Re: OT: Arbeitslose
Als Antwort auf: OT: Arbeitslose von Markus am 08. Dezember 2002 23:48:35:
Zum Thema Arbeitslose habe ich mir selbst auch schon viele Gedanken gemacht, und das Problem ist polyätiologisch. Einige meiner Gedanken dazu sind hochradikal, aber ich war in meinem Leben auch schon mehrfach arbeitslos und glaube zu wissen, wovon ich rede.
Arbeit gibt es massenhaft in Deutschland, ich wage zu behaupten, mehr als genug für das Heer der Arbeitslosen. Nur finden Arbeit und Arbeitslose nicht zueinander.
1. Motivation
Arbeitslosigkeit wird bezahlt. Schlimmstenfalls Sozialhilfe. Aber auch wenn sich das schlimm anhört, letzten Endes ist es doch so, daß kein Mensch in diesem Lande hungern oder frieren muß. Das will ich auch nicht ändern. Doch geht es Sozialhilfeempfängern in der Regel besser als schlechtbezahlten Arbeitern, und vor allem haben sie eins: viel freie Zeit.
Arbeit ist dann ein Anreiz, wenn
a) der Lebensstandard damit deutlich über den Sozialhilfestanderd gehoben werden kann
b) die Person das auch wirklich will.
Das Motto "für ein paar Hundert Mark" verderb ich mir doch nicht meine Freizeit ist häufiger als man öffentlich zugeben will.
Eine andere Motivationsbremse ist in der Tat die Depression. Viele Menschen sind nicht in der Lage, für sich selbst wichtige Entscheidungen zu fällen bzw. Mühen auf sich zu nehmen, um ihren Status zu verbessern. Sie ergeben sich ihrem Schicksal und warten auf Erlösung von außen. Dieser Geist ist so verbreitet, daß man ihn gar nicht mehr als krankhaft wahrnimmt. Wie sonst ist es zu erklären, daß an Politiker die abstrakte Erwartung gestellt wird, die Arbeitslosenzahl zu senken, ohne zu spezifizieren, wie sie das denn eigentlich machen sollen?
Die dritte Motivationsbremse ist eine Art Kastendenken. Die Bürger dieses Landes definieren ihren Rang (Kaste) durch ihre Arbeit. Jeder will am liebsten in irgendwelche Fühungspositionen. Niedere Arbeiten wie Kanalreinigung, Müllabfuhr, Toilettenmann/frau sind verpönt, sollen das doch die Ausländer machen. Aber so funktioniert das nicht. Es können nun mal nicht alle Chef sein, jemand muß auch die anfallenden Arbeiten tun.
Arbeits-losigkeit hingegen ist heutzutage keine Schande mehr. Das ist ein Fehler, wie ich finde. Es sollte eine Schande sein.
Die vierte Motivationsbremse sind verquere Vorstellungen von Arbeit. Wenn die Senkung der Arbeitslosigkeit gefordert wird, denken alle offenbar nur an den Lohn, den sie dann kriegen, nicht aber, daß sie dafür auch etwas tun müssen. Möglicherweise sogar sehr viel. Jeder will heutzutage schnell und ohne viel Mühe reich werden, sonst "lohnt" es sich gar nicht erst, damit anzufangen. Das fängt inzwischen schon im Kindesalter an. Keiner will mehr was arbeiten, also mit seinen Händen oder seinem Gehirn etwas schaffen, auf das er dann stolz sein kann - alle wollen nur zu Geld kommen. Arbeit ist da nur ein lästiges Beiwerk.
2. Ausbildung
Die ist bekantlich mangelhaft. Das hätte ich auch schon Jahrzehnte vor der PISA-Studie sagen können, egal. Auf jeden Fall werden auf der einen Seite händeringend Fachleute für dieses und jenes gesucht, auf der anderen Seite steht ein Haufen tumber Köppe.
Eines der größten Probleme des Schulsystems ist, daß die Schüler als "kleine Arbeitnehmer" betrachtet werden, die eine Leistung zu erbringen haben. Ein eindeutiges und hoch genug gestecktes Bildungsziel pro Jahrgang mit Förderung von Kindern, die dieses Ziel nicht erreichen ist unbekannt. Wer es nicht schafft, der muß die Klasse halt wiederholen, und wer es dann immer noch nicht schafft, der kommt auf eine Schule mit niedrigerem geistigen Niveau und muß selber sehen, wo er bleibt.
Und dann wundern sich die Leute, daß es den Kindern an Esprit gebricht.
3. Kinder
Wer heutzutage Kinder in die Welt setzt, muß damit rechnen, nicht mehr arbeiten gehen zu können, weil er zu Hause bleiben muß. So langsam wird es ja ein wenig besser mit den Kindergarten- und Hortplätzen, aber es sieht immer noch schrecklich aus. In der Ehe hat man es zumindest noch, daß nur einer arbeitet und der andere zu Hause bleibt, aber bei alleinerziehenden Eltern ist der Ofen aus.
4. Geschiedene Ehen
Ein geschiedener Mann muß einen Großteil der Früchte seiner Arbeit abführen, ohne eine Gegenleistung zu erhalten. Das ist ja wirklich sehr motivierend. Die Frau wiederum kriegt das Geld ohne Arbeiten, und wenn sie selbst arbeitet, wird´s weniger. Auch ungeheuer motivierend.
Meine Lösung:
Wer nicht arbeitet, kriegt auch nichts. Zur Überbrückung von stellenwechseln sollte das Arbeitslosengeld als Leistung der Arbeitslosenversicherung bestehen bleiben, aber für maximal 3 Monate und unabhängig vom letzten Nettolohn. Höhe: etwa die jetzige Sozialhilfe.
Wer wegen einer Krankheit arbeitslos ist, der soll dieses Arbeitslosengeld länger bekommen, und zwar um die Dauer seiner Erkrankung länger.
Sozialhilfe ersatzlos streichen. Damit niemand hungern und frieren muß, müssen Leute ohne Geld und Einkünfte eine Unterkunft gestellt bekommen sowie Nahrung.
Solcherart sozial Untergebrachte sollten an Weiterbildungsprogrammen teilnehmen müssen, um ihre Ausbildung zu verbessern. Desweiteren sollten sie von Staats wegen für irgendeine Arbeit eingesetzt werden. Es gibt massenhaft Dinge, die sie tun könnten: Bau und Instandhaltung staatlicher Gebäude, Kurierdienste, Arbeit in Werkstätten, Rasenmähen - meinetwegen auch sinnlose Dinge, nur auf jeden Fall mit irgendwas beschäftigen. Für solche Arbeiten gibt es dann auch Vergünstigungen wie Fernsehen, