltwirtschaftskrise wahrscheinlich nicht stattgefunden.
Ich glaube nicht an die Extreme, nicht an die These "freie, deregulierte Marktwirtschaft" noch an den "Sozialismus" als Antithese. Dort, auf beiden Seiten, tummeln sich die Betonköpfe, die vernagelten Ideologen. Kluge Leute stehen ( so wie ich :) in der Mitte und plädieren für die Synthese.

Auch den ausufernden Sozialstaat haben wir bloss deshalb, weil eine
Bevoelkerungsmehrheit ihn will. Der Grund ist wohl, dass man eine
moeglichst weitgehende materielle Sicherheit will, und der Wohlfahrtsstaat
verspricht diese Sicherheit. Dass die Versprechen der materiellen
Sicherheit auf Dauer niemals gehalten werden koennen, interessiert nur
wenige.

Warum eigentlich können diese Versprechen nicht gehalten werden ? Der technische Fortschritt führt zu immer höherer Effizienz, zu immer rationelleren Ferigungsmethoden und benötigt gleichzeitig immer weniger menschliche Arbeitskräfte. Wozu so all dieser Fortschritt denn dienen, wenn nicht, als Ideal, zur Befreiung des Menschen vom Arbeitszwang?

Die neoliberale Philosophie, die gerade einmal mehr grandios durch die Wirklichkeit widerlegt wird, besagt, dass wir in ständigem darwinistischem Verdrängungswettbewerb strampeln, möglichst schneller als alle anderen. Diejenigen, welche nicht strampeln, die werden selektioniert. Durch den Markt. Wie praktisch. Keiner ist dann schuld für die Verwüstungen. Freiheit bedeutet nichts mehr als die Freiheit, die man sich leisten, d.h kaufen kann. Als Philosophie armselig !

Tatsaechlich? Worin liegen denn die Vorteile des Feminismus fuer die
Wirtschaftsunternehmen? Ein Quantensprung in der wirtschaftlichen
Produktivitaet oder in der Forschung/Entwicklung durch 'ueberlegene
weibliche Softskills' ist ausgeblieben.

Der Feminismus stellt nichts in Frage. Als emanzipierte Frau gilt die beruflich erfolgreiche Frau. Die Tendenz des Feminismus, den Staat für ihre Interessenwahrung zu instrumentalisieren, Regulierungen zu ihrem Vorteil zu installieren und sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen, all dies ist für die "Glaubensbrüder und Schwestern der unsichtbar waltenden Hände" zwar ein Äergernis, aber nichts, womit man sich nicht arrangieren könnte. Die Kirche bleibt, trotz Gekeife, im Dorf.

Die totale Ökonomisierung der Gesellschaft ist ja wohl im Kern eine
kapitalistische Zielsetzung.

Deine Analyse greift zu kurz.


Nein, es ist eine materialistische Zielsetzung. Der Kapitalismus als
politische Ideologie existiert nicht oder hoechstens in den Koepfen der
Sozialisten.

Hab ich widerlegt.

Inwieweit man sein eigenes Leben der Freien Marktwirtschaft unterordnen
will, kann aber jeder selbst entscheiden.

Ach ? Gibt es ein bedingungsloses Grundeinkommen ? Freiheit ? Eben, genau die Freiheit, die man sich materiell leisten kann.

Was ich immer wieder schreibe: wir sind fuer
unser Tun selbst verantwortlich und koennen die Verantwortung nicht auf
andere abschieben.


Also für die Zocker an der Wallstreet gilt dieser Grundsatz ganz offensichtlich nicht.

> Wer sich hingegen
willenlos von der Masse treiben laesst, der ist etwa so frei, wie ein

Stueck Treibholz im Meer. Aber dafuer darf er sich wenigstens als hilfloses
Opfer der treibenden Masse und der von ihm selbst verursachten Konsequenzen
fuehlen, und das ist doch auch etwas, nicht wahr?

Dieser Seitenhieb ist ungerechtfertigt. Warum soll nicht jeder abzocken, wo er nur kann ? Das ist ja genau das Prinzip, dass du vertrittst. Der Profit als oberste Maxime. Und jetzt komm mir nicht mit Moral ! Es ist ein Verteilkampf, sonst gar nichts.


Gruss Pööhser Frauenfeind


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