Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Das innere Nazi-Prinzip

Sven ⌂, Wolfsburg, Friday, 20.07.2007, 18:36 (vor 6727 Tagen) @ Chato

Hallo Nick!

Bei dir werte ich sowas nicht als selbstgerechten Angriff, Sven. Und
überhaupt ist es ja einfach die Wahrheit. Wie sollte es auch anders sein?
Nicht bloß aus dem trivialen Grund, weil hier früher bekanntlich ALLE
Menschen "Christen" waren (ergo auch sämtliche Extremverbrecher), sondern
weil dieser Strudel der Schuld das WESEN des Menschen ist. Inwiefern ist
er das? Wenn und weil wir uns im Mittelpunkt unserer inneren Welt
wähnen und diese für "die Welt" halten, meinen wir, daß das, was wir
persönlich für gut halten, auch tatsächlich gut sei. Daß das ein totaler
Irrtum ist, erkennen wir zwar andauernd beim Nächsten, aber nie bei uns
selbst. Und genau deshalb ist das alles so!

Da ist schon was dran. Und wenn ich ganz ehrlich bin, bin ich zumindest in diesem Punkt durchaus nicht besser als jene, die ich kritisiere. Die Werte, denen ich folge, mögen zwar rational legitimierbar und damit diskutabel sein, aber letztlich nutze ich eben diese Werte, um über andere zu urteilen und mache diese damit zum Maß der Dinge, weil ich sie selbst für den Mittelpunkt meiner Welt halte. Wirklich ein sehr interessanter Gedanke.

Und in der Tat mag ein Ausweg daraus sein - oder vielmehr gewesen sein - dass qua einer Religion dieser Mittelpunkt ausgelagert wird auf eine wertegebende Instanz, so dass man nicht Gefahr läuft, die eigenen Beurteilungen zum Mittelpunkt der Welt zu machen.

Diese Einsicht ist der Eingang zum christlichen Glauben, weswegen die
Gänsefüßchen bei den "bösen Christen" (oben) nicht nur trivial, sondern
tatsächlich verkehrt sind. Unser Glaube ist es doch gerade, daß ALLE
Menschen der Rettung aus diesem Strudel bedürfen - und sie auch erfahren -
aber nicht deshalb, weil Christen "gut" werden, sondern wahrhaftig in
Hinblick auf sich selbst. Aus diesem Grund ist der christliche Glaube
genau jenes heute fehlende Korrektiv, von dem du sprichst. Welches andere
Prinzip könnte denn ein solches Korrektiv sein, wenn es die genannte
Einsicht in das menschliche Wesen negierte oder beschönigte?

Nun, mir fällt keines ein, aber es müsste wohl eines sein, das stetige Selbstreflexion zum Maßstab und daran auszurichtende Werte zum Inhalt hätte. In einer Zeit, in der Ethik keine Bedeutung mehr hat, dürfte sich eine Suche nach einem solchen Prinzip aber in der Tat schwierig gestalten. Die Suche nach der Selbsterkenntnis und das Streben nach wahrhaftigem Handeln wurde offenbar abgelöst durch die Suche nach außerhalb liegenden Werten als Ersatz für den inneren Wert, dessen man sich nicht bewußt ist - und den man wohl auch gar nicht erfragt.

Diese Austauschbarkeit der Zielgruppe beweist das verkehrte
Prinzip. Erheblich ist einzig die Selbsterkenntnis als "Zielindividuum",
aus der sich nämlich statt des Urteils über den Nächsten die Suche nach
einem Ausweg für ihn ergibt. Der muß nicht unbedingt lieb und nett sein,
aber er muß helfen, also tatsächlich einen Ausweg eröffnen. Das ist nur
auf der Grundlage der Wahrheit möglich. Und zu der gehört die unangenehme
Einsicht, daß man selbst nicht anders ist - der andere aber auch nicht. Es
läuft darauf hinaus, daß die Sache ohne den Bezugspunkt Gott und seine
Menschwerdung absolut unlösbar ist. Die Erfahrung lehrt dann, daß dies
nicht nur die notwendige, sondern auch die hinreichende Bedingung ist -
daß man also konkret herausfinden kann.

