Sigusch
Als Antwort auf: Re: Sigusch in "Neosexualitäten" von Arne Hoffmann am 29. Mai 2005 19:44:15:
Huhu Arne
dachte mir, dass du darauf einsteigst. 
Ich rezensiere den Sigusch gerade für eine Szene-Zeitschrift. Die Rohfassung meiner Kritik hab ich unten mal beigefügt. Ich hab den Text aber noch nicht überarbeitet, insbesondere fehlt noch ein Schlussabsatz als Fazit. Den ergänze ich dann wohl morgen früh.
[quote][quote]Während Siguschs "Sexuelle Störungen und ihre Behandlung" die Pathologisierung von genderqueeren Personen fortschreibt, [/quote][/quote]
Das tut er?
Das Buch ist der Standard, was in Deutschland die Therapie bzw. "Therapie" von GID angeht. Wen jemand einen Psycholgen aufsucht, der sich mit der Thematik nicht aktuell befasst hat, ist Siguschs Buch das Werk, in dem er nachschlägt.
In diesem Buch zumindest kommt das nicht so zum Tragen. Aber ich hab das mal in meine Besprechung aufgenommen. Wird Sigusch unter Transsexuellen/Postgendern eigentlich intensiv diskutiert?
Nicht in so einem starken Außmaß. Ich kenne einige die "Geschlechtswechsel" gelesen haben und dannacht hat eigentlich niemand mehr große Lust, sich mit Sigusch zu beschäftigen. Zumal jener sich wie gesagt umgekehrt nicht die Mühe macht unserem Diskurs überhaupt zu folgen.
Ja, die eigene Verwobenheit Siguschs hätte mich auch interessiert. Ich werde manchmal ein bisschen misstrauisch, wenn sich Leute hinter allzu gestelzter Phraseologie verbergen. Andererseits spricht man in gewissen Kreisen und nach intensiver Lektüre wohl so; die Butler und du selber, ihr seid für viele ja auch oft recht unzugänglich.
Das stimmt, aber, um mal ein sehr fragiles wir zu konstruieren, Butler und ich sind eben explizit mit unserer Position verwoben. Und das auch recht öffentlich. Auf der anderen Seite besteht der Versuch an unseren Positionen allgemeine Themen aufzuhängen. Bei Sigusch habe ich den Eindruck er schiebt das was er betrachtet so weit von sich weg, wie es nur geht.
So spricht Sigusch in diesem Buch auch, wobei das allerdings zum Teil ohnehin eine Zusammenstellung älterer Texte zu sein scheint. So ein Neuaufguss, wie ihn auch Alice Schwarzer mit ihren Büchern manchmal macht.
Ich glaube Sigusch hat seit über 10 Jahren keine neue Idee mehr gehabt.
Du meinst, er betrachtet das als sexuelle Erlebnisform wie meinethalben den Sadomasochismus, und in Wahrheit ist es eine Form von Identität?
Na ja, teilweise ja auch die Zurückweisung von Identität. Nur hat das eben nicht zwingend irgendetwas mit Sexualität zu tun. Irgenwie entspricht er da dem Klichee des Psyvhoanalytikers der sagt "Sie essen gerne Gummibärchen. Aha. Das heißt sie wollen ihren Vater schwängern".
Ich hab mir gerade mal die Inhaltsangabe durchgelesen. Butler setzt sich mit Willa Cather auseinander? Hört sich spaßig an.
Hab´s noch nicht ganz durch und finde auch keine Referenz im Sachregister (jedes Buch sollte ein Sachregister haben *g*)
Zwischen der Butler und meinem "Kick"? Erzähl mal! 
"Moreover, fantasy is part of the articualtion of the possible; it moves us beyond what is merely actual and presen into a realm of possibility, the not yet actualized or the not actualizable. The struggle to survive is not seperable from the cultural life of fantasy, and the foreclosure of fantasy - through censorship, degradation, or other means - is one strategy for providing for the social death of persones."
Vieleicht ist es zwingend für jede Philosophische Betrachtung von Sexualität, daß sie erst mal vom Kopf ausgeht (Andererseits gibt´s ja Descartes [oder doch Voltaire? Mal Nachschlagen...], der die sexuelle Fantasie in seinen ethischen Überlegungen mit Vergewaltigungen gleichstellte.).
der Rohentwurf meiner Rezension:
Häufig ranken sich um sexuelle Spielarten, die oft den Randbereichen zugeschrieben werden und die man früher als Perversionen bezeichnete: vom altvertrauten Sadomasochismus bis zu weniger bekannten Varianten wie Sitophilie, Shrimping und Zipper Sex. Dabei ist Sigusch zufolge die Perversion "das Positiv der Normalität" nicht deren Verdrehung und Verkehrung, sondern ihre Überhöhung und Steigerung ins Extreme: "Niemand hat das bisher zu schreiben gewagt: dass die Lust, die aus einer Perversion gezogen werden kann, einzigartig ist." Oft geht es Sigusch aber auch um die Entwicklung der Sexualität im allgemeinen.
