Karasek, ganz er selbst
Ich konnte ihn schon damals nicht leiden, diesen Herrn K, als er bei seinem Herrn und Meister Reich-Ranicki mit imposantem Sprachgetöse ein weinig den Opponenten gab, ein wenig den Zeitgeist anbete und ansonsten dem großen Meister das Nachtgeschirr hinterher trug. Ein zweifellos sehr belesener ,gebildeter Mann - einer der gern mit sich selbst glänzte und dessen Kritiken ich mehr als einmal - widerwillig - akzeptieren mußte. Karasek ist nicht doof, sicher nicht alterdement und vermutlich auch nicht vom Altersautismus geplagt. Karasek ist und bleibt Karasek. Und der tanzt und tanzte schon immer - so will mir scheinen - auf vielen Hochzeiten. Er zeigte immer mal Schläue - er ist Kritiker.
Sein Titel: "Wir Männer, die Herren der Erschöpfung".
Man weiß nicht, was mehr an diesem Titel stört: das WIR oder sein
Verständnis von Originalität.
Stört mich zunächst überhaupt nicht.
Das Sujet mag jetzt auf den ersten Blick thematisch nicht so recht passen,
aber Karasek wäre nicht Karasek, wenn ihn das von seinem Versuch einer
allegorische Metamorphose des Sardanapal hin zum Herrn der Schöpfung an
sich abhalten könnte, zumal wenn das Objekt der Begierde "Der Tod des
Sardanapal" von Eugene Delacroix auch noch veritable 395 x 495 cm misst. Da
fühlt sich auch ein Herr Karasek angemessen präsentiert.
Herausragend beschrieben!
Seit einigen Jahren sind wir Männer nur noch die Herren der
Erschöpfung. Und sehr verunsichert.Eine Bezeichnung wie "meine Frau" hatte eine ganz andere Bedeutung als die
Formel "mein Mann", jedenfalls solange, und das war bis vor Kurzem, Männer
ihren Ehefrauen eine Erlaubnis erteilen mussten, wenn sie einer Arbeit
nachgehen wollten. Und da es egal ist, wie der Besitzer aussieht, sein
Eigentum aber sehr wohl taxierend angeschaut und mit dem bewundernden
Ausruf "Donnerwetter!" kommentiert werden darf, wird es immer wieder Männer
mit Macht, Geld, Reichtum geben, die sich Frauen leisten können, die
dreißig, vierzig Jahre jünger sind. Solange sie sich die Frauen leisten
können! Frauen haben es da schwerer, da hilft keine Gleichberechtigung.
Abgesehen von seiner Sicht der Frau als einstiges Männereigentum - doch gar nicht so falsch.
Vielleicht aber zeigt sich in den Wiedererweckungsbemühungen alter,
schrecklicher Männermythen wie der von Sardanapal in Wahrheit etwas ganz
anderes. Der Aufbruch der Gleichberechtigung, ihr langer Marsch durch die
männlich beherrschte Gesellschaft und ihre Institutionen, ist längst weiter
fortgeschritten, als es sich die männliche Fantasie eingestehen wollte.
Die darauf mit sadistisch-reaktionärer Wut reagierte. In der Ehe und vor
den Familiengerichten ist die Frau längst gleichgestellt, unsere Kinder
werden inzwischen fast ausschließlich in Kindergärten und Schulen von
Frauen betreut, ob sie nun Buben oder Mädchen sind, sie werden im Geist der
emanzipierten Frauen erzogen. In Schulleistungen überflügeln Mädchen längst
die ihre Orientierung verlierenden männlichen Heranwachsenden, im Beruf
sind viele Frauen so erfolgreich, dass es nur eine Frage kurzer Zeit sein
kann, dass sie auch gleich bezahlt werden.
Freilich überspitzt er hier etwas und käut wider, was ihm Jahrzehnte Lektüre des Feuilletons in "Zeit", "Spiegel" und "FAZ" in die grauen Zellen schrieb; so sehr kritisch war der Herr Kritiker nie, wenn er Galanterie gegenüber der holden Weiblichkeit zur Schau stellet. Das hinterläßt natürlich Spuren im Denken - und die behindern ihn bei der schlichten Kenntnisnahme von dem , was sich vor Gerichten und in Schulen abspielt. Aber reaktionäre Wut - das finde ich treffend. Meine Wut reagiert darauf, was sich in diese Gesellschaft eingeschlichen hat - sie ist also reaktionär.