Es hängt zunächst sicherlich davon ab, auf welcher Ebene man menschliche Unterschiede analysiert. Und wenn man es auf die Art der Beurteilung eines Menschen beschränkt, kommt man möglicherweise in der Tat nicht an der Erkenntnis vorbei, dass man einen Außenstehenden immer anders beurteilt als sich selbst, ein Vergleich mit anderen Menschen folglich nie korrekt sein kann. Und auf dieser Ebene wäre man dann in der Tat nicht anders.

Dies mit dem Bezugspunkt "Gott" zu lösen stösst bei mir als Nicht-Gläubigem natürlich zunächst auf Widerstand - es ist mir schlichtweg nicht möglich, an eine wie auch immer geartete "göttliche Wesenheit" zu glauben. Allerdings ist Gott auch immer eine Reflexion des Menschen, was diesen wiederum in die Lage versetzt, sein eigenes Wesen als "den anderen" zu beurteilen - und so aus seiner inneren Welt auszubrechen.

On-topic bedeutet das Ganze zum Beispiel, daß man nicht (dem innigsten
Wunsch der Gender-Nazis gemäß!) "die femiverseuchten Frauen bekämpfen" und
glauben könnte, das Problem sei damit gelöst. Die werden nicht weniger
verarscht, eher noch schlimmer sogar als wir. Es geht sozusagen darum, wie
man die SA-Leute aus der SA rausbekommt, und nicht darum, gegen die SA zu
putschen. Das hat der Führer bekanntlich selber gemacht und bekanntlich
hatte er seine Gründe. Das Schlimmste an solcher Gender-Nazi-Hetze ist,
daß sie "arische" Adressaten findet (sie findet immer solche
Adressaten) und diese manipulieren kann. Das muß irgendwie unterbrochen
werden. Das ist zwar irrsinnig kompliziert und langwierig, aber es gibt
keine Alternative - außer der, dieses Posting wieder ganz von vorne zu
lesen... :-)

Damit wirst du langfristig wohl Recht haben. Selbst wenn es der Männerbewegung gelingt, die rechtliche Position der Männer zu verbessern bis hin zu wirklicher Gleichberechtigung, werden dann die Rationalen das Projekt wohl als beendet ansehen, die Radikalen jedoch werden weitermachen - aus dem gleichen Grunde wie dies die Feministen taten. Und jene Radikalen könnte man sehr wohl als "arische Adressaten" bezeichnen. Und dieses Verschieben der Kräfte könnte in der Tat ewig weitergehen. Außer natürlich, man sieht seine primäre Identität nicht in seiner Zugehörigkeit zu Geschlecht/Ethnie/Gesellschaftsgruppe sondern in seiner Identität als Mensch, so dass man es als Gewinn ansieht, wenn alle Menschen profitieren und nicht nur die eigene Klientel.

Es ist aber natürlich äußerst schwierig, aus der momentan unterdrückten Position heraus Privilegierte dazu zu bewegen, auf ihre Privilegien zu verzichten bzw. dagegen zu kämpfen, wenn sie davon am Ende nicht mehr hätten als die Aussicht, einen neuen Geschlechterfrieden herzustellen. Einen Frieden, der aber zumindest für sie gar nicht so nötig wäre, da sie mit der schlechten Position der Männer ja kein Problem haben - gibt ja noch genügend, die ihre Wünsche erfüllen ohne einen Ausgleich. Außer vielleicht, man lenkt den Blick auf jene, die von diesem Konflikt profitieren und letztlich nur daran Interesse haben, die Menschen möglichst vielfältig zu spalten.

Es ist schon verzwickt. Die Mechanismen, nach denen Kräfte allgemein wirken, stehen im Grunde gegen ein Prinzip der Menschlichkeit, das zwar geboten erscheint, zu dessen Realisierung einem aber kein rechtes Konzept einfallen mag.

Gruß,

Sven


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