Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Liebe, ihr Fehlen usw.

Chato, Sunday, 07.01.2007, 08:38 (vor 6910 Tagen) @ Ekki

Guten Tag Ekki!

Nach meiner Kenntnis der Geschichte vermag ich nicht zu erkennen, daß es jemals
ein Zeitalter gegeben hätte, in dem für Liebe nicht gezahlt werden mußte. Stichwort
"Brautpreis". In der einen oder anderen Form durchzieht diese ungeschriebene Regel
alle geschichtlichen Epochen, und wer wider diesen Stachel anlöcken wollte, hatte es
in der Regel sehr schwer.

Liebesfähigkeit bezieht sich keineswegs ausschließlich auf die Liebe von Mann und Weib, sondern ist ihrem Wesen nach universal. Wer liebt, der liebt (der Tendenz nach) alles ohne Ausnahme. Mit anderen Worten: Er liebt das Leben an sich und als solches, weil es selbst ein Geschenk der Liebe ist, aus ihr hervorgeht und sie verwirklich(en soll). Davon sind sehr viele Menschen im "Westen" heute weit, weit entfernt, weil Liebe halt auch verweigert werden kann. Der Grund für diese Verweigerung besteht m.E. letztlich in der Ablehnung Gottes, des Schöpfers, der selbst Liebe ist und dieses göttliche Sein als höchste Fähigkeit in die Seele des Menschen gelegt hat. Da du über so etwas leider lachst, hat es keinen Sinn für mich, die Frage näher mit dir zu diskutieren, erst recht nicht unter den hiesigen Bedingungen, in denen das Hohngelächter darüber erfahrungsgemäß in Dolby surround aus jeder Richtung kommt. Dieses Thema wird von mir hier nicht mehr diskutiert. Dafür gibt es inzwischen andere Orte.

Ehe und Liebe sind gewiß nicht per se synonym und waren es nie, sondern spiegeln neben der ohnehin gegebenen Spannung dieser beiden Begriffe noch ein weites Feld anderer, allgemein menschlicher Gegebenheiten und historisch-kulturell bedingter Traditionen usw. wider, darunter auch ökonomische Aspekte. Das erscheint anrüchig, ist es aber m.E. nicht. Heute leiden die meisten Menschen unter dem Ideal der "romantischen Liebe" - ich sage ganz bewußt "leiden", weil es ein illusorisches, verkehrtes Ideal ist, das bereits auf verweigerter Liebe beruht und halt nur noch dann gewissermaßen "eine Ausnahme" zu machen bereit ist, falls, ja falls "die Richtige" aufkreuzt. Die kreuzt natürlich in Wahrheit nie auf (und umgekehrt), weil es sie nicht gibt! Und wenn sie doch aufkreuzt, dann ist es die Falsche gewesen, wie sich früher oder später herausstellt, und man scheidet sich halt (die bekannten Asymmetrien dabei lasse ich jetzt bewußt weg, weil sie sekundär sind und hier nicht im Vordergrund stehen). In Wahrheit wäre jede(r)"falsch" gewesen, weil "romantische Liebe" in Wahrheit keine Liebe ist, die den anderen liebt, sondern in ihn all das hineinprojiziert, was im eigenen Inneren als Mangel erlebt oder erahnt wird. Es gibt aber keinen Menschen, der dazu auf der Welt ist, exklusiv die eigenen Defizite auszugleichen. Es ist einfach irreal und unreif, solches zu erwarten. Und mit Liebe zu jenem anderen hat es sowieso nichts zu tun, da man ihn ja nur "liebt", soweit er einem für eigene Belange nützlich erscheint. Das wird zwar romantisch verbrämt (deshalb die Bezeichnung dieses Phänomens), ist aber schlicht und einfach die trockene, nüchterne Wahrheit.

Früher heiratete man nicht "aus Liebe", sondern weil man halt heiratete, und geliebt hat man einander nicht primär und schon gar nicht exklusiv, weil man verheiratet war, sondern weil man sowieso die Menschen liebte, also auch die Person, mit der man intim verbunden war, und weil man intim verbunden war, liebte man sich hernach halt oft doch ganz besonders, weil man sich besonders gut kannte, besonders viel miteinander teilte, besonders auf einander angewiesen war usw. Es geht mir hier jetzt nicht darum, ob das immer so war, oder ob es etwa immer "automatisch" so war, aber es war gewiß oft so und keiner hat es auch anders erwartet, sondern man empfand es wohl einfach als "normal" und als Ausdruck einer allgemeinen menschlichen Reife, die man untereinander voraussetzte, weil das Leben hart und kurz und mühselig war und sowieso wenig Zeit ließ, darüber zu sinnieren, was es denn nun bedeuten könnte, falls das alles nicht so perfekt funktionierte. Es hatte gewissermaßen zu funktionieren, und es funktionierte wohl oft auch tatsächlich.

