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Die wahre Gestalt der "Frauenfrage" - im Lichte des Geistes betrachtet

Franziska Kleiser @, Friday, 09.05.2008, 07:58 (vor 6436 Tagen)

DIE WAHRE GESTALT DER FRAUEN- bzw. GESCHLECHTERFRAGE, ERFASST AUS DEM LEBEN DER MODERNEN MENSCHHEIT

Offenbart sich nicht aus der Katastrophe der aktuellen Kindsmorde heraus die moderne Frauenbewegung durch Tatsachen, die beweisen, wie unzulänglich Gedanken waren, durch die man jahrzehntelang das weibliche Wollen zu verstehen glaubte?
Was gegenwärtig sich aus früher niedergehaltenen Forderungen der Frauen und im Zusammenhange damit an die Oberfläche des Lebens drängt, nötigt dazu, diese Frage zu stellen. Die Mächte, welche das Niederhalten bewirkt haben, sind zum Teil untergegangen. Das Verhältnis, in das sich diese "patriarchalen" Mächte zu den sozialen Triebkräften der Frauen gesetzt haben, kann nur erhalten wollen, wer ganz ohne Erkenntnis davon ist, wie unvernichtbar solche Impulse der Frauennatur sind.


Manche Persönlichkeiten, deren Lebenslage es ihnen möglich machte, durch ihr Wort oder ihren Rat hemmend oder fördernd einzuwirken auf die Kräfte im europäischen Leben, die zum Feminismus drängten, haben sich über diese Triebkräfte den größten Illusionen hingegeben. Sie konnten glauben, ein "Sieg ihres Geschlechtes" werde die sozialen Anstürme beruhigen. Solche Persönlichkeiten mußten gewahr werden, daß durch die Folgen ihres Verhaltens die "feministichen Triebe" erst völlig in die Erscheinung traten. Ja, die gegenwärtige Kinder- und Erziehungs-Katastrophe erweist sich als dasjenige geschichtliche Ereignis, durch das diese Triebe ihre volle Schlagkraft erhalten. Die führenden Persönlichkeiten und Politiker mußten ihr Verhalten in den letzten Jahren stets von dem abhängig machen, was in den feministisch gestimmten Kreisen der Menschheit lebte. Sie hätten oftmals gerne anders gehandelt, wenn sie die Stimmung dieser Kreise hätten unbeachtet lassen können. In der Gestalt, die gegenwärtig die Ereignisse angenommen haben, leben die Wirkungen dieser Stimmung fort.
Und jetzt, da in ein entscheidendes Stadium eingetreten ist, was jahrzehntelang vorbereitend heraufgezogen ist in der Lebensentwickelung der Menschheit: jetzt wird zum tragischen Schicksal, daß den gewordenen Tatsachen sich die Gedanken nicht gewachsen zeigen, die im Werden dieser Tatsachen entstanden sind. Viele Persönlichkeiten, die ihre Gedanken an diesem Werden ausgebildet haben, um dem zu dienen, was in ihm als soziales Ziel lebt, vermögen heute wenig oder nichts in bezug auf Schicksalsfragen, die von den Tatsachen gestellt werden.
Noch glauben zwar manche dieser Persönlichkeiten, was sie seit langer Zeit als zur Neugestaltung des menschlichen Lebens notwendig gedacht haben, werde sich verwirklichen und dann als mächtig genug erweisen, um den fordernden Tatsachen eine lebensmögliche Richtung zu geben.


Man kann absehen von der Meinung derer, die auch jetzt noch wähnen, das Alte müsse sich gegen die neueren Forderungen eines großen Teiles der Frauen halten lassen. Man kann seinen Blick einstellen auf das Wollen der Frauen, die von der Notwendigkeit einer neuen Lebensgestaltung überzeugt sind. Man wird doch nicht anders können, als sich gestehen: Es wandeln unter uns Parteimeinungen wie Urteilsmumien, die von der Entwickelung der Tatsachen zurückgewiesen
werden. Diese Tatsachen fordern Entscheidungen, für welche die Urteile der alten Parteien nicht vorbereitet sind.

