Die klassische Ehe steht im "Markt der Lebensformen" im Wettbewerb zu anderen Modellen
Dem Buchprojekt DFuiZ wurde folgender Beitrag zugesandt. Wir stellen ihn hier zur Diskussion:
Alle Institutionen unterliegen im Laufe der Geschichte einem Wandel durch Veränderungen der Rahmenbedingungen. Die Familie macht da keine Ausnahme.
Zu Zeiten als die Menschen noch als Jäger und Sammler lebten oder schon in kleinbäuerlichen Gemeinschaften, war ein Verband wie die Familie lebenswichtig, wie auch heute noch bei Völkern mit geringem Zivilisationsgrad.
Familie, in späteren Jahrhunderten, begann mit der Eheschliessung. Noch vor 200 Jahren war für die meisten Menschen in Deutschland ein Single-Dasein im praktischen Leben nicht darstellbar. Männer konnten nicht neben dem Beruf noch die Hausarbeit verrichten, weder von der Zeit noch den Kenntnissen her. Frauen konnten aus anderen Gründen kaum allein leben, da es für sie wenige Möglichkeiten gab, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Nur wenn sie aus betuchten Familien stammten und von eigenem Einkommen lebten, konnten sie einer Eheschliessung entgehen. Das galt auch für Männer, die sich Personal leisten konnten. Im Mittelalter und der frühen Neuzeit gab es für Männer wie Frauen, die aus irgendwelchen Gründen keinen Partner gefunden hatten, die letzte Chance ins Kloster zu gehen, wo sie nach ihren Fähigkeiten arbeiten mussten, aber für ihr leibliches Wohl gesorgt war.
Mit dem Industriezeitalter änderte sich diese Welt radikal. Menschen mussten in entfernte Städte zur Arbeit umziehen; der klassische Familienverbund zerbrach. Grossfamilien, die aus eigener finanzieller Kraft die Ausbildung der Söhne, die Aussteuer für die Töchter und die Versorgung der älteren Generation leisten konnten, gab es praktisch nur noch im Grossbürgertum.
Der Staat erkannte diese veränderten Rahmenbedingungen und schuf die Sozialversicherung, die auch den einfachen Arbeitnehmern Schutz bei Krankheit und ein Auskommen im Alter ermöglichte. Dies war ein konsequentes Erfordernis um den neuen Lebensbedingungen des Industriezeitalters Rechnung zu tragen.
Familie, manifestiert durch die Eheschliessung, blieb bis in die zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts die vorherrschende Form der Partnerschaft. Für die Katholische Kirche ist die Ehe sakrosankt und unauflöslich. Die Kirche verlangt von den Partnern, sich aufeinander einzustellen und niemals auseinander zu gehen. Das ist eine Sichtweise, die Paare davon abhält sich beim ersten Streit über Lappalien zu trennen. Aber die Kirche stellt hier die Institution Ehe über die Freiheit des Menschen und daher sollte dieses Dogma für Liberale keine Option sein.
Ehe und Familie wurden nicht nur von der Kirche, sondern auch vom Staat und den Unternehmern sehr gestützt. Verheiratete mit Familie rebellieren nicht so leicht gegen den Staat oder streiken gegen Ausbeutung, da sie Rücksicht auf das Wohl von Frau und Kindern nehmen müssen. So war die Familie ein ideales Instrument, die Menschen zu disziplinieren.
Was hat sich nun geändert, dass zum Beginn des 21. Jahrhunderts immer mehr Menschen erkennen, es geht auch ohne Trauschein und Familie? Da immer mehr Frauen eine gute Berufsausbildung durchlaufen, trat der Versorgungsfaktor durch Heirat schon seit den frühen 60'er Jahren zurück. Die 68'er Revolution machte Schluss mit antiquierten gesellschaftlichen Normen. Der "Jungfrauenkult", das heisst die Frau sollte vor der Ehe keine sexuellen Erfahrungen haben, löst heute nur noch ein müdes Lächeln aus. Seit den 60'er Jahren gibt es mit der "Pille" ein sicheres Mittel der Empfängnisverhütung, sodass Kinder in die Wahl der Frau gestellt sind. Auch ohne die Emanzipationsbewegung gewannen Frauen an Selbstbewusstsein, heirateten nicht mehr aus gesellschaftlichen Gründen. Männer wie Frauen wurden sich der Persönlichen Freiheit bewusst, ihr Leben selbst zu gestalten, immer mehr auch ohne das Eherecht, das sowieso ein sehr spezielles Recht darstellt und mit vielen Grundsätzen des im BGB kodifizierten Privatrechts nicht vereinbar ist.
