Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Möhren und anderes Gemüse

Andreas, Wednesday, 05.01.2005, 01:28 (vor 7641 Tagen) @ Nick

Als Antwort auf: Re: Möhren und anderes Gemüse von Nick am 04. Januar 2005 20:01:46:

Hallo Nick,

"Zwischen einer Tatsache und einem persönlichen Erlebnis gibt es aber schon noch einen Unterschied."
Zweifellos. Es gibt sogar Unterschiede zwischen verschiedenen Tatsachen und auch Unterschiede zwischen verschiedenen persönlichen Erlebnissen. Dein Argument ist also hinfällig, weil es nichts erklärt, sondern nur dem Ausweichen vor der Frage dienen soll.

Selbstverständlich gibt es Unterschiede zwischen verschiedenen Tatsachen, denn ansonsten wären sie ja nicht verschieden. Mein Argument ist auch nicht hinfällig, weil es lediglich darauf hinweisen sollte, daß es einen Unterschied zwischen Tatsachen und persönlichen Erlebnissen gibt. Unter Tatsachen verstehe ich empirische Befunde. Sonst nichts. Ein persönliches Erlebnis ist keine Tatsache. Aber ein persönliches Erlebnis kann anhand von Tatsachen festgestellt werden bzw. sich in Form von Tatsachen äußern, weil es natürlich mit bestimmten chemischen und elektrischen Reaktionen in unserem Nervensystem einhergeht, die durch geeignete Meßverfahren sichtbar gemacht werden können.

Unbestreitbar hingegen ist, daß auch persönliche Erlebnisse Tatsachen sind. Oder hast du keine persönlichen Erlebnisse?

Du hast behauptet, eine sittliche und freie Seele sei eine Tatsache. Ich frage mich, wie Du darauf kommst. Ich gestehe Dir durchaus zu, daß Du persönliche Erlebnisse hast. Wenn Du aber aus Deinen persönlichen Erlebnissen auf die Existenz einer eigenständigen Entität schließt - eben einer Seele und dies auch noch als Tatsache formulierst, dann hätte ich gerne einen empirischen und damit intersubjektiv prüfbaren Beleg für diese Aussage. Sie ist ohne empirischen Gehalt sinn- bzw. bedeutungslos und damit im wahrsten Sinne des Wortes "gegenstandslos".

"Ich hatte bislang noch kein Erlebnis, das mich notwendigerweise zur Annahme führte, es gäbe da so etwas wie eine Seele."
Hattest du denn schon Erlebnisse, die dich notwendigerweise zur Annahme führten, es handle sich dabei um Nervenimpulse? Hast du also deine Nervenimpulse schon einmal erlebt?

Selbstverständlich. Spätestens dann, wenn ich meine Hand auf eine heiße Herdplatte lege. Aber Spaß beiseite, mir ist schon klar, worauf Du hinaus willst:

Wenn das nicht der Fall ist, wenn du deine Erlebnisse also nicht in Form von Nervenimpulsen als solchen erlebst, dann handelt es sich offenbar um etwas anderes, als "nur" um Nervenimpulse.

Wie kommst Du denn auf diese Idee? Was soll dieses "mehr" denn sein und mit welchen Meßgeräten kann ich es feststellen?

Gibt es Linux? Oder sind das "nur Bits"? Ich habe hier eine alte Schrottdiskette auf dem Schreibtisch liegen. Das sind auch nur Bits. Ist diese Diskette Linux? Ist es (in diesem Fall) nicht in Wahrheit so, daß die immaterielle(!) Anordnung der Bits Linux zu Linux macht?

Ich habe damit natürlich nicht gesagt, die Seele sei "wie Linux". Aber ich habe das Argument widerlegt, alles was es gibt, könne nur 'materiell' sein, andernfalls gäbe es das eben nicht.

Läßt sich das in einer physikalistischen Sprache formulieren? Wenn nicht, dann müssen wir nicht weiter darüber sprechen, weil es nichts gibt, worüber wir sprechen müßten.

