Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Ein rechtskonservativer Kommunist?

Maesi, Tuesday, 18.12.2007, 00:21 (vor 6578 Tagen) @ Beelzebub

Hallo Beelzebub

Anscheinend ist vielen hier ein kleines Detail aus dem "Spiegel" Artikel
entgangen. Daher ein kleiner Auszug (Hervorhebung von mir):

"Anfang 2006 machten die staatlichen Unternehmen den Anfang, doch das
genügte dem damaligen Wirtschaftsminister Ansgar Gabrielsen nicht. Der
Konservative
peitschte 2006 ein Gesetz durchs Parlament, das auch die
Privatunternehmen zwingt, 40 Prozent der Aufsichtsratsposten mit Frauen zu
besetzen."

Von der norwegischen konservativen Partei heißt es in
diesem,
m.E. seriösen Artikel, dass sie politisch "weit rechts" steht.

Leider gibt der von Dir verlinkte Artikel bezueglich der konservativen Partei in Norwegen nicht viel her. Es wird lediglich konstatiert, dass sie weit rechts stuende (was immer das auch heissen mag). Angesichts der auch im Artikel erwaehnten Tatsache, dass der ausufernde Wohlfahrtsstaat mit einem starken Hang zum Staatskapitalismus in Norwegen eine offenbar in allen Parteien voellig unbestrittene Angelegenheit ist, besagt das IMHO nicht sonderlich viel. Staatlicher Interventionismus in Bezug auf die Wirtschaft verbunden mit einem Staat als maechtiges, am Markt auftretendes Wirtschaftsunternehmen scheinen dort schon immer eine starke durchgaengige Tradition gewesen zu sein.

Ob jetzt einige hier endlich begreifen, dass die femifaschistische
Ideologie alle poltischen Lager durchseucht (über kurz oder sehr
kurz wird auch die NPD die "nationale Frauenfrage" als ihr Anliegen
entdecken) und dass die Auseinandersetzung zwischen Männerechtlern und
Femis nichts, aber auch gar nichts, mit dem überkommenen rechts-links
Schema früherer politischer Auseinandersetzungen zu tun hat?

Zunaechst einmal sind die norwegischen Konservativen nicht tel quel auf die deutschen Konservativen uebertragbar. Wie schon vorher gesagt, hat Norwegen eine starke staatssozialistische Tradition, der sich offensichtlich auch die Konservativen unterworfen haben und vermutlich schon lange mittragen. Wenn Du also die Konservativen in Deutschland charakterisieren willst, solltest Du nicht ausgerechnet Norwegen als Beispiel bemuehen. Ein solcher Vergleich taugt nichts.

Wie Du ganz richtig beobachtest, wird die Gleichstellungspolitik inzwischen von allen Parteien als wichtig erachtet, und in allen Parteien gibt es staatsfeministisch gesinnte Gruppen (meist mit Mitgliedern weiblichen Geschlechts), die die Gleichstellungspolitik auf die parteiinternen Traktandenlisten gebracht haben. Das wird IMHO von kaum einem der hier schreibenden, sich zum Konservativismus Bekennenden geleugnet. Nur ist eben diese 'moderne' Gleichstellungspolitik kein Bestandteil des Konservativismus (und auch nicht des Liberalismus); wer sich mit konservativen Inhalten (bzw. Liberalismus) anstatt mit ideologischen Etikettierungen beschaeftigt, erkennt das sofort. Die Crux fuer den heutigen Wertkonservativen ist ja gerade, dass er von keiner Partei mehr adaequat vertreten wird.

Anders ausgedrueckt: die CDU ist nicht mehr oder hoechstens noch in bestimmten Restbereichen konservativ. Es sind die bekennenden Linken, die sich noch weiterhin an den Irrglauben klammern, die CDU sei konservativ - offenbar weil sie weiterhin einen ideologischen Gegner brauchen, damit sie ihr geliebtes Links-Rechts-Schema weiterpflegen kennen. Der Wertkonservative kann hingegen bei der CDU nur einen Verrat nach dem anderen an den konservativen Idealen konstatieren. Das geht von der Akzeptanz des seinerzeit von der sozialliberalen Koalition eingefuehrten Scheidungs- und Unterhaltsrechts, ueber die Einfuehrung eines Frauenministeriums und der damit verbundenen Akzeptanz einer gesonderten, von Staates wegen mit Steuergeldern subventionierten Fraueninteressenpolitik unter dem dicken Kanzler, ueber die geplante Installierung staatlicher Kinderkrippen, die selbst von einigen Sozialdemokraten als ueberrissen erachtet wird, bis zum beinahe widerstandslosen Schlucken des GewSchG und des AGG. Selbst die an sich stramm konservative CSU zeigt gewisse Zersetzungserscheinungen und unterwirft sich in bestimmten Bereichen inzwischen dem Staatsfeminismus. Als bekennender Wertkonservativer wuerde ich die CDU derzeit als pseudokonservativ bezeichnen, d.h. die CDU weist eine konservative Fassade auf, waehrend der dazugehoerige Inhalt laengst auf dem Altar des Opportunismus und der macchiavellistischen Machtpolitik geopfert worden ist - eine Einschaetzung, die wahrscheinlich die meisten Konservativen hier mit mir teilen. Es gab sogar schon konservative Stimmen, die die CDU als sozialistisch bezeichneten. So weit gehe ich nicht. Aber die CDU weist inzwischen einige starke sozialistische Elemente v.a. in gesellschaftspolitischen Bereichen (z.B. in der Gleichstellungs- und Familienpolitik) auf.

Wer allerdings die geschichtliche Entwicklung des politischen Feminismus analysiert, kommt zum Schluss, dass zuerst eindeutig die linken Parteien SPD und Gruene okkupiert wurden; die CDU, die FDP und v.a. die CSU bewahrten noch eine laengere Zeit eine gewisse Resistenz. Inzwischen spielt es in Bezug auf die staatlich verordnete Gleichstellung jedoch keine wesentliche Rolle mehr, ob man SPD, Gruene, PDS (oder wie die jetzt gerade auch heissen mag) oder CDU waehlt; die FDP und besonders die CSU verhalten sich zwar etwas stoerrisch, aber auch die werden noch erledigt. Und Du prophezeist es ganz richtig. Es ist nur eine Frage der Zeit wird auch eine NPD die Frauenfrage als ihr Anliegen entdecken - politischer Opportunismus gegenueber dem Zeitgeist ist erheblicher Bestandteil aller Parteien. Und der Zeitgeist ist momentan nun mal in der Gleichstellungsfrage feministisch gepraegt. Eine Aenderung der Gleichstellungspolitik in den Parteien wird es nur ueber die Aenderung des Zeitgeistes geben.

Gruss

Maesi


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