Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Diktatur des Proletariats - Diktatur des Feminats.

Garfield, Monday, 12.01.2009, 16:22 (vor 6190 Tagen) @ Student(t)
bearbeitet von Garfield, Monday, 12.01.2009, 16:26

Hallo Student!

Es geht um die Diktatur des Proletariats, wie Marx sie mehrfach in seinem Werk als eine notwendige Durchgangsphase dargestellt hat, und wie sie in marxistisch orientierten Gesellschaften auch tatsächlich - allerdings leider nicht als Durchgangsphase - eingetreten ist.

Wie du aber selbst schon in deinem ursprünglichen Beitrag geschrieben hast, hat es diese "Diktatur des Proletariats" real niemals gegeben. Es mag ja sein, daß in den Ostblock-Staaten diverse Machthaber ursprünglich mal aus dem einfachen Volk stammten. Aber spätestens, als sie Machtpositionen inne hatten, lösten sie sich vom Volk ab und bildeten ein eigene Schicht, wie du ja auch schon geschrieben hast.

Das allein beweist schon, daß die Ostblock-Staaten mit den Marx'schen Theorien nicht viel gemein hatten. Laut Marx war ja schon die Gründung der Sowjetunion grundsätzlich falsch, und ohne diese Sowjetunion wäre auch der gesamte Ostblock so nie entstanden. Er war also nichts weiter als ein Folgefehler einer historischen Fehlentwicklung. Viele Thesen von Marx waren ja auch gar nicht so neu - neu war allerdings u.a. sein Stufenmodell der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft. Er ging davon aus, daß es ursprünglich mal einen Ur-Kommunismus gegeben hätte, und daß sich dann mit der Entwicklung der Technologie immer wieder neue Gesellschaftsformen herausbildeten, z.B. die Sklavenhaltergesellschaft, der Feudalismus und schließlich der Kapitalismus. Diesem sollte laut Marx der Kommunismus folgen. Dabei betonte Marx aber immer wieder, daß vor dem Erreichen der nächsten gesellschaftlichen Stufe die alte Gesellschaftsform erst einmal die Grundlagen für die neue Gesellschaftsform schaffen müsse. Erst wenn diese Grundlagen da sind, würde die alte Gesellschaftsform zunehmend zum Hemmnis der Entwicklung, immer mehr Menschen würden sich durch sie gehemmt fühlen und bestrebt sein, daraus auszubrechen, und das würde dann letztendlich dazu führen, daß die nächste Stufe der gesellschaftlichen Entwicklung erreicht wird. Es ging also gerade NICHT darum, die neue Gesellschaft durch Umerziehung der Menschen zu erreichen.

Wenn man sich die Zustände im Rußland von 1917 ansieht, wird ganz klar, daß dieses Land noch nicht einmal den Kapitalismus voll entwickelt hatte. Die Unzufriedenheit im Land resultierte zum einen aus dem Ersten Weltkrieg, vor allem aber aus den Überresten des alten Feudalsystems, die dort immer noch existierten. Laut Marx hätte Rußland erst einmal diese Überreste abschütteln und den Kapitalismus entwickeln müssen. Und Aufgabe der Kommunisten war es, dies so zu gestalten, daß auch das Volk etwas davon hat. Also so etwas wie eine soziale Marktwirtschaft zu schaffen.

Aus Machtgier heraus sind sie aber weit über das Ziel hinausgeschossen und haben die für sie günstige Situation genutzt, um einen Bonzen-Staat zu schaffen, der mit den Marx'schen Theorien nicht mehr viel zu tun hatte. Dieses System wurde dann nach und nach in andere Länder exportiert. gleichwohl hatte man sich ja vorher auf Marx berufen und konnte seine Werke nun nicht einfach negieren. Also pfropfte man noch die Schriften von Lenin oben drauf, vor allem solche, in denen Lenin betonte, daß es auch möglich wäre, viel schneller den Kommunismus zu erreichen (er sagte noch in den 1920er Jahren, daß der Kommunismus in wenigen Jahrzehnten Wirklichkeit wäre, in der DDR erzählte man dasselbe den Schulkindern noch in den 1960er Jahren) und bezeichnete das Ganze fortan als Marxismus-Leninismus. Die Chinesen machten es ähnlich und fügten noch die Mao-Bibel hinzu, in denen ein spezieller chinesischer Weg zum Kommunismus propagiert wurde. So paßte man sich die Thoerien von Marx und Engels imemr so an, wie es gerade am besten paßte. Marx hätte wohl im Grab rotiert, wenn er davon erfahren hätte.