Solche Parteien haben sich zwar mit den Tatsachen entwickelt; aber sie sind mit ihren Denkgewohnheiten hinter den Tatsachen zurückgeblieben. Man braucht vielleicht nicht unbescheiden gegenüber heute noch als maßgeblich geltenden Ansichten zu sein, wenn man glaubt, das eben Angedeutete aus dem Verlaufe der Weltereignisse in der Gegenwart entnehmen zu können. Man darf daraus die Folgerung ziehen, gerade diese Gegenwart müsse empfänglich sein für den Versuch, dasjenige im sozialen Leben der neueren Menschheit zu kennzeichnen, was in seiner Eigenart auch den Denkgewohnten der sozial orientierten Persönlichkeiten und Parteirichtungen ferne liegt. Denn es könnte wohl sein, daß die Tragik, die in den Lösungsversuchen der Frauenfrage zutage tritt, gerade in einem Mißverstehen der wahren weiblichen Bestrebungen wurzelt. In einem Mißverstehen selbst von seiten derjenigen Feministinnen, welche mit ihren Anschauungen aus diesen Bestrebungen herausgewachsen sind. Denn der Mensch bildet sich keineswegs immer über sein eigenes Wollen das rechte Urteil.

Gerechtfertigt kann es deshalb erscheinen, einmal die Fragen zu stellen, was will die moderne Frauenbewegung in Wirklichkeit? Entspricht dieses Wollen demjenigen, was gewöhnlich von feministischer oder nicht-feministischer Seite über dieses Wollen gedacht wird? Offenbart sich in dem, was über die “Frauen-Frage” von vielen gedacht wird, die wahre Gestalt dieser “Frage”? Oder ist ein ganz anders gerichtetes Denken nötig? An diese Frage wird man nicht unbefangen herantreten können, wenn man nicht durch die Lebensschicksale in die Lage versetzt war, in das Seelenleben des modernen Feminismus sich einzuleben. Und zwar desjenigen Teiles dieses Feminismus, der am meisten Anteil hat an der Gestaltung, welche die Frauenbewegung der Gegenwart angenommen hat.


Man hat viel gesprochen über die Entwickelung der modernen Familie und des modernen Arbeitslebens. Man hat gefragt, wie innerhalb dieser Entwickelung die gegenwärtige neue Frauenbewegung entstanden ist, und wie sie durch die Entfaltung des neueren Wirtschaftslebens zu ihren Forderungen gekommen ist. In all dem, was man in dieser Richtung vorgebracht hat, liegt viel Treffendes.

Daß damit aber ein Entscheidendes doch nicht berührt wird, kann sich dem aufdrängen, der sich nicht hypnotisieren läßt von dem Urteil: "Die äußern (patriarchalen) Verhältnisse geben dem Menschen das Gepräge seines Lebens."

Es offenbart sich dem, der sich einen unbefangenen Einblick bewahrt in die aus inneren Tiefen heraus wirkenden seelischen Impulse. Gewiß ist, daß die feministischen Forderungen sich entwickelt haben während des Lebens der modernen Gesellschaft und des modernen Familienlebens; aber die Einsicht in diese Tatsache gibt noch durchaus keinen Aufschluß darüber, was in diesen Forderungen eigentlich als rein menschliche Impulse lebt. Und solange man in das Leben dieser Impulse nicht eindringt, kann man wohl auch der wahren Gestalt der "Frauenfrage" nicht beikommen.


