hm... ja... schon...
Guten Abend Dschindschin!
Aber eine Erfahrung meines Lebens ist, dass wir sehr, sehr viele Dinge nicht
ändern können, dass wir sehr, sehr viele Dinge einfach nur erdulden können.
Ich bestätige nachdrücklich diese Lebenserfahrung. Sie ist das Tor zur Weisheit und zur Seinsmächtigkeit, welch beide kein Zustand, sondern ein Weg sind, der den Pilger während einer langen Wanderschaft nach und nach jedem äußeren Schicksal überlegen macht. Jedem. Wirklichkeitserfahrung erwächst allein aus dem vorbehaltlosen Anerkennen dessen, was ist. Anerkennen bedeutet nicht "gutheißen", sondern nicht zu träumen und sich währenddessen dauernd vor dem Aufwachen fürchten zu müssen. Das ist erbärmlich, das ist sklavisch, das ist erniedrigend, das ist vollkommen hoffnungslos.
Es ist für uns Menschen wesentlich, nicht erst ganz zum Schluß aufzuwachen, wo es ja ohnehin geschehen muß, sondern vorher, wo man noch etwas tun kann. Der beste Wecker ist das Leid, das einen jäh aus dem Dunkeln heraus anfällt. Wer sich auf einen respektvollen Zweikampf mit diesem garstigen "Feind" einläßt, der bekommt von ihm etwas Erhabenes geschenkt, das es nirgends sonst auf der ganzen Welt zu finden gibt; nicht zu kaufen ist es, nirgendwo, selbst für alles Geld der Welt nicht.
Das heißt ja nicht, dass man das verlorene/gestohlene Kind nun ignoriert. Es
sei immer herzlich willkommen. Aber manchmal sind die Umstände so, dass
erst in späteren Jahren wieder eine Verbindung möglich wird.
Darauf kann man desto sicherer vertrauen, je gelöster man ist hinsichtlich des Leides, das andere einem zufügten. Vergebung und Feindesliebe sind im Letzten gar nicht ein Opfer, das man sich mühsam abzuquetschen hätte (dann sollte man's besser lassen und stattdessen weiterleiden), sondern eine weise Entscheidung zugunsten des eigenen Glücks. Vergebung und Feindesliebe sind in Wahrheit die vollkommenste Selbstliebe, die uns überhaupt möglich ist. Es ist eine Tragödie, daß sich das gottlose Abendland den christlichen Ast abgesägt hat, an dem diese Früchte einst in großer Fülle gereift sind. Nun ist da bloß noch dürre Ödnis, Tod, Verzweiflung, Wahnsinn, Willkür und Haß ohne Ende. Was für ein Tausch!
Die beste Rache ist das gute Leben! Das heißt, das Kämpfen aufgeben und sich
neu orientieren.
So ist es. Nichts auf der Welt bindet uns stärker – und aussichtsloser – als der Haß. Haß ist Angst (von lat. "angustus" = eng). Man wird nicht frei sein Lebtag lang, wenn man den Haß (das ist etwas anderes als Zorn) nicht irgendwann einmal für immer loswird. Besser ist es, seiner Wege zu gehen, seiner eigenen Wege, und neu zu beginnen. Es ist nicht weise, endlos auf seinem Recht zu beharren, wenn man's ohnehin nicht bekommen wird. Das ist auch gar nicht notwendig, da Recht und Unrecht nun einmal das sind, was sie sind, und sich auch mit größter Anstrengung nicht in ihr Gegenteil verwandeln lassen. Darum muß, wer die Zeit als Mittel der Wirkung nimmt, mit niemandem streiten, der sein Recht mißachtet. Laodsi sagt: "Von zwei Streitern siegt der leisere". Und Jesus Christus sagt: "Wer aus dem Leid kommt, geht zur Freude".
Verlust und Trennung gehören zum Leben, genau so wie Verrat, Betrug, Hass und
Feindschaft. Wie gehen wir damit um?
Wie gehe ich damit um? Das ist eine der wesentlichsten Fragen unserer menschlichen Existenz. Wer sich das menschliche Leid "wegträumt", um es nicht ertragen zu müssen, muß es erstrecht ertragen – und das lebenslänglich, ja, darüber hinaus und für immer, ohne jede Aussicht auf Befreiung oder wenigstens Linderung der Qualen. Das ist doch das Furchtbare am heutigen Hedonismus: daß er seinen Anhängern jeglichen Ausweg aus dem Leiden zumauert. Wer sich seine Taschen vollügt, füllt sie sich mit nichts als Lügen. Was hofft er denn bloß anderes in ihnen vorzufinden, wenn er einmal hineingreift, weil er muß?
Es bleibt dann in unserem Herzen eine kleine Wunde zurück, die ab und an schmerzt.
Aber dieser Schmerz ist nichts anderes als die Erinnerung an einen Hunger, der sowieso
nie gestillt werden kann. In dieser Welt wird man niemals endgültig satt, man muss
immer wieder essen.
Eben. Deshalb ist es sowieso närrisch, an diesem Ort hier ein Glück zu suchen, das nicht vergeht. Eben weil das so wahr ist, ist der Hedonismus so fürchterlich närrisch und trostlos. Wer seinen Hunger endgültig stillen möchte, der muß durch jenes Tor hindurchtreten, von dem ich oben sprach, und sich tapfer und klaglos auf eine lange, entbehrungsreiche und beschwerliche Pilgerschaft begeben. Es gibt in dieser Welt einfach nichts Besseres, was man tun könnte, als diese Abenteuerreise anzutreten, in deren Verlauf man alle seine Feinde verliert, bevor Alter und Verfall dies unmöglich machen. Es ist der einzige uns offenstehende Weg zum Glück. Wer's nicht tut, der bekommt Schokolade, hernach Diabetes und am Schluß eine Einäscherung. Sonst nichts. Tiefe Freude und Glück wird er sein Lebtag lang nicht kennengelernt haben. Nur den Hunger. Den hatte er immer. Aber satt wurde er nie.
Wie, bitte, will man in seinem Sarg sattwerden?
Nick
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Wenn wir Toren wüßten, daß wir welche sind, wären wir keine.
gesamter Thread:
- Was ist mit der verlorenen Zeit? -
Nikos,
19.05.2009, 20:57
- Sei ein Mann - mach' Dir neue Kinder! -
DschinDschin,
19.05.2009, 22:24
- Sei ein Mann - mach' Dir neue Kinder! -
Kritiker,
20.05.2009, 00:01
- Überlegenswert? -
roser parks,
20.05.2009, 00:19
- Überlegenswert? - Ja! - DschinDschin, 20.05.2009, 13:24
- Aber Hallo! - DschinDschin, 20.05.2009, 13:15
- Überlegenswert? -
roser parks,
20.05.2009, 00:19
- hm... nein... -
carlos,
20.05.2009, 01:06
- hm... nein... -
DschinDschin,
20.05.2009, 13:02
- hm... ja... schon... - Chato, 21.05.2009, 03:14
- hm... nein... - Holger, 21.05.2009, 01:37
- hm... nein... -
DschinDschin,
20.05.2009, 13:02
- Sei ein Mann - mach' Dir neue Kinder! -
Kritiker,
20.05.2009, 00:01
- Sei ein Mann - mach' Dir neue Kinder! -
DschinDschin,
19.05.2009, 22:24