Es geht hier nicht darum, etwas "nachzumachen" oder zu "empfehlen", was weder in den Lebensverhältnissen, noch vor allem im seelischen Repertoire der meisten Menschen noch vorhanden ist. Was ist, ist, und was nicht ist, ist nicht. Aber man kann begreifen, was für Konsequenzen ein "Nichtsein" seelischer Fähigkeiten, warum auch immer sie fehlen mögen, hat. Das setzt die Fähigkeit zur Objektivität voraus, und die ist oft bereits nicht gegeben. Aber die Möglichkeit dazu ist jedenfalls nicht von vorn herein ausgeschlossen. Nüchterne Einsicht ist nicht die Lösung, aber der erste, unverzichtbare Schritt zu ihr hin, auf einem freilich langen, schmerzvollen Weg. Die meisten wollen ihn nicht gehen. Das ist schade, aber von außen nicht zu beeinflussen.

Eines gilt es m.E. hier festzuhalten. Wer liebt, zahlt nie für diese Liebe, was er nicht zu zahlen bereit wäre, aber er erhält, wenn es wechselseitig geschieht, mehr zurück, als er "investiert" hat. Und zwar jede der beiden Seiten. Und zwar auch dann - ja ausgesprochen nur dann - wenn er gar nicht darüber nachdenkt. Liebe "bekommt" man nicht, sondern man gibt sie, ohne über die "Gegenleistungen" nachzudenken. Das ist das Wesen der Liebe! Wenn es wechselseitig geschieht, kommt nicht nur keiner zu kurz, sondern jeder erhält unendlich viel mehr, als er auf andere Weise je erwerben könnte. Liebe ist ein echtes Geheimnis, d.h. es läßt sich nicht ganz verstehen oder "knacken" wie ein Rätsel. Ein irreales Ideal? Nicht für die, die es leben und seine Wahrheit erfahren. Wer es nicht kennt, wird es freilich bestimmt als verrückt bezeichnen.

Wer - zutreffenderweise! - beklagt, daß immer weniger Liebe gelebt wird, der kann
m.E. nicht hingehen, und die Menschheit in klar voneinander unterscheidbare "Täter"
und "Opfer" einteilen. Zumindest ansatzweise hat Chato/Nick dies ja ausgeführt, indem
er zwischen der Ideologie und den von ihr Verblendeten unterschied und sein tiefstes
Mitleid für die Verblendeten ausdrückte.

Menschen sind Täter und Opfer zugleich, in der Tat. Aber nicht nur in Bezug auf einander, sondern auch, ja mehr noch und primär in Bezug auf sich selbst. Das wird immer gerne vergessen. Die schlimmsten Untaten fügen nicht andere uns zu, sondern wir selbst. Bloß ist man i.A. wenig geneigt, sich diese Sicht zu eigen zu machen, weil man dann alle vordergründigen Vorteile des Opferseins verlöre und noch dazu die Verantwortung für alle begangenen Taten an sich selbst zu tragen und auszubaden hätte. An dieser Stelle beginnt die Neurose: Man lebt lieber ein erdichtetes, verdrehtes, verkehrtes, "leichtes" Leben, bei dem man "besser abschneidet", als ein hartes, wahres, bei dem man so abschneidet, wie man wirklich ist. Vielen reicht das halt nicht und ist eh zu mühselig. Dabei bringt man sich eben dadurch buchstäblich um alles...

Man muß jedoch meiner Meinung nach die Differenzierung noch weiter treiben: Die
wenigsten Menschen mit einer totalen Unfähigkeit zu Liebe und Hingabe geboren.
Tatsache ist jedoch, daß viele Menschen auch in der Liebe Zurückweisungen und
Niederlagen erleben. Glücklich diejenigen, in deren Leben dann irgendwann einmal
ein Mensch tritt, der zu ihnen hält und die Wunden der Zurückweisungen und
Niederlagen heilt
. Eben dies jedoch ist bei einer heute bereits erschreckend großen und
allem Anschein nach immer noch zunehmenden Zahl der Menschen nicht der Fall: Sie
leben und sterben mit (und an) ihren unerfüllten Liebeshoffnungen.