Ich finde, der Mann hat mit seiner Analyse des gegenwärtigen Zustands Recht, auch mit diesen Sätzen:
Die Ideologie, dass Frauen die besseren Menschen sind, wirkt, selbst wenn
man darüber nur den Kopf schüttelt (es gibt keine "besseren" Menschen, es
gibt nur Menschen), wie eine notwendige Reaktion auf das jahrtausendealte
Vorurteil, dass Männer die Besseren, die Größeren, die Schlaueren sind und
dass ihnen daher das Sagen zukommt. Männer geben nicht mehr (allein) den
Ton an, auch wenn sie noch so tun, sich so aufspielen, sich so inszenieren,
als täten sie's.
Nur die Texte in den Klammern hätt er sich schenken sollen.
Frauen können besser allein leben als Männer, sie leben länger, was schon
deshalb gut ist, weil sie, allein gelassen durch den Tod des Partners, ohne
Frage, mit dem Single-Leben besser fertig werden, besser zurande kommen.
Da wir, zumindest im Mitteleuropa der vergangenen fünfzig Jahre, Konflikte
nicht mehr kriegerisch ausfechten, bedarf es des Ideals des Kriegers im
Grund überhaupt nicht mehr. Jedenfalls spielt es im Bewusstsein keine Rolle
mehr. Da Schwerstarbeit, in der Industrie wie in der Landwirtschaft, im
Handel wie im Transport, durch Maschinen ausgeführt und durch Computer
weitestgehend gesteuert wird, spielt auch der bisher scheinbar ewige
Vorteil der größeren Muskelkraft des Mannes keine entscheidende Rolle mehr
; außer beim Boxsport und beim Fußball (auf Letzterem beharrt er, obwohl
nur die deutschen Frauen es zuletzt zur Weltmeisterschaft gebracht haben).
Abermals ist der Text in der Klammer suggestiv und überflüssig. Aber sonst? Beschreibt er nicht sehr genau die Situation in der sich eine signifikante Männermehrheit einstweilen befindet? Ist das nicht eine gute Beschreibung des Ackers auf dem Feminismus sät und erntet? Seit sich der Mann als Krieger und körperlich schwer Arbeitender selbst überflüssig machte,seit er einen historischen Wimpernschlag lang inne hält, kommen da nicht die Asvögel um ihm die Augen auszuhacken? Ich denke schon.
Er kennt keine Familie mehr, jedenfalls nicht in den bürgerlichen Kreisen,
in denen er sich zu Hause fühlt, die die Geburt eines "Stammhalters" also
eines Jungen, höher schätzen würde als die einer Tochter, die längst auch
einen Stamm führen kann, wenn's drauf ankommt: Der einzig wirklich wahre
König Europas, der von England, ist eine Königin. Frauen treffen, obwohl
das Männer nicht zugeben möchten, die Partnerwahl, Frauen im Bürgertum sind
die Herren der Familienplanung. Es ist keine (öffentliche) Frage mehr, wer
oben oder unten liegt, ob man das nun wörtlich oder bildlich verstehen
will.
Sieht das wirklich einer als unzutreffende Beschreibung für den weitaus größten Teil des deutschen Bundesvolkes?
Die Männer, wir Männer, sind verunsichert, kein Wunder, wenn sich tausend
Jahre alte Sitten, Gebräuche, Regeln und Gesetze, Gewohnheiten und Rollen
so gründlich verändern.
Jow, so ist dem wohl, aber es ist kein Grund für Phantasien:
Und das, so scheint es, irreversibel, sollte sich
die Idee des Islam nicht durchsetzen oder nicht, wie hoffentlich bald im
Iran, den Bedingungen aufgeklärter Gesellschaften anpassen.