Ich schlage dir einen einfachen Versuch vor: nimm Mozarts Requiem (als Tonbandkassete oder als CD) und lege sie in den Player. Nimm dir Zeit und höre aufmerksam zu! WAS hörst du? Bits? Magnetisierte Eisenspäne? Wenn ja: warum rührt es dich an? Warum heulst du vielleicht sogar?

Wir drehen uns im Kreise, Nick. :-)
Ich weiß immer noch nicht, wo hier die Seele stecken soll!

"Liebe ist ein Gefühl, aber keine eigenständige Entität - oder ist "Seele" für Dich lediglich ein bloßes Gefühl? Ich hatte allerdings noch kein Gefühl von einer 'Seele'."
Ja klar - Juri Gagarin hatte bei seinem Sputnik-Flug schließlich auch keinen Gott gesehen... :-(

Ganz klar. Er wußte ja auch nicht, wie Gott aussieht. Wie soll er ihn da erkennen - selbst wenn er ihn sieht.

Du hattest ja, wie gesagt, auch noch kein Gefühl von "Nervenimpulsen". Wenn du nun das Phänomen des Gefühls anführst, um die Seele zu widerlegen, dann müßtest du zuvor erstmal erklären, was ein Gefühl eigentlich ist. Kannst du das? Dann tu es. Kannst du das nicht, dann ist dein Argument hinfällig und z.B. deine Aussage "Liebe ist ein Gefühl" ohne Erklärungskraft.

Oh je, Nick...Du fragst mich Sachen. Ich bin nicht allwissend. Das sind Fragen, die von der Forschung beantwortet werden müssen und zwar in Form von physikalischen Aussagen, die auf gegebene Gegenstände in der unserem Wahrnehmungsvermögen zugänglichen Welt referenzieren. Alle anderen Erklärungsmodelle sind - wie Rudolf Carnap so schön sagte - bloßer Audruck eines Lebensgefühls, aber als sinnvolle Aussage über unsere Realität unbrauchbar.

Du fragst mich, ob die Seele "lediglich ein Gefühl" sei und ich antworte dir, daß die Seele nicht lediglich ein Gefühl ist, daß aber Gefühle ebenso wie die anderen Phänomene des Geistes (zum Beispiel: Wahrnehmen, Denken, Beten, Meditieren etc.) Funktionen und Ausdruck der Seele sind. Das Wort "Seele" ist ein altes Wort mit einer sehr langen Tradition, in welcher konstant solche Phänomene, wie ich sie anführe, als Ausdruck der Seele erfahren und beschrieben werden. Ich denke mir da also nicht ad hoc irgendwas aus. Du mußt mir das natürlich trotzdem nicht glauben, denn ich habe dir ja nur gesagt, wie ich mir etwas erkläre, für das du selbst keine Erklärung geben kannst.

Nein, nein - ich habe auch nicht behauptet, daß ich alles erklären kann. Wenn ich das könnte, hätte ich ein paar Probleme weniger. Aber ich akzeptiere nur Erklärungsmodelle, die bestimmte Kriterien erfüllen. Einige davon habe ich ja bereits genannt.

Ich hatte vorher geschrieben: "Man kann aber die Konsequenzen der zwei Einstellungen aufzeigen: wenn andere Menschen keine Seele haben, dann ist ihre Vergasung z.B. ein rein technisches Problem. Dieses Problem ließ sich relativ einfach lösen, wie wir wissen. Haben sie aber eine Seele, dann hat man nach dem Vergasen eben ein moralisches Problem, wie wir auch wissen. Wie erklärst du dir dieses moralische Problem? Waren es einfach Zellklumpen, die da in die Öfen geschoben wurden? Oder ist da nicht doch "mehr" vernichtet worden? Wenn ja: was?"
Dem bist du geflissentlich ausgewichen. Also: was wurde da vernichtet? Nervenimpulse? Woher kommen dann deine moralischen Probleme mit diesem grausigen Ereignis (ich unterstelle, daß du solche Probleme damit hast)? Wenn du sagst, daß du das dennoch ganz locker pragmatisch lösen kannst, dann will ich diese Lösung jetzt bitte gerne hören. Andernfalls ist deine Behauptung, du könnest "solche Probleme ganz pragmatisch lösen" nämlich hinfällig. Du solltest so etwas dann in Zukunft besser nicht mehr behaupten.

