Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 2 - 21.05.2006 - 25.10.2012

233.682 Postings in 30.704 Threads

[Homepage] - [Archiv 1] - [Archiv 2] - [Forum]

Earl of Chesterfield

Realist, Friday, 08.02.2008, 21:13 (vor 6526 Tagen) @ roser parks

Der Philosoph aus England erscheint mir auch erwähnenswert!

Folgender Artikel erschien am 9. September 1984 in der "Welt am Sonntag".

Mit Hingabe kümmerte sich der Politiker und Diplomat Earl of Chesterfield (1694-1773) um die Erziehung seines Sohnes.
Als Leitfaden "für die anstrengende Kunst, ein Gentleman zu werden", schrieb er seinem Sohn Briefe, diese erschienen 1774 zuerst in Buchform. Noch im Erscheinungsjahr folgten drei weitere Auflagen.
Voltaire nannte es "das beste Buch über Erziehungsfragen."

Lieber Sohn! London, 5. September 1748

Frauenzimmer sind nichts als großgewachsene Kinder. Sie haben ein unterhaltendes Geplauder und zuweilen Geist. Was aber gründlichen, guten, mit Urteilskraft begleiteten Verstand anlangt, so habe ich nie in meinem Leben eine gekannt, die ihn gehabt oder die vierundzwanzig Stunden nacheinander ihre Urteilskraft gebraucht oder ihr gemäß gehandelt hätte. Eine kleine Leidenschaft oder Laune unterbricht allezeit ihre besten Einlassungen. Ihre geringgeschätzte oder in Zweifel gezogene Schönheit, die Zunahme ihres Alters, die Verachtung ihres Verstandes entzünden sogleich ihre Leidenschaft. Ein Mann von Verstand scherzt und spielt bloß mit ihnen, richtet sich nach ihren Launen und schmeichelt ihnen, wie er mit einem munteren, witzigen Kinde umgehen würde; zieht sie aber niemals über ernsthafte Dinge zu Rate und vertraut sie ihnen nicht an, wiewohl er ihnen oft die Meinung beibringt, als täte er beides, worauf sie am meisten stolz sind.
Keine Schmeichelei ist für sie zu hoch oder zu niedrig. Sie werden die höchste begierig verschlucken und dankbar die niedrigste annehmen. Du kannst ganz sicher einer jeden von ihrem Verstand an bis herunter auf den auserlesenen Geschmack ihres Fächers schmeicheln. Welche entweder unstreitig schön oder unstreitig häßlich sind, denen schmeichelt man am liebsten wegen ihres Verstandes. Die aber im Mittelmaß sind, denen schmeichelt man mit meistem Erfolg wegen ihrer Schönheit oder wenigstens ihrer Annehmlichkeiten. Denn jede, die nicht schlechterdings häßlich ist, hält sich für schön. Da sie es aber selten zu hören bekommt, ist sie um soviel dankbarer gegen diejenigen, die es ihr sagen. Hingegen eine entschiedene, selbstbewußte Schönheit betrachtet jeden ihrer Gestalt entrichteten Zoll bloß als ihre Gebühr, möchte aber gern von seiten des Verstandes hervorschimmern und geachtet werden. Welche so häßlich ist, daß sie es weiß, die sieht, daß ihr nichts übriggelassen ist als ihr Verstand. Der ist folglich (wahrscheinlicherweise in mehr als einer Beziehung) ihre schwache Seite.
Doch das sind Geheimnisse, die du unverletzlich bei dir verwahren mußt, willst du nicht, wie Orpheus, vom ganzen Geschlecht in Stücke gerissen werden. Vielmehr muß ein Mensch, der in der großen Welt zu leben gedenkt, artig, höflich und gefällig gegen Frauenzimmer sein. Sie haben, vermittels des nämlichen Schwachsinns, an allen Höfen mehr oder weniger Einfluß. Sie setzen schlechterdings jedes Menschen Ruf in der schönen Welt fest, erheben ihn entweder oder ziehen ihn herunter oder halten ihn zurück.

Aus "Briefe an seinen Sohn Philip Stanhope. Über die anstrengende Kunst ein Gentleman zu werden", von Philip Dormer Stanhope, Earl of Chesterfield. C.H. Beck Verlag, München.


gesamter Thread:

 

powered by my little forum