Seit einigen Jahren sind wir die Herren der Erschöpfung. Wir erleben eine
Gleichheit der Geschlechter als work in progress, bei der man sich
Rückschläge, aber keinen Rückschritt, vorstellen kann und will. [/i](...)
Und flink hilft er sich die von politischer Korrektheit, also feministische Weltanschauung geschliffene Brille vor die halbgeöffneten Äuglein. Unfähig zur Vorstellung, dass das was er sich vorstellt, weder der Realität entspringen muß, noch den Vorstellungen der meisten Männer, die immer noch staunend zweifeln, ob der Erfahrung gezielter Tiefschläge ihrer Weiber und Schwestern und Mütter. Statt Feldforschung zu betreiben,zelebriert
Karasek, was er für Aufgekärtsein hält: sich wohlwollend im Matriachat einrichten, auf die GroßmutDER FRAUangewiesen und dabei auf den emotionalen, den sexuellen Gewinn für Süßholzraspelei spekulierend.
Spannend die Frage, wieweit Herr Karasek von der letzten Stufe des
Altersautismus noch entfernt ist.
So einfach mach ich es mir nicht. Der Helmut demonstriert eindrucksvoll das geistige Elend (nicht nur deutscher, nicht nur linker) Intelektueller: Statt sich in ihrer einstigen Tugend, der Kritik an allem, was ist, zu üben, lassen sich von weiblichen (Schein-)Angeboten benebeln, sinken dahin:Das Versprechen von Gleichheit, von nicht hierarchichen Beziehungen, vom Glück ohne Ende - träumend. Da muß Mann - gaukeln die Fieberfantasien- eben nur ein gannz ganz klein wenig Unterordnung aktezptieren, im Privaten, im Büro, in den Werkhallen und in Chefetagen und schon sei Friede auf Erden und allen MenschInnen das große Wohlgefallen. Karasek und Konsorten gelingt das, nicht einmal als Ausfluß resignierender Überlegungen - sondern kühle Berechnung leitet sie.
Eine geistige Avantgarde, die sich den Kopf darüber zerbricht,wie unter modernen Beingungen Männer, also ihresgleichen, Männlichkeit stolz und stark leben könnten, sucht man auf weiter Flur vergebens. Sie verhält sich exakt so, wie es Delacroix auf dem Gemälde "König Sardanapal" festhielt: Bereit, den dargereichten Giftbecher zu leeren und gelangweilt auf das Gemetzel glotzen, welches alles auslöscht, was als wert und teuer gilt und selbst noch den Tand.
Und genau das werfe ich ihm und seiner erschöpften Herrenintellektuellenriege vor: das Volk in seiner Agonie streicheln und es trösten: Schau, alles wird gut, lass DIE FRAUEN nur machen...
Schade, dass es der Herr K. nicht mehr sehen wird, jenes Bild, welches eine Reinkarnation des Delacroix mit kraftvollen, farbigen Pinselstrichen auf den jungfräulichen Untergrund des Kommenden malen könnte: Einen König, der vom Lotterbett aus auf seinen prächtigen Hengst springt, sich des Dolches bemächtigt, der das Tier schlachten mag, der die Gestalten um sich herum niedereitend furchtlos durch die züngelden Flammen setzt, hinein in in die Welt, jenseits des karasekschen Bilderrahmens.
Es wird Zeit für die richtigen Farben zu sorgen.
Gruß Narrowitsch
--
Extemplo simul pares esse coeperint, superiores erunt-
Den Augenblick, sowie sie anfangen, euch gleich zu sein, werden sie eure Herren sein.
gesamter Thread:
- Karasek in Babylon -
roger,
26.10.2009, 01:37
- Karasek in Babylon -
André,
26.10.2009, 02:22
- Karasek in Babylon - Nihilator, 26.10.2009, 02:24
- Karasek, ganz er selbst -
Narrowitsch,
26.10.2009, 05:01
- Narro, ganz er selbst - Chato, 26.10.2009, 11:37
- Friede auf Erden und allen MenschInnen das große Wohlgefallen - Mus Lim, 26.10.2009, 14:02
- Karasek, ganz er selbst - roger, 26.10.2009, 19:36
- Karasek in Babylon -
André,
26.10.2009, 02:22