Ein Wort, das oftmals in der "feministischen Welt" ausgesprochen wird, kann einen bedeutungsvollen Eindruck machen auf den, der in die tiefer liegenden Triebkräfte des weiblichen Wollens zu dringen vermag. Es ist das: Die moderne Frau ist selbstbewußt, sich ihres "Frauseins" bewußt geworden. Sie folgt den Impulsen der außer ihr bestehenden Männerwelt nicht mehr gewissermaßen instinktiv, unbewußt; sie weiß sich als Angehörige eines anderen Geschlechtes und ist gewillt, das Verhältnis dieses ihres Geschlechtes zu dem andern im öffentlichen Leben in einer ihren Interessen entsprechenden Weise zur Geltung zu bringen. Wer ein Auffassungsvermögen hat für seelische Unterströmungen, der wird durch das Wort "Frausein" in dem Zusammenhang, in dem es die moderne Feministin gebraucht, hingewiesen auf wichtigste Tatsachen in der sozialen Lebensauffassung derjenigen Frauen, die im Leben der modernen Familie und des modernen Arbeitslebens stehen. Ein solcher muß vor allem aufmerksam darauf werden, wie soziologische Lehren über das Frauenleben und dessen Verhältnis zu den Frauenschicksalen zündend in die Seele der Frau eingeschlagen haben. Hiermit wird eine Tatsache berührt, über welche viele, die nur über die Frauen denken können, nicht mit denselben, nur ganz verschwommene, ja in Anbetracht der ernsten Ereignisse der Gegenwart schädliche Urteile haben. Mit der Meinung, den Frauen sei durch den Feminismus und seine Fortsetzung durch das gendermainstreaming der Kopf verdreht worden, und mit dem, was man sonst in dieser Richtung oft hören kann, kommt man nicht zu einem auf diesem Gebiete in der Gegenwart notwendigen Verständnis der geschichtlichen Weltlage. Denn man zeigt, wenn man eine solche Meinung äußert, nur, daß man nicht den Willen hat, den Blick auf ein Wesentliches in der gegenwärtigen Frauenbewegung zu lenken. Und ein solches Wesentliches ist die Erfüllung des feministischen Bewußtseins mit Begriffen, die ihren Charakter aus der neueren wissenschaftlichen Entwickelung heraus genommen haben. In diesem Bewußtsein wirkt als Stimmung fort, was in Simone de Beauvoirs - und anderen - Glaube an die Wissenschaft (über die Geschlechter) gelebt hat. Solche Dinge mögen manchem unwesentlich erscheinen, der sich für einen "praktischen Menschen" hält. Wer aber eine wirklich fruchtbare Einsicht in die moderne Frauenbewegung gewinnen will, der muß seine Aufmerksamkeit auf diese Dinge richten. In dem, was gemäßigte und radikale Feministinnen - bis hin zur Familienministerin - heute fordern, lebt nicht etwa das in Menschen-Impulse umgewandelte soziale Leben so, wie es sich manche Menschen vorstellen, sondern es lebt die Sozialwissenschaft, von welcher das feministische Bewußtsein ergriffen worden ist. In der wissenschaftlich gehaltenen und in der journalistisch popularisierten Literatur der Frauenbewegung tritt dieses so klar zutage. Es zu leugnen, bedeutet ein Augenverschließen vor den wirklichen Tatsachen. Und eine fundamentale, die soziale Lage der Gegenwart bedingende Tatsache ist die, daß die moderne Feministin in wissenschaftlich gearteten Begriffen sich den Inhalt ihres Frauenbewußtseins bestimmen läßt.

Mag die in der Familie arbeitende Mutter von "Wissenschaft" noch so weit entfernt sein; sie hört den Aufklärungen über ihre Lage von seiten derjenigen zu, welche die Mittel zu dieser Aufklärung von dieser "Wissenschaft" empfangen haben.
Alle die Auseinandersetzungen über das neuere Familienleben, das Zeitalter der Geschlechtergerechtigkeit, den Feminismus mögen noch so einleuchtend auf die Tatsachengrundlage der modernen Frauenbewegung hinweisen; was die gegenwärtige soziale Lage entscheidend aufklärt, erfließt nicht unmittelbar aus der Tatsache, daß die Frau in die Familie gestellt worden, daß sie in die "patriarchale" Lebensordnung eingespannt worden ist.

Es fließt aus der andern Tatsache, daß ganz bestimmte Gedanken sich innerhalb ihres weiblichen Bewußtseins in der Familie und in der Abhängigkeit von der "patriarchalen" Ordnung ausgebildet haben. Es könnte sein, daß die Denkgewohnheiten der Gegenwart manchen verhindern, die Tragweite dieses Tatbestandes ganz zu erkennen und ihn veranlassen, in seiner Betonung nur ein dialektisches Spiel mit Begriffen zu sehen.