Statt sich dem Ehe- und Familienrecht zu unterwerfen, geht der Trend zur Eigenverantwortung beider Partner in einer "eheähnlichen Gemeinschaft". Im Privatrecht gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit und so gestalten diese Paare ihr Leben nach eigenen Vereinbarungen. Dabei kann als juristische Leitlinie, wenn es z.B. zu gemeinsamen Anschaffungen kommt, die BGB-Gesellschaft nach § 705ff BGB dienen. Eigenverantwortung und Vertragsfreiheit sind Grundideale des Liberalismus und so sollte diese Entwicklung eher begrüsst werden. Es wäre zu überlegen, ob der Gesetzgeber die für Homosexuelle geschaffene "Eingetragene Partnerschaft" für Heterosexuelle öffnen sollte um ihnen einen besseren Schutz im Sozial- wie Steuerrecht zu gewähren. In anderen Ländern gibt es eine solche Regelung.
Eine neue, aber nicht grundsätzlich andere Situation ergibt sich, wenn Paare sich für Kinder entscheiden. Dabei spielt es heute kaum noch eine Rolle, ob verheiratet oder nicht. Der Gesetzgeber hat im Unterhaltsrecht für das materielle Wohl der Kinder im Falle einer Trennung Sorge getragen. Bleibt die so viel beschworene Traumatisierung der Kinder durch Trennung der Eltern. Bleiben Vater und Mutter der Kinder wegen trotz Zerrüttung zusammen, so sind die Kinder dem ständigen Streit zwischen den Eltern ausgesetzt, was für die Entwicklung schädlicher sein dürfte als eine gütliche Trennung und Kontakte zu beiden Elternteilen. Nach dem Krieg wuchsen Millionen Kinder als Halbwaisen auf, da die Väter im Krieg gefallen waren. Von einer "traumatisierten Generation" ist aber nichts bekannt.
Kann man von einer "Zerstörung der Familie" sprechen? Nein, der klassische ehegestützte Verbund ist nur durch neue Lebensformen ergänzt worden. Allenfalls kann man eine "Schöpferischer Zerstörung" im Sinne Schumpeters erkennen. Die klassische Ehe steht im "Markt der Lebensformen" im Wettbewerb zu anderen Modellen. Wettbewerb ist doch ein zentrales Anliegen der Liberalen!
Der Anstieg der Singles hat auch keine negativen sozialen oder wirtschaftlichen Folgen gezeigt. In Hamburg gibt es mehrheitlich Ein-Personen-Haushalte, aber die Stadt boomt wirtschaftlich und die sozialen Spannungen halten sich im Rahmen.
Autor des vorstehenden Beitrags ist
Horst E. Böttcher
gesamter Thread:
- Die klassische Ehe steht im "Markt der Lebensformen" im Wettbewerb zu anderen Modellen -
DFuiZ,
11.11.2011, 00:47
- Die klassische Ehe steht im "Markt der Lebensformen" im Wettbewerb zu anderen Modellen - Kurti, 11.11.2011, 01:10
- Die klassische Ehe steht im "Markt der Lebensformen" im Wettbewerb zu anderen Modellen -
MC Henrich,
11.11.2011, 01:15
- Das Land investiert, aber die Stadt profitiert davon - Mus Lim, 11.11.2011, 01:30
- Zustimmung - Sandfisch, 11.11.2011, 12:45
- Die klassische Ehe steht im "Markt der Lebensformen" im Wettbewerb zu anderen Modellen -
Nur so,
11.11.2011, 01:40
- Hinweis -
Sandfisch,
11.11.2011, 12:48
- Die traurigen Zahlen des, auf den Rücken der Kinder ausgetragenen Geschlechterkrieges - Michael Baleanu, 13.11.2011, 11:29
- Hinweis -
Sandfisch,
11.11.2011, 12:48
- 2. Mail: Es ist ein Unterschied zwischen "Zerstörung" und "aus der Mode kommen", wie es mit der Familie geschehen ist -
DFuiZ,
11.11.2011, 15:51
- Antwort: Was ist Freiheit? - DFuiZ, 11.11.2011, 15:57
- Die klassische Ehe steht im "Markt der Lebensformen" im Wettbewerb zu anderen Modellen - Michael Baleanu, 14.11.2011, 07:56