Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 1 - 20.06.2001 - 20.05.2006

67114 Postings in 8047 Threads

[Homepage] - [Archiv 1] - [Archiv 2] - [Forum]

Re: 8 Mio, Tote seit 1974 - durch weibliche Urheberschaft

Garfield, Tuesday, 04.01.2005, 18:56 (vor 7641 Tagen) @ ein weiterer Andreas

Als Antwort auf: Re: 8 Mio, Tote seit 1974 - durch weibliche Urheberschaft von ein weiterer Andreas am 04. Januar 2005 15:37:10:

Hallo Andreas!

"Gemessen an dem Argument der Abtreibungsbefürworter hätte Beethovens Mutter moralisch das Recht gehabt abzutreiben. Die Absurdität liegt offen zutage."

Das Thema Moral hab ich weiter oben schon erwähnt. Moral ist dehn- und änderbar. Für den einen ist es schon moralisch verwerflich, irgendein Tier zu schlachten und zu essen, der andere hat keinerlei moralische Probleme damit, Menschen zu töten und zu essen...

Man kann sich natürlich hohe moralische Maßstäbe setzen. Dann muß man aber auch in der Lage sein, ihnen jederzeit gerecht zu werden. Und so perfekt sind wir Menschen leider nicht...

Etwas tun zu dürfen, bedeutet auch nicht automatisch, es wirklich zu tun. Und etwas nicht tun zu dürfen, bedeutet umgekehrt auch nicht, es zu lassen. Abtreibungen hat es auch vor 1974 schon gegeben. Da machte sich dann niemand Gedanken darüber, ob das Kind nicht vielleicht schon zu weit entwickelt sein könnte. Da hat sich auch niemand mit den schwangeren Frauen zusammen gesetzt und darüber mit ihnen geredet. Da gingen sie einfach zu irgendwelchen Quacksalber(inne)n, die für Geld alles taten, und zuweilen überlebte noch nicht einmal die Mutter so eine Abtreibung. War das besser?

"Was heißt "als Faktor mit Betracht ziehen"? Doch wohl, daß dies die Frage für und wieder Abtreibung beeinflusst."

Nein. Man kann aber nicht einerseits die 8 Millionen abgetriebenen Kinder als Verlust für unsere Gesellschft darstellen, sich andererseits aber keine Gedanken darüber machen, welche Perspektiven sie heute im realen Leben hätten.

"Also wird letzten Endes doch der mütterliche Mutwillen einschränkend gegen das Lebensrecht des Kindes gesetzt. Meiner Meinung nach unhaltbar."

Das kann man so sehen, aber das war de facto auch vor 1974 so. Eine Frau muß doch noch nicht einmal abtreiben: Sie kann sich auch während der Schwangerschaft ganz bewußt so verhalten, daß das Kind Schaden erleidet und dann mit hoher Wahrscheinlichkeit "ganz natürlich" stirbt.

"Die Lebenschancen kannst man ja heute im Einzelfall gar nicht abschätzen..."

Nein? Wenn jemand heute kaum die Hauptschule schafft, und zwar nicht unbedingt wegen mangelnden Fähigkeiten, sondern vielleicht nur durch das Versagen von Eltern und Pädagogen, dann kann man mit hoher Wahrscheinlichkeit voraussagen, wie sein weiteres Leben verlaufen wird.

"Nochmal zu Grundsatz: die Arbeitslosenrate oder die Obdachlosenrate oder die Wirtschaftswachstumsrate oder die xyz-Rate ist kein Argument gegen das Lebensrecht eines einzelnen."

Richtig. Wer aber eine Erhöhung der Geburtenrate fordert, der muß sich auch Gedanken darüber machen, was wir mit den zusätzlichen Menschen anfangen.

"Say'sches Theorem: Das Angebot schafft sich die Nachfrage selbst."

Das ist auch wieder so eine Theorie, die nur funktioniert, wenn die Wirtschaft wächst. Solange die Einkommen steigen, ist es leicht, den Menschen immer neue Luxus-Produkte aufzuschwatzen, die sie nicht wirklich brauchen. Sinken die Real-Einkommen aber, dann bleibt den Menschen immer weniger Geld für Luxus übrig. Und dann kann man noch soviel werben - das bringt einfach nichts mehr.

