Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Liebe, ihr Fehlen usw.

susu, Sunday, 07.01.2007, 20:16 (vor 6909 Tagen) @ Lecithin

Hallo Lecitin,

Du bist mir zuvorgekommen mit Nietzsche, aber wenn ich den schon icht mehr in die Diskussion werfen kann, möchte ich zumindest noch einige Dinge ergänzen.

Hallo Ekki,

ich spreche jetzt einmal nicht das ganz abstrakte Konzept von Liebe an,
was sich als KONSTRUKTION begreifen lässt. Man muss wissen, dass - wie
z.B. auch bei dem Begriff "Freiheit" - es im Relativen endlose Abstufungen
gibt. So ist Liebe beim Menschen oft dem Sex gleichgesetzt. Sex wäre
"lediglich" wunderschönes Symbol für Liebe. Sex ist eine Analogie für
Liebe, ebenso, wie Mitmenschlichkeit eine Analogie dafür ist.

Interessanter scheint mir, daß Liebe als Begriff völlig überbestimmt ist, das dieses Wort also so viele Bedeutungen besitzt, daß sich kaum mehr darüber reden läßt, weil jeder andere Bedeutungen darin sieht und sich das Wort damit eigentlich der Aufgabe entzeiht zur Kommunikation zu taugen. Zu viele Aphorismen verstellen da die Sicht. Wenn man das Wort betrachtet kommen verschiedene Beduetungen zu Tage. Ohne Rücksicht auf Vollständigkeit mal eine Auswahl:
Die Sorge. Liebe als Verpflichtung zur Sorge um und für eine andere Person.
Die Zuneigung. Liebe als das Gefühl, sich jemandem öffnen zu können.
Der Sex. "Körperliche Liebe". Wobei ich es mit Groucho Marx halten würde "Warum Liebe sagen, wenn man Sex meint?"
Die Angst vor dem Verlust. Das Gefühl, das die Existenz von jemandem oder etwas das eigene Leben bereichert.

Im Relativen aber wäre erste Seinspflicht eines Lebewesens die Liebe zu
sich selbst! Dieses grundlegende Gebot, welches im Laufe der Jahrhunderte
im Abendland hinwegsubstituiert wurde, obwohl es in allen Überlieferungen
der Weltreligionen unmissverständlich aufgezeigt wird, wenn etwa gesagt
wird: "Liebe Deinen Nächsten, wie Dich selbst!", so ist dass natürlich
auch rückwärts gelesen richtig. Gleichwohl hat sich im Abendland alles um
180 Grad gedreht und dieser Spruch kommt einem jetzt "uninteressant" vor
und wird sogar als Selbstlosigkeit (man staune), also als das genaue
Gegenteil des eigentlich Intendierten uminterpretiert.

Eben

Sich selbst zu lieben ist schwierig
Denn selbstverständlich ist nicht
trotz Selbstreflexion nach belieben
Das man sich selbst verständlich ist

Das gezeichnete ich und die Leere
Die Leere und nichts außer ihr
was bleibst mir zu lieben, es wäre
nichts übrig zu lieben von mir

Das Lieben an sich heutzutage
zeigt immer nur auf was noch fehlt
und folgt somit der Kinderfrage
"Lieb´ dich selbst" - der Kinderbefehl?

Eh Benn

Eigenliebe ist somit der Ausgangspunkt für alle weitere Liebe. Und es ist
ein ganz pragamatischer, welcher die Anbindung an transzendente Prinzipien
erlaubt. Denn nur, wer sich selbst liebt, der lebt und kann andere lieben.
Das zeigt also auf, dass die Verteidigung des Selbst als Form von
Eigenliebe gelten muss. Auf der abstrakten Ebene ist Verteidigung nämlich
Konstruktion, weil sie vor der Destruktion bewahrt.

Dem würde ich entschieden widersprechen, weil gerade die Konstruktion des Selbst auf dessen nicht-Vorgängigkeit verweist. In diesem Sinne erklärst du das Selbst and sich als durch die Liebe zu sich konstituiert. Vieleicht meinen wir trotzdem das Gleiche...

Wer sich nicht verteidigt, der stirbt und VER-WEST. Er geht also seines
WESENS verlustig als Folge dessen, dass er auf seine Verteidigung
verzichtet hat!

Die Frage ist, was nötig ist, um ein Selbst zu be-wesen. Mir schwant, es könne die Zurichtung sein.