Ja, Moment...um solche Probleme anzugehen, muß ich mir keinen Heiligenschein aufziehen. In der Geschichte der Ethik und Moralphilosophie wurde dieses Thema schon ausführlich behandelt. Ich kann Dir hier keine allgemein verbindliche Lösung in Bezug auf Moral und Ethik anbieten, die
jeder akzeptieren muß. Ich kann Dir nur die Lösungen anbieten, die ich für mich persönlich gefunden habe. Ich brauche auch keine "Seele" zu postulieren, um die von Dir angesprochenen Verbrechen zu verurteilen. Ich möchte nicht, daß irgend ein Mensch einen solchen Tod erleiden muß, weil ich selbst so etwas nicht erleben möchte. Ich finde es auch falsch, Menschen zu foltern, weil ich weiß, daß eine solche Behandlung schmerzhaft und würdelos ist und ich niemandem soetwas zumuten möchte. Mir persönlich reicht das.

Bei deinem Ausweichmanöver berufst du dich übrigens zu Unrecht auf William von Ockham. Alle Erklärungsansätze, die du gebracht hast, haben die Zahl der Phänomene nämlich vermehrt und nicht vermindert. Die "Nervenimpulse" z.B. sind eine solche unnötige Vermehrung, weil sie das in Frage stehende Phänomen ja, wie wir gesehen haben, nicht zu erklären in der Lage sind, also nicht notwendig sind. Gleiches gilt für die "Gefühle".

Wir haben überhaupt nichts gesehen. Die "Nervenimpulse" sind durch Verwendung geeigneter Elektroden intersubjektiv nachprüfbar und wir wissen, daß bestimmte Anordnungen von Reaktionen in unserem Nervensystem mit bestimmten Gemütsregungen in unserem Bewußtsein einhergehen und mehr können wir über die von Dir angesprochenen Phänomene derzeit nicht aussagen. Der Rest bleibt der wissenschaftlichen Forschung überlassen. Es gibt ja in der Forschung bereits einige Versuche, die von Dir genannten Phänomene auf der Basis uns zugänglicher empirischer Fakten zu erklären - die Kybernetiker tragen ihre Erkenntnisse dazu bei, die Künstliche Intelligenz, die Neuronalen Netze, Selbstorganisationsmodelle haben in der Bewußtseinsforschung ihren Platz gefunden. Forschung ist nunmal ein langwieriger Prozeß.

Daß solche Fragen schon seit Jahrhunderten ohne empirisches Ergebnis diskutiert werden, ist übrigens kein Argument für dich, sondern gegen dich. Du behauptest schließlich, du wüßtest, daß es keine Seele gebe. Woher?

Nein, das ist nicht ganz richtig. Ich habe nicht behauptet, daß es keine Seele gibt. Ich habe nur angemerkt, daß in unserer Welt und mit dem uns zur Verfügung stehenden Wahrnehmungsapparat kein Gegenstand feststellbar ist, der mit der Entität korrespondiert, die Du als "Seele" bezeichnest. Damit ist dieser Begriff aber bedeutungslos. Er erklärt also nichts, er schafft nur Probleme.

Ich hingegen sage, daß man die Seele der Sache nach nicht wissenschaftlich fassen kann, daß die seelischen Phänomene also nicht empirisch erklärbar, wohl aber unmittelbar erfahrbar seien.

Wie gesagt, dann ist Deine Aussage ohne Bedeutung. Um sinnvolle Erkenntnisse formulieren zu können, benötigen wir eine Sprache als System von Begriffen, die auf der Grundlage einer Menge von logischen Regeln ineinander überführbar sind und die vollständig mit wahrnehmbaren Gegenständen unserer Welt korrespondieren müssen. Alle Sätze, die sich nicht in dieser Sprache formulieren lassen, haben einfach keine Bedeutung. Das gilt insbesondere für Aussagen über "Seelen" oder "Substanzen" oder was sonst auch immer.

