Thesenkritik
Hallo Student!
Ich sehe es genauso wie Peter, nämlich daß der Feminismus stark überschätzt wird.
Jeder Impuls, der die Gesellschaft verändert, geht von Ideen aus. Bestes Beispiel ist der Marxismus, da er den Primat der Ökonomie vertritt, selbst aber eine Ideologie ist und darum auch gewirkt hat.
Ideen allein können nichts ändern. Genau wie ein Samenkorn, wenn man es auf dem Mond fallen läßt, dort nichts verändern wird. Wirft man dasselbe Samenkorn jedoch auf fruchtbaren Boden und gibt Wasser hinzu, dann kann es sich zu einem riesigen Baum entwickeln. Oder auch nicht, denn auch dann kann es noch Einflüsse geben, die diese Entwicklung ver- oder behindern.
In Bezug auf den Feminismus hinkt dieses Beispiel allerdings insofern, daß dem Feminismus weit weniger Entwicklungspotenzial innewohnt als einem Samenkorn. Der Feminismus tut letztendlich heute auf gesamtgesellschaftlicher Ebene nichts weiter als das, was Frauen früher vor allem auf der privaten Ebene getan haben: Jammern und klagen, um die Männer dazu zu animieren, immer noch mehr Ressourcen heran zu schaffen.
Auch dein Beispiel mit dem Marxismus beweist das gut: Marx wäre mit seinen Theorien auf taube Ohren gestoßen, wenn es nicht im 19. Jahrhundert üble Mißstände gegeben hätte, die durch die ungezügelte Entwicklung des Kapitalismus entstanden sind. Nur diese Mißstände bewirkten die Herausbildung einer Arbeiterbewegung, der dann Marx, Engels und andere eine ideologische Grundlage gaben. Und ohne die Mißwirtschaft im zaristischen Rußland und den Ersten Weltkrieg, der überall in Europa Hunger und Elend unter der Bevölkerung erzeugte, hätte es auch die beiden russischen Revolutionen von 1917 nicht gegeben. Dann wäre bis heute kein Staat entstanden, der sich als "kommunistisch" bezeichnete. Und wenn man sich in den Industriestaaten auch ohne Weltkriege dazu bequemt hätte, eine soziale Marktwirtschaft einzuführen, dann wäre auch Marx heute längst vergessen. Wahrscheinlich hätte er seine Theorien unter so anderen Umständen überhaupt niemals aufgestellt.
Was hat denn der Feminismus wirklich bewirkt? Manche Leute behaupten heute, daß Frauen doch früher Hausfrauen waren, heute dagegen wären sie oft berufstätig, weil die Feministinnen ihnen dies einreden, und so wären die Familien zerstört worden.
Vor 50 Jahren gab es zwar viele Hausfrauen. Aber das lag nicht am fehlenden Feminismus. Der war auch damals schon durchaus aktiv, wenn er auch in den Medien noch nicht ganz so hofiert wurde wie heute.
Es ist schlicht und einfach so, daß es immer dann viele Hausfrauen gibt, wenn die Real-Einkommen der Männer hoch genug sind, um Familien allein ernähren zu können. Das sah man auch in der DDR gut. Da gab es genügend Ganztags-Kindergärten und auch Ganztags-Kinderkrippen. Da war keine Frau durch ihre Kinder an der Erwerbsarbeit gehindert. Trotzdem arbeiteten auch in der DDR viele Frauen nur halbtags, und wenn die Männer ausnahmsweise gut verdienten, dann waren ihre Frauen nicht selten Hausfrauen.
Vor 200 Jahren wiederum gab es im einfachen Volk kaum Hausfrauen. Die Männer verdienten so wenig, daß auch Frauen und Kinder meist mitarbeiten mußten. Das ging gar nicht anders.
Wenn es heute weniger Hausfrauen gibt als noch vor 50 Jahren, dann liegt das vor allem daran, daß die Real-Einkommen sinken. Und daß es immer mehr Erwerbslose gibt, darunter zum großen Teil Männer. Da müssen dann immer öfter die Frauen mit ihren Einkommen die Haushaltskassen füllen oder zumindest auffüllen.
Und wenn es heute weniger Kinder gibt als noch vor 50 Jahren, dann liegt das z.B. daran, daß Kinder immer teurer werden, jedenfalls, wenn man ihnen auch eine gute Ausbildung zuteil werden lassen möchte. Vor 50 Jahren arbeiteten 15jährige schon - heute liegen manche 25jährigen den Eltern noch auf den Taschen. Weil aber auch in der Mittelschicht die Real-Einkommen sinken, können sich da immer mehr Menschen eben nur noch 1-2 Kinder oder auch gar kein Kind mehr leisten.
Sicher - Feministinnen richten viel Schaden in den Köpfen an und reißen mittlerweile wohl schon Milliardenlöcher in die Steuerkasse. Sie drücken Gesetze durch, die entweder männerfeindlich sind oder aber so umgesetzt werden. Und so manches junge Mädel läßt sich wohl auch von feministischen Parolen beeinflussen. Aber im realen Leben kriegt eben nicht jede einen faulen Quotenposten. Da merken viele dann sehr schnell, daß Erwerbstätigkeit alles andere als fröhliche Selbstverwirklichung ist. Deshalb geben Frauen ja nach wie vor bei Umfragen an, daß sie am liebsten Hausfrauen mit höchstens einem Teilzeitjob wären. Und letzteres wollen sie oft nur deshalb, weil das Einkommen des Partners zwar vielleicht zum Leben reicht, aber nicht mehr für irgendwelche Luxusgüter. Das war exakt der Grund, wieso auch in der DDR so viele Frauen zumindest auf Teilzeit arbeiteten. Da kostete ein Farbfernseher nämlich 6000-8000 DDR-Mark, aber ein Arbeiter verdiente oft nur 500 DDR-Mark im Monat. Da mußte man nur mit dem Einkommen des Mannes sehr lange für den Farbfernseher sparen.
Wenn die Real-Löhne jetzt wieder deutlich steigen würden, dann würden immer mehr Frauen wieder Hausfrauen sein, und ihre Männer würden wie eh und je mehrheitlich die Familien brav allein ernähren. Und die Frauen würden sich überhaupt nicht darum kümmern, was Feministinnen dazu sagen.
Freundliche Grüße
von Garfield
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- Drei Widersprüche im Sexismus und seiner Gegenbewegung. -
Student(t),
06.02.2008, 15:35
- Nachbemerkung zum "Forenwebring". - Student(t), 06.02.2008, 16:07
- Thesenkritik -
Peter,
06.02.2008, 19:24
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Student(t),
07.02.2008, 00:38
- Thesenkritik - Garfield, 07.02.2008, 14:00
- Thesenkritik - Adam, 08.02.2008, 01:03
- Thesenkritik -
Student(t),
07.02.2008, 00:38
- Drei Widersprüche im Sexismus und seiner Gegenbewegung. -
Reistance,
07.02.2008, 07:05
- Freud hat mit keiner seiner genannten Thesen recht. - Student(t), 07.02.2008, 19:36