Demgegenüber muß gesagt werden: Um so schlimmer für die Aussichten auf eine gedeihliche Einstellung in das soziale Leben der Gegenwart bei denen, die nicht imstande sind, das Wesentliche ins Auge zu fassen. Wer die Frauenbewegung verstehen will, der muß vor allem wissen, wie eine feministische Frau denkt. Denn die feministische Bewegung - von ihren gemäßigten Reformbestrebungen an bis in ihre verheerendsten Auswüchse hinein - wird nicht von "außermenschlichen Kräften", von "Gerechigkeitsimpulsen" gemacht, sondern von Menschen; von deren Vorstellungen und Willensimpulsen.
Nicht in dem, was die Familie und die Gesellschaft in das weibliche Bewußtsein hineinverpflanzt haben, liegen die bestimmenden Ideen und Willenskräfte der gegenwärtigen Frauenbewegung. Diese Bewegung hat ihre Gedanken-Quelle in der neueren Wissenschaftsrichtung gesucht, weil der Frau das modernen Familienleben und die moderne Gesellschaft nichts geben konnte, was ihre Seele mit einem menschenwürdigen Inhalt erfüllen konnte.

Ein solcher Inhalt ergab sich der mittelalterlichen Frau aus ihrem Leben mit Arbeit, Haushalt, Kindern. In der Art, wie diese Frauen sich menschlich mit ihrer Tätigkeit verbunden fühlten, lag etwas, das ihnen das Leben innerhalb der ganzen menschlichen Gesellschaft vor dem eigenen Bewußtsein in einem lebenswerten Lichte erscheinen ließ. Sie vermochte, was sie tat, so anzusehen, daß sie dadurch verwirklicht glauben konnte, was sie als "Mensch" sein wollte. Innerhalb der materialistischen modernen Lebensordnung war sie dann auf sich selbst, auf ihr Inneres angewiesen, wenn sie nach einer Grundlage suchte, auf der sich eine das Bewußtsein tragende Ansicht von dem errichten läßt, was man als "Mensch" ist. Von der modernen Gesellschaft, von dem Materialismus strömte für eine solche Ansicht nichts aus. So ist es gekommen, daß das Bewußtsein von Frauen die Richtung nach dem wissenschaftlich gearteten Gedanken einschlug. Sie hatte den menschlichen Zusammenhang mit dem unmittelbaren Leben verloren. Das aber geschah in der Zeit, in der "die führenden Männer" der Menschheit einer wissenschaftlichen Denkungsart zustrebten, die selbst nicht mehr die geistige Stoßkraft hatte, um das menschliche Bewußtsein nach dessen Bedürfnissen allseitig zu einem befriedigenden Inhalte zu führen. Die alten Weltanschauungen stellten den Menschen als Seele in einen geistigen Daseinszusammenhang hinein. Vor der neueren Wissenschaft erscheint er als Naturwesen innerhalb der bloßen Naturordnung. Diese Wissenschaft wird nicht empfunden wie ein in die Menschenseele aus einer Geistwelt fließender Strom, der den Menschen als Seele trägt. Wie man auch über das Verhältnis der religiösen Impulse und dessen, was mit ihnen verwandt ist, zu der wissenschaftlichen Denkungsart der neueren Zeit urteilen mag: man wird, wenn man unbefangen die geschichtliche Entwickelung betrachtet, zugeben müssen, daß sich das wissenschaftliche Vorstellen aus dem religiösen entwickelt hat. Aber die alten, auf religiösen Untergründen ruhenden Weltanschauungen haben nicht vermocht, ihren seelentragenden Impuls der neueren wissenschaftlichen