Auch wenn er selbst es gern so gehabt hätte: Niemand war Foucault nicht...
Dass wir es momentan mit einer Kommerzialisierung und Banalisierung von Sex zu tun haben, der zu einem großen Teil auf Selbstinszenierung beruht, ist nun noch keine umwälzende Erkenntnis, sondern findet sich heute in jedem zweiten Kommentar zur Love Parade oder zum CSD.
Eigentlich ist es sogar ein Rückschritt. Aktuell wäre eine historische Analyse die herausarbeitet das Sexualität schon immer zum größten Teil auf Selbstinszenierung beruht.
Kühner sind da schon Thesen wie die folgenden:
- In zwei oder drei Generationen würden wohl auch sodomistische Lebenspartnerschaften rechtlich und gesellschaftlich anerkannt werden, auch wenn man dafür wohl euphemistische Umschreibungen wie "tierliebende Beziehungen" oder "Mensch-Tier-Partnerschaften" wählen würde.
Das halte ich für Unfug. Damit diese Partnerschaften rechtlich annerkannt werden könnten, müsten die Tiere erstmal rechtsgültige Verträge abschließn können, also bestimmte Rechte erwerben. Katzen würden Whiskas kaufen, aber welche Partei würden sie wählen?
- Potenzmittel wie Viagra besäßen kein biochemisch ähnlich erfolgreich wirkendes Gegenstück für Frauen, da es in unserer Kultur keinen Signifikanten gebe, der dem Phallus an symbolischer Durchschlagskraft gleichgestellt sei.
Hä? Und Heroin macht abhängiger als XTC, weil eine Spritze ein Pallussymbol ist, eine Pille aber nicht? Wenn er Lacan doch wenigsten verstanden hätte...
- Je rasender bei Fällen von sexuellem Missbrauchs oder Sexualmords an Kindern das "Rübe ab!" ausfalle, desto deutlicher zeige sich das Verlangen, mit der individuellen Katastrophe die kollektive Katastrophe der Gewalt gegen Kinder in unserer Gesellschaft zu verdrängen: Stehe doch beispielsweise einem Hund hierzulande rechtlich mehr Wohnfläche zu als einem Kind. Und: "Pro Jahr sterben bei uns 1400 bis 1600 Kinder im Straßenverkehr, während vier bis sechs Kinder aus offenbar sexuellen Motiven getötet werden. In den Medien wird aber ein ganz anderes Bild erzeugt."
Das scheint mir vernünftiger. Wobei dann doch anzumerken wäre, daß sexueller Mißbruch meist nicht tödlich endet.
- Nachdem die Sexualität durch Enttabuisierung, Entmystifizierung, Komerzialisierung und permanenter öffentlicher Präsentation an sozialer Sprengkraft verloren hat, dürfte in Zukunft an ihre Stelle die Kraft der Gewalt treten, um noch den ersehnten Kick und Thrill zu erleben.
Das wiederum ist eine scharfsinnige Analyse... Es sei denn man befindet sich gerdade wo anders als vor dem Fernsehapparat auf dem gerade Clockwork Orange läuft. Gerade durch ihre Enttabuisierung und Kommerzialisierung (Entmystifizierung ist Unsinn. Die Moderne hat Sexualität mit "Wahrheit" aufgeladen und damit ihren Mythos erzeugt) gewinnt die Sexualität an sozialer Sprengkraft, weil erst das massive Bombardement mit dem "Normalen" und als Kontrast den Spengseln des "Perversen" dazu geführt hat, daß es da klare Demarkationslinien gibt.
susu
gesamter Thread:
- Sigusch in "Neosexualitäten" -
Arne Hoffmann,
28.05.2005, 02:08
- Re: Sigusch in "Neosexualitäten" -
susu,
28.05.2005, 06:06
- Re: Sigusch in "Neosexualitäten" -
Arne Hoffmann,
29.05.2005, 22:44
- Sigusch -
susu,
30.05.2005, 03:59
- Re: Sigusch - Arne Hoffmann, 30.05.2005, 13:17
- Sigusch -
susu,
30.05.2005, 03:59
- Re: Sigusch in "Neosexualitäten" -
Arne Hoffmann,
29.05.2005, 22:44
- Re: Sigusch in "Neosexualitäten" -
susu,
28.05.2005, 06:06