Ganz praktisch gesehen leiten sich davon alle Prinzipien ab und nur dumme
Menschen schlussfolgern dann, dass Ellebogenegoismus eine Form von
Verteidigung ist. Aber Ellebogenegoismus ist Angriff. Mit diesen
Prinzipien kann nur umgehen, wer aufmerksam ist. Deshalb muss mit
Selbstliebe die wachsende Erkenntnis einhergehen.

Erweitert muß man sagen, das in dier Hinsicht Egoismus ein Oxymoron ist, weil er dazu führt sich selbst die Stillung des Grundbedürfnisses nach Gemeinschaft vorzuenthalten. Somit ist Egoismus auf der Verneinung des eigenen Glücks aufgebaut, was aber gerade der Definition von Egoismus widerspricht. Auch wenn es nicht viel hilft, den Begriff der Liebe durch den ebenso schwammigen des Glücks zu ersetzen, vieleicht wäre es an der Zeit eine Innung der Glücksschmiede zu gründen.

Vielen Religionen wird zurecht vorgeworfen, sich allzusehr am Jenseits zu
orientieren. Permanent wird die Erlösung erst im Jenseits gepredigt und
das Leben auf der Erde als Jammertal dargestellt. Meditationspraxis bewegt
sich teilweise dahin, Körperfunktionen (LEBENSfunktionen) komplett
herunterzufahren (Yoga). Viele intendieren, das Hier und Jetzt und damit
Selbstliebe zu opfern und geschätzte Anlagen auf den Kompost zu werfen, um
ins große Jenseits einzugehen. In Nietzsches "Zarathustra" (was jeder
gelesen haben möchte) werden Mitmenschen übrigens und ganz konsequent als
Prediger des Todes bezeichnet, welche die ABKEHR VOM LEBEN predigen.
Das ist kein Angriff auf Meditationstechniken usw., sondern soll nur
darauf hinweisen, dass der Kontext für diese Übungen oftmals falsch
gesetzt wird.

Um den noch etwas hinzuzufügen, Nick schreibt:
"Mit anderen Worten: Er liebt das Leben an sich und als solches, weil es selbst ein Geschenk der Liebe ist, aus ihr hervorgeht und sie verwirklich(en soll)." und weiterhin "Gottes, des Schöpfers, der selbst Liebe ist". Letztenendes wird das Leben "geliebt", weil es ein Geschenk eines geliebten Gottes ist. So liebt man das Leben, wie man einen häßlichen Pulli liebt, den ein Geliebter Mensch einen zum Geburtstag gestrickt hat. Man liebt nicht den Pulli selbst, sondern nur die Geste. Es ist also nicht die Erlösungsvorstellung, die zwischen den "Predigern des Todes" und der Liebe zum Leben steht, sondern auch die Projektion des Lebens auf ein jenseitiges Wesen, das dieser Liebe augenscheinlich zuvorderst bedarf.

PS. Übrigens ist Maskulismus eine Verteidigung des Männlichen durch
erneute Bewusstwerdung dessen und der daraus resultierenden Eigen-Liebe,
welche wieder nur Ausgangspunkt sein kann für die Liebe zum
Gegenüberstehenden, nämlich die Liebe zum Weiblichen, praktisch ihren
Ausdruck in der ganz konkreten Liebe zur Frau findend. Maskulismus sollte
deshalb mit nichts gleichgesetzt werden, was ANGRIFF ist, das wäre
Sinnverdrehung aufgrund schwacher und damit destruktiver Denkart.

Das halte ich für Kappes. Es ist keineswegs nötig in Dualismen zu denken um - und aus oben genannten Gründen verzichte ich auf den Begriff Eigen-Liebe - an dem Punkt zu gelangen, an denen Männer sich die Frage stellen, was sie tun wollen um glücklich zu sein. Meine Alternative zu "Liebe dich selbst" wäre also "Sorge für dein Glück". Nick hat einen sehr guten Satz geschrieben:
"Es gibt aber keinen Menschen, der dazu auf der Welt ist, exklusiv die eigenen Defizite auszugleichen." Das ist letztenendes ein guter Ausdruck für die Problematik, die Butler mit dem Begriff "Zwangsheterosexualität" beschreibt. Und das größte Problem, daß größte Unrecht, daß Männer sich selbst zufügen, ist, daß sie ihre Defizite für relevant halten, weil sie ihre "Chancen auf dem Beziehungsmarkt verbessern" - viel Defizit, viel Ausgleich, könnte man meinen. Und das sie deshalb darauf verzichten zu ihrem Glück zu handeln. Wenn es einen Satz gibt, von dem ich möchte, daß er sich in die Köpfe der Menschen fräßt, dann dieser: "Sich ins Elend zu stürzen, macht -von Morrisey abgesehen - nicht sexy!"

susu


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