Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Sigusch in "Neosexualitäten"

Arne Hoffmann, Saturday, 28.05.2005, 02:08 (vor 7502 Tagen)

Volkmar Sigusch, einer der bekanntesten deutschen Sexualwissenschaftler, erörtert in seinem neuen Buch "Neosexualitäten" (Campus 2005) unter anderem den Verlauf von Forschung und Debatte über (sexuelle und nicht-sexuelle) Gewalt in familiären und anderen Intimbeziehungen:

"Der ehemals singuläre und kranke Triebtäter wurde zum ubiquitären und normalen Geschlechtstäter, zum Vergewaltiger und Missbraucher vervielfältigt. Männer schienen nur noch geil, gewalttätig und impotent zu sein. (…) Richtete sich die Dissoziation der aggressiv-trennenden von der zärtlich-verbindenden Seite der Sexualität zunächst gegen Männer, erreichte sie bald auch alle anderen. Inzwischen sind nicht nur Frauen in heterosexuellen Beziehungen Täterinnen, womit ihnen ein Subjektstatus und nicht nur die Opferrolle zugesprochen wurde. (…) Der jüngste Versuch, Destruktion und Gewalttätigkeit aufzuspüren, besteht darin, Frauen ausfindig zu machen, die sich an Kindern vergehen, und Kinder zu erforschen, die andere Kinder sexuell missbrauchen. Und natürlich gibt es neuerdings in Skandinavien auch Heime, in die Männer flüchten, die von ihren Frauen geschlagen worden sein sollen. (…) Inbegriff des Täters ist aber nach wie vor `der Mann´, was nicht verwundert, weil sich der Patriarchalismus trotz aller Modernisierungen tendenziell fortschleppt und weil die skandalöse gesellschaftliche Benachteiligung des weiblichen Geschlechts in Zeiten ökonomischer Krisen wieder zunimmt."
(S. 32-33)

Man merkt hier natürlich, dass Sigusch aus der politischen Linken kommt (er schreibt unter anderem für den Konkret Verlag) und dass er fremdworttechnisch gern auf dicke Hose macht. Warum sollte man "allgegenwärtig" sagen, wenn es "ubiquitär" auch tut? Trotzdem finde ich diese Darstellung ganz interessant. Auch zum Thema Sexueller Missbrauch fasst Sigusch die Entwicklung der Debatte zusammen:

"Alle geschiedenen Väter sollten wieder mit ihren Kindern baden. Erwachsenen ausgeliefert zu sein, die sexualisieren und misshandeln, ist für Kinder die Hölle. In die Fallstricke des Missbrauchsdiskurses zu geraten ist für die Verdächtigten und für die durch Verhöre zusätzlich verstörten Kinder eine Vorhölle, insbesondere wenn es um Familienangehörige geht. Manfrau muss in der Praxis erlebt haben, wie Kinder mir diskursivem Geifer blindwütig von ihren Eltern getrennt, Ehen zerstört und Familien aufgelöst wurden, behördlich angeordnet, gutachterlich abgesegnet, beraterisch angezettelt, als gäbe es keine Unschuldsvermutung, als sei ein Eltern-Kind-Verhältnis eine Nebensächlichkeit und nicht das Wichtigste von der kindlichen Welt."
(S. 149)

Bemerkenswert, dass diese Zustände immerhin im Kopf eines Forschers angekommen sind, der sein ganzes Buch über allen Ernstes das Wort "manfrau" benutzt. :-)

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Arne


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