Alle Ostblock-Staaten hatten dasselbe Grundproblem, das es so natürlich auch in der restlichen Welt gab und gibt: Der Mensch war und ist zum einen geistig nicht bereit für so etwas wie den Kommunismus, zum anderen - und das halte ich dabei mehr für die Ursache als für die Wirkung für das Erstgenannte - geben die Umstände den Menschen wenig Möglichkeit, so etwas wie den Kommunismus wirklich zu leben.

Dieses Problem trat natürlich von Anfang an auf, weil einfach die Grundlagen für so etwas wie den Kommunismus überhaupt nicht existierten und die allermeisten Menschen sich das deshalb noch nicht einmal vorstellen konnten. Erst, als man auf diese Probleme stieß, wurde plötzlich vom "neuen Menschen" geredet, aber das war nur ein von Anfang an zum Scheitern verurteiltes Notkonstrukt, das die fehlenden technologischen Voraussetzungen einfach nicht ausgleichen konnte.

Es gibt Menschen, die daran glauben, daß Ideen die Welt verändern. Du scheinst auch dieser Meinung zu sein, jedenfalls kommt es mir so vor.

Ich glaube das nicht. Ich glaube, daß die harten Realitäten des Alltags viel entscheidender sind als irgendwelche Ideen.

Was hat das nun mit dem Feminismus zu tun? Nun, ich denke, daß das mit dem Feminismus ganz genauso ist. Feministinnen hat es zu allen Zeiten gegeben, das ist gar nichts Neues. Im 19./20. Jahrhundert hatten sie dann plötzlich etwas mehr Zulauf, was u.a. daraus resultierte, daß für wenige Jahrzehnte in einigen Ländern alle Männer das Wahlrecht hatten, die Frauen jedoch nicht (vorher war es ja so, daß im einfachen Volk niemand ein Wahlrecht hatte).

Auffällig ist, daß der Feminismus aber erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts so richtig aufblühte. Wenn das die Folge von Ideen sein soll - welche Ideen sollten das sein?

In Bezug auf den sogenannten Kommunismus kann ich ja noch nachvollziehen, daß jemand dort die Idee für den Vater des Ganzen hält. Es gab dort ja immerhin ganz zentrale Figuren wie Marx, Engels, Lenin oder Mao, die Werke geschrieben haben, die bis heute weite Verbreitung finden und eine breite Anhängerschaft fanden.

Wo aber sind vergleichbare Figuren im Feminismus? Welches sind die Standardwerke der feministischen Bewegung? Wo werden diese Werke millionenfach gelesen???

Ich kann im Feminismus einfach keine bahnbrechenden, neuen Ideen finden, nichts, was Millionen Menschen begeistern und mitreißen könnte, nichts was sie dazu animieren könnte, eine neue Welt zu schaffen. Ich finde da nur entweder ein ewiges Gejammer über die Schlechtigkeit der bösen, patriarchalen Welt und die grauenvolle Unterdrückung der Frau oder aber bestenfalls ein paar mehr oder weniger intelligente und mehr oder weniger richtige Gedanken zur Rollenverteilung der Geschlechter, die aber auch nicht wirklich bahnbrechend und neu sind. Ich sehe da auch keine großen, zentralen Figuren.

Wenn also der Feminismus nicht auf Ideen beruht, worauf dann? Was hat ihn in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts so hoch gebracht???

Und gibt es überhaupt DEN Feminismus? Es gab zu allen Zeiten ganz unterschiedliche Strömungen in der Frauenbewegung. So hat es immer auch Frauenorganisationen gegeben, die die angeblich traditionelle Rollenverteilung befürworteten. Die gibt es auch heute noch, z.B. den Deutschen Hausfrauenbund. Interessanterweise denkt man dabei aber heutzutage gar nicht an Feminismus, eher im Gegenteil. Als feministisch gelten heute nur noch Gruppierungen, die eher so etwas propagieren wie z.B. Alice Schwarzer. Die Erwerbstätigkeit als alleinseligmachende Lebensalternative für Frauen darstellen, gleichzeitig aber Männer nicht aus ihrer Ernährer-Rolle entlassen wollen. Wie kommt das?

Wer die negativen Auswüchse des Feminismus ernsthaft bekämpfen will, kommt um Antworten auf diese Fragen nicht herum. Und es ist essentiell wichtig, hier die richtigen Antworten zu finden, sonst wird man nämlich immer ins Leere oder zumindest auf die falsche Stelle schlagen.

Die Wurzel des Übels muß weg, und dann wird der Feminismus auch von allein austrocknen.

Freundliche Grüße
von Garfield


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