Mit anderen Worten: Es ist durchaus möglich, daß ein Mensch, der auf seiner Suche nach
einem Menschen, von dem er geliebt wird und den er wiederliebt, zu lange und/oder zu
heftige Enttäuschungen erlebt, sich in seiner Persönlichkeit ändert. Diese Änderung
geschieht kaum jemals von heute auf morgen, vielmehr handelt es sich um einen
schleichenden Verlust von Liebes- und Bindungsfähigkeit und -willigkeit. Und
manche dieser Menschen mögen tatsächlich irgendwann bei einer zynischen
Lebenshaltung anlangen.

Alle Menschen kommen mit einer angeborenen Affinität zur Liebe zur Welt. Wenn nichts der Liebe widersprechendes in ihr Leben träte, dann würde sich diese angeborene Begabung in der Tat frei entfalten (ihre höchste Ausdrucksform wäre dann übrigens nicht Poppen, wie du immer annimmst, sondern dieses wäre nur eine Ausrucksform unter unendlich vielen, und gewiß nicht mal eine besonders hervorgehobene - aber hier geht es um etwas anderes, und ich will diese Frage eh nicht näher mit dir diskutieren).

Ich gehe direkt auf das Zentrum des Problems los und drehe den fettgedruckten Satz um, verbunden mit der Frage, welche Konsequenzen es wohl hätte - für die anderen und für dich selbst - wenn du ihn lebtest / leben könntest: "Glücklich diejenigen, in deren Leben ich, Ekki, irgendwann einmal trete, zu denen ich unverbrüchlich halte und deren Wunden und Zurückweisungen ich heile!" Fasse es jetzt bitte nicht als Kritik an deiner Person auf, sondern mache dir nur ganz ruhig klar, welche Bedeutung es hätte, wenn du es so sähest - für andere und für dich selbst. Es wird unmittelbar klar, nicht wahr, daß dies der erste Schritt der Lösung wäre? Und auch, weshalb dies alles "bei einer zunehmenden Zahl der Menschen nicht der Fall ist" und warum "immer mehr Menschen leben und mit (und an) ihren unerfüllten Liebeshoffnungen sterben"...

Das Prinzip Liebe funktioniert nicht mehr, weil niemand mehr liebt - und nicht primär deshalb, weil keiner mehr geliebt wird, denn das letztere ist sekundär, weil abhängig vom ersteren. Die Lösung? Man müßte selbst damit anfangen und gewissermaßen lieben, ohne selbst geliebt zu werden. Bloß, wer schafft das und bringt das fertig? Tja, und damit sind wir notgedrungen bei dem Thema, das ich hier nicht mehr diskutiere, sondern nur noch im Blauen Forum.

Deine sensible Beobachtung, wie dieser fatale Prozeß schleichend voranschreitet und allmählich die Persönlichkeit umformt und sie am Ende recht eigentlich zerstört, ist natürlich völlig richtig beobachtet. Freilich deute ich die Tatsache, daß du es überhaupt noch zu beobachten und zu bemerken fähig bist, als Indiz dafür, daß das nicht unbedingt so bleiben muß. Es könnte sich auch noch ändern. Ein Zyniker bist du jedenfalls nicht (etwas, das ich schon immer wußte). Aber keiner kann es für dich tun, Ekki! Das ist eine vollkommene Unmöglichkeit, weil es etwas ist, das nur du, und nur du selbst, tun oder lassen kannst. Andere könnten dich höchstens treten und prügeln in der Hoffnung, daß du beim Taumeln irgendwie zufällig in die richtige Richtung kippst und dann in diese Richtung selber weitergehst. Diese Einschätzung ist übrigens der Grund dafür, warum ich immer so böse zu dir bin - und es auch bestimmt weiter bleiben werde, weil mir nämlich besseres nicht zur Verfügung steht. Ich bin ja schließlich nicht du.

Sind diese Menschen jetzt ...
... lupenreine Täter?
... lupenreine Opfer?
Mir scheint - keines von beiden.

Mir scheint - beides. Und zwar v.a. Opfer ihrer selbst und Täter an sich selbst. Aber das ist nur meine persönliche Meinung - will heißen: ich werde keinen argumentativen Aufwand betreiben, einen Menschen, der anderer Meinung ist, von seiner Meinung abzubringen. Dazu ist die Sache erstens zu intim und zu persönlich. Und zweitens ist meine Fähigkeit und Bereitschaft, die Abwehr anderer Leute wegzustecken, noch dazu coram publico (und welches Publikum!) eine limitierte Größe.

