Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Haben die 68er die Familie zerstört?

Maesi, Saturday, 26.05.2007, 21:53 (vor 6782 Tagen) @ Beelzebub

Hallo Beelzebub

Ein Kommentar von Susanne Mayer

Zu viel der Ehre! Der Vorwurf, die 68er hätten die Familie zerstört, die
Frauen dem Gebären entfremdet, Papas Autorität untergraben, die Erziehung
ruiniert, hat den Sound des Trotzes, die Wut der Betrogenen, in ihm heult
eine kindliche Sehnsucht nach heiler Welt. Aber die heilige deutsche
Familie ist schon lange tot. Sie starb in einer Aprilnacht im Jahre 1945,
als Magda Goebbels im Führerbunker ihren sechs kleinen Töchtern und Söhnen
vergifteten Kakao einflößte.

Wer in der Lage ist, sich dem Thema "1968 und die Folgen" sine ira et
studio zu nähern, kann hier,
sowie zu sechs weiteren Fragen zu vorgenanntem Thema
hier
weiterlesen.

Frau Mayers Kommentar ist nicht wirklich erhellend auch wenn er zunaechst plausibel erscheinen mag. Das Fehlen stichhaltiger Argumente und Fakten wird mit viel Rhetorik uebertuencht. Im Westen nichts Neues also. Die Zerstoerung der Familie ist ja kein spezifisch deutsches Phaenomen sondern in saemtlichen Industriestaaten gleichermassen zu beobachten. Unter diesem Blickwinkel sind Frau Mayers Vermutungen von den Kriegstruemmern, in denen eine Generation von Kindern aufwuchs, deren Familiensinn zerstoert wurde, ziemlich unbefriedigend. In den USA, Schweden, Portugal, Kanada, Australien oder etwa der Schweiz gab es keine nennenswerten Kriegstruemmer. Darueberhinaus gibt es Laender zuhauf, die aehnlich schlimm verheert wurden, und wo trotzdem die Familie ihren wichtigen Status behalten hat (Libanon, Afghanistan, Gaza-Streifen/Westbank).

Was die Zerstörung der (deutschen) Familie betrifft, so setzt Frau Mayer
deren Zeitpunkt m.E. deutlich zu spät an. Die Institution der Familie war,
jdf. in Deutschland, bereits in dem Moment hinüber, als "Nichtarier" und
andere "Minderwertige" zur Verhinderung "minderwertigen" Nachwuchses
zwangssterilisiert wurden, während zugleich "arische" Männer und Frauen in
"Lebensborn" und anderen perversen Einrichtungen wie Zuchtvieh
zusammengeführt wurden, um "dem Führer ein Kind zu schenken"
(*angeekelt ausspuck*).

Deine Erklaerung ist noch unbefriedigender als Frau Mayers Behauptungen. Immerhin trifft die Kriegstruemmer-Hypothese von Frau Mayer nicht bloss auf Deutschland sondern erhebliche Teile Europas zu; Deine These hingegen trifft nur auf Deutschland und vielleicht noch ein Stueck weit auf die am laengsten eroberten/annektierten Gebiete (Polen, Tschechien, Oesterreich, Teile Frankreichs) zu. Dazu kommt, dass die von Dir angesprochenen 'juedisch-arischen' Ehen nur eine kleine Minderheit darstellten und deshalb hoechstens einen symbolischen Charakter als Indikator der Familienzerstoerung haben koennen. Die realen Auswirkungen des 'Lebensborn-Projektes' waren ebenso marginal, weitaus wichtiger war deren propagandistischer Effekt; in dieser Beziehung fallen viele Menschen bis heute auf die Nazi-Propaganda punkto 'Lebensborn' herein, ein schlagender Beweis fuer die meisterhafte nationalsozialistische Propaganda.

Weitaus folgenreicher waren die tiefen Eingriffe der Nazis in die elterliche Erziehungshoheit. Die zwoelf Jahre Nazi-Herrschaft waren aber offenbar trotzdem nicht in der Lage, den Familiensinn der direktbetroffenen Menschen nachhaltig zu schaedigen, denn sonst haette es bereits frueher zu flaechendeckenden Familienzerstoerungen vornehmlich in Deutschland kommen muessen. Allenfalls koennte man eine indirekte Wirkung auf die erst nach dem Krieg zur Welt gekommenen Kinder postulieren; die ist aber, wie bereits oben angemerkt, voellig spekulativ, da ja auch in den nicht nazibeherrschten Laendern zeitgleich aehnliche Phaenomene zu erkennen sind. Niemand hier bestreitet Deine ideologische Distanz zum Nationalsozialismus, lieber Beelzebub. Aber Deine politisch korrekte Einstellung allein reicht zur Erklaerung der heutigen Familienmisere nicht einmal annaehernd aus.