Gegen die Tatsache der Erfahrung selbst hast auch du dich nicht ausgesprochen, nur erklären konntest du es halt auch nicht. Wenn nun seit Jahrhunderten vergeblich diskutiert wurde, du aber eine - sogar pragmatische - Lösung gefunden zu haben behauptest, die dem Niveau des erreichten Diskussionsstandes standhält, dann möchte ich diese Lösung jetzt gerne von dir hören.

Meintest Du damit das, was Du als "moralisches Problem" bezeichnet hast?
Ich kenne keine Lösung für dieses Problem. Du weißt ja selbst, daß es bereits die verschiedensten Ansätze gab, die alle irgendwo ihre Schwachstellen besitzen.
Nur Deine Lösung kann ich schon aus erkenntnistheoretischen Gründen nicht akzeptieren.

Mir geht es, wie ich bereits oben erklärte, nicht um das "Beweisen der Seele". Ich sagte bereits, daß das nicht geht, weil die Seele eben kein "Ding" ist und deshalb der wissenschaftlichen Erklärbarkeit entzogen ist - und zwar der Sache nach! Daraus folgt nicht, daß es das Phänomen nicht geben könne.

Es gibt andere Phänomene, die sich, und zwar ebenfalls prinzipiell und der Sache nach, der wissenschaftlichen Erklärbarkeit entziehen, z.B. die "Gründe" für Quantenereignisse.

Darüber kann ich nichts sagen. Ich bin kein Physiker. Hier wäre susu gefragt. Allerdings könnte ich mir vorstellen, daß die Physik mittel- oder langfristig Modelle liefern wird, welche die Quantentheorie als Teilmenge enthalten und die in der Lage sind, strittige Punkte effizient zu erklären.

Die scientizistische Annahme, alles auf der Welt müsse zwingend empirisch erforschbar und erklärbar sein, setzt stillschweigend voraus, die empirische Wissenschaft läge vor der Welt und wäre gewissermaßen das der Welt auferlegte Gesetz.

Nein, die empirische Wissenschaft liegt natürlich nicht vor der Welt, sie liegt in der Welt und kann nicht darüber hinaus gehen. Die Wissenschaft - sollte sie einmal vollendet sein - bestünde aus einem System von Sätzen, die alles beschreiben, was über die Welt ausgesagt werden kann. Mehr kann die Wissenschaft nicht leisten, mehr können wir aus prinzipiellen Gründen auch nicht wissen und mehr können wir damit über die Welt nicht aussagen.

In Wahrheit ist es, wie jeder weiß, umgekehrt: erst gab es die Welt, dann 4 Mrd. Jahre Evolution und erst dann eine Wissenschaft. Unter anderem deshalb ist es guter, wissenschaftlicher Konsens, daß sich die Wissenschaft nach den Tatsachen - und nicht umgekehrt die Tatsachen nach der Wissenschaft zu richten haben. Gleichwohl verhalten sich heute viele Menschen umgekehrt und meinen, wisenschaftliche Bilder und Floskeln wären a priori und von sich aus immer wahr, auch wenn sie mal so eben und ad hoc aus dem Bauch "herausgefühlt" werden. Das ist natürlich das genaue Gegenteil von Wissenschaft.

Ja, das passiert oft. Das ist ein allgemein-menschliches Problem.

Nein, ich habe nicht die Seele bewiesen! Was ich hiermit wirklich getan habe ist, die Haltlosigkeit der Argumente derjenigen zu beweisen, die glauben, die Nichtexistenz der Seele beweisen zu können. Sie können es nicht!

Ich bin Agnostiker, ich mische mich nicht in solche Diskussionen ein. :-)

Aber das ist etwas off-topic. Wird Zeit, daß susu sein Forum wieder aufmacht.

Gruß
Andreas


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