Und aus diesem Grunde halte ich Absätze wie den folgenden für unhaltbar:
"Wie die Sache ausgeht? Die kranken Irren rotten sich selbst aus (eine
empirische Tatsache) - und die anderen bleiben übrig und entfalten sich
hernach weiter zu Menschen. An die tollwütigen und an die apathischen,
gottlosen Irren, die sich ausgerottet haben, wird dann keiner mehr denken.
Man wird einfach vergessen haben, daß es sie überhaupt jemals gegeben hat.
Fröhliche Höllenfahrt!
Gruß vom
Nick
(grimmig!)"

Sie sind auch unhaltbar. Aber weißt du, Ekki, ich bin Arzt. Ein appes Bein ist nichts Schönes, keine Frage. Aber ein Bein, das dran bleibt und den Menschen umbringt, ist erst recht nicht schön. Also greife ich manchmal zur Säge...

...und säge natürlich kein Bein ab, sondern demonstriere in schockierender Absicht die schockierenden Konsequenzen, die unfehlbar eintreten werden, wenn das, was ich so roh und grob geißele, nicht geändert wird, sondern ungebremst weitergeht. Es gibt keinen Staat, der es ändern könnte oder dürfte (oder es überhaupt ändern wollte, natürlich), auch keine andere Instanz, sondern das müssen die ändern, denen es andernfalls genau so ergeht. Wer denn sonst? Aber wie überzeugt man die davon? Das ist ein echtes Problem.

Ich sage lediglich mit ganz drastischen, vielleicht schmerzenden und empörenden Worten dasselbe, das auch du sagst, wenn du formulierst: "Es handelt es sich um einen schleichenden Verlust von Liebes- und Bindungsfähigkeit und -willigkeit. Und manche dieser Menschen mögen tatsächlich irgendwann bei einer zynischen Lebenshaltung anlangen." Falls ich etwa dazu beigetragen haben sollte, dich mit meinen Worten ein bißchen wacher zu bekommen - war es dann den Einsatz nicht wert? Wir müssen da nicht eines Sinnes sein, wahrscheinlich lehnst du es einfach ab. Andererseits kann man mich halt nicht dafür verhaften... :-)

Es ist noch nicht ausgemacht, ob wirklich alle Menschen bei einer "solchen Lebenshaltung" anlangen. Was in meinen Kräften steht, will ich gerne, nach Maßgabe meiner Fähigkeiten und meiner Grenzen, beitragen. Und "appe Beine" sind für mich halt nicht das Schlimmste, das es auf dieser Welt gibt. Es gibt wirklich Schlimmeres. Das darf ich dir sagen, weil du es ja selbst bereits herausgefunden hast.

Ja, ich konstatiere, daß unsere Welt irre geworden ist. Sie irrt sich m.E. in so gut wie allem und überlegt sich Lösungen, die erst recht und noch mehr in die Irre gehen. Wenn das stimmt, dann ist es wichtig, daß es gesagt (und von möglichst vielen erkannt) wird. Wenn es nicht stimmt, wird man die Belästigung ganz einfach dadurch los, daß man mich für irre erklärt und ruhig so weiterlebt wie bisher. So einen großen Einfluß können meine paar Worte dann nämlich nicht nehmen, erst recht nicht auf derart ruhige, gelassene Leute, die sich ihrer Sache völlig sicher sind und die Welt viel besser verstehen als ich. Deren Glück und Lebensfreude können so ein paar grobe Worte garantiert nicht durcheinanderbringen, weshalb sowieso jeder Grund zur ernsthaften Klage entfällt.

Ganz abgesehen von meinem Lieblingsthema, dem Zölibat ...

Das Thema lassen wir mal lieber. Du kennst ja meine Einstellung: "Zölibat ist Revolution!" Nicht für jeden ist das geeignet, natürlich, denn nicht jeder ist ein Revolutionär. Aber manche eben schon (ich selbst übrigens nicht).

Die Fragen, die von Nick/Chato aufgeworfen wurden, sind jedenfalls von elementarer
Bedeutung und verdienen es in meinen Augen, daß immer wieder auf sie eingegangen
wird. Es sind Menschheits-Fragen[/b] - und nicht nur Forenthemen.

Das sehe ich auch so. Und weil das so ist, rede ich in solchen Foren vergleichsweise marginal darüber. Die Orte meiner Hauptaktivitäten liegen woanders.

Gruß vom
grundbösen Nick


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