Wie Holger andernorts uebrigens voellig richtig anmerkte, besteht die katastrophale Familienzerstoerung nicht bloss darin, dass immer mehr Ehen auseinanderfallen, sondern dass auch immer seltener Ehen geschlossen werden. Die Unlust der Maenner zur Familiengruendung ist in Deutschland erst seit den 90er Jahren sprunghaft angestiegen; in stark vermindertem Umfang erkennt man diese Entwicklung auch bei den Frauen. Mit Nazi-Deutschland kann das direkt ueberhaupt nichts mehr zu tun haben, da seither zwei volle Generationen ins Land gezogen sind. Hingegen kamen in den 90er-Jahren die Kinder der 68er-Generation sukzessive ins heirats- und kinderzeugungsfaehige Alter. Das passt also recht gut zur These, dass die 68er-Generation die Familienzerstoerung entscheidend 'vorangebracht' hat. BTW: Die Scheidungsstatistik ist IMHO nach wie vor der beste Indikator fuer das Ausmass der Familienzerstoerung, da vom Schicksal der ueber den gruenen Klee gelobten nichtehelichen Partnerschaften und Patchworkfamilien IMHO weder Statistiken noch stichhaltige Untersuchungen existieren. Ein Schelm, wer boeses dabei denkt...

Die einzige Gemeinsamkeit der Laender, in denen Familien grossflaechig zerstoert werden, ist ein gewisser Wohlstand, der die Familiensolidaritaet als obsolet erscheinen laesst, was wiederum viele Menschen dazu verleitet, die Familienbande als obsolet zu erachten. Desweiteren ist in allen betroffenen Laendern eine politische/gesellschaftliche Konzentration auf das Materielle zu registrieren. Und zu guter Letzt zeichnen fast alle diese Laender 'fortschrittliche' Scheidungsgesetze aus, die es Frauen erlauben, ihre Kinder konsequenzenlos als Faustpfand an sich zu reissen und auf dieser Grundlage ihre Ex-Ehemaenner oder den Staat weiterhin als Versorger auszunehmen. Die Zerstoerung der Familie durch die Mutter ist fuer diese aus wirtschaftlicher Sicht nicht mehr existenzbedrohend und selbst niedertraechtige familienzerstoerende Machenschaften bleiben fuer jenen, der die Kinder gewissermassen als menschliche Schutzschilde gegenueber allenfalls drohenden Sanktionen einsetzen kann, fast immer ungeahndet. Diese Strategie ist allerdings nur dann erfolgreich, wenn es ein grossflaechig vorhandener Wohlstand gestattet, erhebliche Einkommensbestandteile des tributpflichtigen Ex-Ehemannes zu vereinnahmen. Fast immer treten Sozialwerke subsidiaer zum Ex-Ehemann als nachehelicher Versorger der muetterlichen Familienzerstoerer auf; auch die Sozialwerke existieren nur bei einem minimalen Volkswohlstand.

Diese Kombination aus Volkswohlstand, gesetzlichen Grundlagen, Sozialstaat sowie standardmaessig ungeahndetem niedertraechtigem Verhalten animiert natuerlich geradezu zur Familienzerstoerung - insbesondere bei jenen, die sich in der nachehelichen Situation durch die geduldete eigenmaechtige Vereinnahmung der Kinder eine Art Teilfamilie weiterhin erhalten koennen. Dafuer wird auch ein gewisser Verlust im Lebensstandard in Kauf genommen, denn der Erhalt der Teilfamilie wird von den so handelnden Muettern zu Recht als erheblicher immaterieller Wert angesehen. Das Gelaber von der besonderen Belastung der alleinerziehenden Muetter dient v.a. dazu, moeglichst viel Kohle aus Ex-Mann und Sozialstaat herauszukitzeln und so die eigene materielle Situation zu optimieren. Bezeichnenderweise ist der immaterielle Verlust, den Vaeter durch die Wegnahme der Kinder erleiden, in der politischen Realitaet ebensowenig ein Thema wie der immaterielle Gewinn, den die Muetter bei der Okkupierung der Kinder erzielen; das ist in einer weitgehend materialistisch agierenden Welt aber auch exakt so zu erwarten.

Prof. Dr. Joachim Wiesner hat die Mechanismen der Kindesentziehung in einem aeusserst aufschlussreichen Aufsatz erlaeutert, wie Dir sicher bekannt ist. Nur gehoert er halt zu eben jenen reaktionaeren, konservativen Elementen, die im Rahmen des heutigen Zeitgeistes so eifrig bekaempft werden. Deshalb werden er und seinesgleichen auch nur von wenigen ernstgenommen. Dass er mit seinen Ausfuehrungen nicht bloss die zum Zeitpunkt (1985) seiner Aufsatzerstellung geltende Ist-Situation sondern auch die seither verlaufenen Entwicklungen gut beschreiben konnte, interessiert die theoretisierenden Ideologen natuerlich wenig; diese haben ja ihre Theorien und solange sie sie nicht an der Wirklichkeit messen muessen, koennen sie ruhig weiterhin an ihre theoriebasierte, virtuelle Realitaet glauben - auch wenn sie mit der echten Realitaet wenig zu tun hat.

Gruss

Maesi


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