Vorstellungsart mitzuteilen. Sie stellten sich außerhalb dieser Vorstellungsart und lebten weiter mit einem Bewußtseinsinhalt, dem sich die Seelen der Frauen nicht zuwenden konnten. Den führenden Männern konnte dieser Bewußtseinsinhalt noch etwas Wertvolles sein. Er hing auf die eine oder die andere Art mit ihrer Lebenslage zusammen. Diese Männer suchten nicht nach einem neuen Bewußtseinsinhalt, weil die Überlieferung durch das Leben selbst sie den alten noch festhalten ließ. Die moderne Frau wurde aus allen alten Lebenszusammenhängen herausgerissen. Sie ist der Mensch, dessen Leben auf eine völlig neue Grundlage gestellt worden ist. Für sie war mit der Entziehung der alten Lebensgrundlagen zugleich die Möglichkeit geschwunden, aus den alten geistigen Quellen zu schöpfen. Die stand inmitten von Gebieten, denen sie entfremdet worden war. Mit der modernen Familie, der modernen Technik und der modernen Gesellschaft entwickelte sich gleichzeitig in dem Sinne - wie man die großen weltgeschichtlichen Strömungen gleichzeitig nennen kann - die moderne Wissenschaftlichkeit. Ihr wandte sich das Vertrauen, der Glaube der modernen Frau zu. Bei ihr suchte sie den ihr notwendigen neuen Bewußtseinsinhalt. Aber sie war zu dieser Wissenschaftlichkeit in ein anderes Verhältnis gesetzt als "die führenden Männer". Diese fühlten sich nicht genötigt, die wissenschaftliche Vorstellungsart zu ihrer seelentragenden Lebensauffassung zu machen. Mochten sie noch so sehr mit der "wissenschaftlichen Vorstellungsart" sich durchdringen,z.B. sogar auch, daß in der Gesellschaftsordnung ein gerader Ursachenzusammenhang von "Männerherrschaft" zu "Frauenunterdrückung" führe: diese Vorstellungsart blieb doch theoretische Überzeugung. Sie erzeugte nicht den Trieb, das Leben auch empfindungsgemäß so zu nehmen, wie es dieser Überzeugung restlos angemessen ist. Aber neben dieser Vorstellungsart wirkte in ihrer Seele etwas, das sie festhalten ließ an Lebenszusammenhängen, die sich nur sinnvoll rechtfertigen aus dem Glauben an eine geistige Weltordnung. Man stelle sich doch nur unbefangen vor, wie anders die Wissenschaftlichkeit auf den wirkt, der in solchen Lebenszusammenhängen mit dem eigenen Dasein verankert ist, als auf die moderne Frau, vor die ein/e Agitator/in hintritt und in den wenigen Abendstunden, die von der Arbeit nicht ausgefüllt sind, in der folgenden Art spricht: Die Wissenschaft hat in der neueren Zeit den Menschen ausgetrieben, zu glauben, daß sie ihren Ursprung in geistigen Welten haben. Sie sind darüber belehrt worden, daß sie in der Urzeit als Baumkletterer lebten, belehrt, daß sie alle den gleichen rein natürlichen Ursprung haben. Und daß sie als Frau seit jeher unterdrückt sei...

Vor eine nach solchen Gedanken hin orientierte Wissenschaftlichkeit sah sich die moderne Frau gestellt, wenn sie nach einem Seeleninhalt suchte, der sie empfinden lassen sollte, wie sie als Mensch im Weltendasein drinnen steht. Sie nahm diese Wissenschaftlichkeit ernst, und zog aus ihr ihre Folgerungen für das Leben. Sie traf das moderne, technische und materialistische Zeitalter anders als die Männer.

