Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Sigusch in "Neosexualitäten"

susu, Saturday, 28.05.2005, 06:06 (vor 7501 Tagen) @ Arne Hoffmann

Als Antwort auf: Sigusch in "Neosexualitäten" von Arne Hoffmann am 27. Mai 2005 23:08:05:

Volkmar Sigusch, einer der bekanntesten deutschen Sexualwissenschaftler,...

Einigen vieleicht bekannt ist, daß ich ein Plattelabel names "Post-Neo-Records" betreibe. Dieser Name entstand als Reaktion auf Siguschs Begriff der "neosexuellen Revolution". Wie das Post schon andeutet geht es darum, Sigusch zu überwinden. Die Foucautsche Analyse der Arbeit von Krafft-Ebing, wird eine ebensolche der Ergüsse Siguschs folgen müssen.

Während Siguschs "Sexuelle Störungen und ihre Behandlung" die Pathologisierung von genderqueeren Personen fortschreibt, bezieht er gleichzeitig Stellung außerhalb des queer-akademischen Diskurses. Sigusch ist dabei in der Position als bekannter Sexualwissenschaftler sich formierende politische Konfigurationen als Pathologie oder Perversion zu betrachten, sein Umgang mit dem Thema ist durch eine Distanz bestimmt, die dadurch erzeugt wird, daß die eigene Verwobenheit mit Fragen des Geschlechts nicht hinterfragt wird (das ist nichts ungewöhnliches, aber durch seine herausgehobene Position in diesem Fall besonders verheerend). Um das an einem seiner Begriffe deutlich zu machen: Sigusch führt die "Zissexualität" ein, einen Begriff den er auf Hirschfelds "Cisvestiten" zurückführt. Nun gibt es ein Wort, daß seit ca. 30 Jahren verwendet wird und den gleichen Sachverhalt beschreibt: Cissexuell. Das Sigusch erklärt, er habe diesen Begriff quasi erfunden ("Ich gestatte mir hier einmal ‚Zissexualismus' und ‚Zissexuelle', ganz sachlogisch und sprachlich korrekt, einzuführen [..]" - aus "Geschlechtswechsel", Sigusch 92) ist lächerlich (Ich gestatte mir hier einmal den Begriff Jesuismus, ganz sachlogisch und sprachlich korrekt einzuführen, da es keinen Begriff gibt, der das Verlangen gegeißelt zu werden beschreiben würde...). Das Sigusch genderqueer als Sexualität begreift, zeigt auch noch mal deutlich, daß er nichts verstanden hat.

Letztlich geht es Sigusch darum genderqueere Personen aus diesem Diskurs auszuschließen, einem Diskurs, in dem es ganz konkret um sie (uns!) geht. Wir sollen uns da bitteschön an daß anpassen, was Sigusch für uns vorsieht, immerhin ist er der Experte, was unsere Leben angeht, während wir keine Ahnung haben (und das gilt erst Recht für diejenigen unter uns, die tatsächlich eine akademische Laufbahn in dieser Richtung führen). Deshalb, Sigusch wegwerfen und lieber mal Butlers "Undoing gender" lesen. Sehr empfehlenswert, weil (für Butler) unglaublich poetisch geschrieben und konzeptionell up to date (vor allem ihre Überlegungen zu loss/transformation, kinship als Beziehungsmodell und die Gedanken zu Sex [undoing gender kam im selben Amazon Paket wie "der Kick im Kopf" und es gibt da Parallelen]).

susu


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