"Ich habe den Vergleich EU/USA vor dem Hintergrund der binnenwirtschaftlichen Wachstumsdynamik gezogen. Die weitaus höhere Wachstumsleistung der USA aus einem imperialen Ausbeutungsmechanismus zu erklären halte ich für eine abstruse Verschwörungstheorie."

Aha. Es ist also eine Verschwörungstheorie, daß US-Unternehmen mit der Produktion von Rüstungsgütern gut verdienen? Was meinst du wohl, was allein im praktisch noch andauernden Irak-Krieg an Material verbraten wurde und wird?

Und was glaubst du wohl, wieso nach der Invasion im Irak sofort hektische Betriebsamkeit in US-Unternehmen ausbrach und wieso man sofort Versammlungen von Führungskräften aus der Regierung und der Wirtschaft angesetzt hat? Um was soll es dabei wohl anders gegangen sein als um die Aufteilung des irakischen Kuchens?

Und glaubst du ernsthaft, Frankreich, Deutschland und Rußland hätten sich aus Menschenfreundlichkeit gegen diesen Krieg gestellt? Dabei ging es auch vor allem um wirtschaftliche Interessen. Denn diese Länder finden es nicht so toll, zuzusehen, wie die USA mit Waffengewalt Märkte und Rohstoffquellen für ihre Unternehmen erobern, wobei die Unternehmen aus anderen Ländern natürlich ausgebootet werden.

Und daß die USA Embargos dazu nutzen, ausländische Unternehmen unter Druck zu setzen und von den Märkten in den entsprechenden Ländern zu verdrängen und daß gleichzeitig US-Unternehmen über (oft kanadische) Scheinfirmen in diese Märkte eindringen, wobei die US-Regierung dann gern alle verfügbaren Augen zudrückt, ist auch keine Theorie, sondern eine Tatsache.

Und natürlich wirkt sich alles das auch positiv auf den US-Binnenmarkt aus. Gerade Waffen läßt man lieber im Inland produzieren. Oder glaubst du, die US-Regierung würde einen Lizenzbau beispielsweise des AEGIS-Systems in China genehmigen?

Das alles schafft Erwerbsmöglichkeiten in den USA, und so bleibt dort auch die Kaufkraft erhalten.

"Das Abstruse besteht ja gerade darin, daß zu schweren Zeiten wie beispeilsweise der industriellen Revolution die Bevölkerungszahl explodiert, in Zeiten überschwenglichen Luxus aber plötzlich die Schrumpfung eintritt."

Ich denke, das beruht auf ganz natürlichen Instinkten. Das wird aber zumindest zum Teil wieder dadurch ausgeglichen, daß bei guten Lebensbedingungen und guter medizinischer Versorgung die Sterblichkeitsrate geringer ist.

"Darin liegt ja das Dekadenzphänomen. Den Leuten geht es gut, aber sie verlieren trotzdem den Fortpflanzungswillen."

Ich fürchte, das wird bald Vergangenheit sein. Es geht wieder abwärts, Andreas. Schon jetzt sieht man deutlich, daß es immer weniger sehr reiche Menschen gibt, aber dafür immer mehr sehr arme Menschen. Die Mittelschicht bricht langsam aber sicher weg. Die Erwerbslosenzahlen werden immer weiter steigen, und das wird den deutschen Binnenmarkt weiter schwächen. Das wiederum wird den Ruin für viele kleine und mittlere Unternehmen bedeuten. Schon jetzt sieht man in den Städten immer mehr leere Schaufenster.

Das Problem besteht darin, daß unser System in jeder Hinsicht auf wirtschaftlichem Wachstum basiert. Nur wenn es Wachstum gibt, funktioniert es gut. Auf Rezession sind wir nicht eingestellt, und Politik und Wirtschaft weigern sich, die nötigen Konsequenzen zu ziehen. Und so geht nun eben langsam aber sicher alles den Bach herunter. So wird es eben in Zukunft enger werden in Deutschland, obwohl weniger Menschen hier leben werden.

Freundliche Grüße
von Garfield


gesamter Thread:

 

powered by my little forum