ER hatte alles Interesse daran, die Errungenschaften der neuen Zeit in den Rahmen dieser Lebensordnung einzuspannen. Viele Frauen waren aus dieser Lebensordnung seelisch stärker herausgerissen. Ihnen konnte diese Lebensordnung nicht eine Empfindung geben, die ihr Leben mit einem menschenwürdigen Inhalt durchleuchtete. Empfinden lassen, was man als Mensch ist, das konnte die Frau das einzige, was ausgestattet mit Glauben erweckender Kraft aus der alten Lebensordnung hervorgegangen zu sein schien: die wissenschaftliche Denkungsart.
Es könnte manchen Leser dieser Ausführungen wohl zu einem Lächeln drängen, wenn auf die "Wissenschaftlichkeit" der feministischen Vorstellungsart verwiesen wird. Wer bei "Wissenschaftlichkeit" nur an dasjenige zu denken vermag, was man durch vieljähriges Sitzen in Bildungsanstalten sich erwirbt, und der dann diese Wissenschaftlichkeit in Gegensatz bringt zu dem Bewußtseinsinhalt der Feministin, die "nichts gelernt" hat, der mag lächeln. Er lächelt über Schicksal entscheidende Tatsachen des gegenwärtigen Lebens hinweg. Diese Tatsachen bezeugen aber, daß mancher hochgelehrte Mensch unwissenschaftlich lebt, während die ungelehrte Frau ihre Lebensgesinnung nach der Wissenschaft (bis hin zur gender-wissenschaft) hin orientiert, die sie vielleicht gar nicht besitzt. Der Gebildete hat die Wissenschaft aufgenommen; sie ist in einem Schubfach seines Seelen-Innern. Er steht aber in Lebenszusammenhängen und läßt sich von diesen seine Empfindungen orientieren, die nicht von dieser Wissenschaft gelenkt werden. Die Feministin ist durch ihre Lebensverhältnisse dazu gebracht, das Dasein so aufzufassen, wie es der Gesinnung dieser Wissenschaft entspricht. Was die Soziologen (und andere Wissenschaftler) "Wissenschaftlichkeit" nennen, mag ihr ferne liegen; die Vorstellungsrichtung dieser Wissenschaftlichkeit orientiert ihr Leben. Für viele andere ist bestimmend eine religiöse, eine ästhetische, eine allgemein-geistige Grundlage; für die Feministin wird die "Wissenschaft", wenn auch oft in ihren allerletzten Gedanken-Ausläufen, (feministischer) Lebensglaube. Mancher Wissenschaftler fühlt sich "aufgeklärt", "freireligiös". Gewiß, in seinen Vorstellungen lebt die wissenschaftliche Überzeugung; in seinen Empfindungen aber pulsieren die von ihm unbemerkten Reste eines überlieferten Lebensglaubens.

Was die wissenschaftliche Denkungsart nicht aus der alten Lebensordnung mitbekommen hat: das ist das Bewußtsein, daß sie als geistiger Art in einer geistigen Welt wurzelt. Über diesen Charakter der modernen Wissenschaftlichkeit konnte sich der Angehörige der "männlichen Wissenschaften" hinwegsetzen. Denn ihm erfüllt sich das Leben mit alten Traditionen. Die Feministin konnte das nicht. Denn ihre neue Lebenslage trieb die alten Traditionen aus ihrer Seele. Sie übernahm die feministische Vorstellungsart von den männlichen Wissenschaftlern als Erbgut. Dieses Erbgut wurde die Grundlage ihres Bewußtseins vom Wesen des Menschen. Aber dieser "Geistesinhalt" in ihrer Seele wußte nichts von seinem Ursprung in einem wirklichen Geistesleben. Was die Feministin von den Wissenschaftlern als geistiges Leben allein übernehmen konnte, verleugnete seinen Ursprung aus dem Geiste.


Mir ist nicht unbekannt, wie diese Gedanken Männer und auch Frauen berühren werden, die mit dem Leben "praktisch" vertraut zu sein glauben, und die aus diesem Glauben heraus das hier Gesagte für eine lebensfremde Anschauung halten. Die Tatsachen, welche aus der gegenwärtigen Weltlage heraus sprechen, werden immer mehr diesen Glauben als einen Wahn erweisen. Wer unbefangen diese Tatsachen sehen kann, dem muß sich offenbaren, daß einer Lebensauffassung, welche sich nur an das Äußere dieser Tatsachen hält, zuletzt nur noch Vorstellungen zugänglich sind, die mit den Tatsachen nichts mehr zu tun haben.


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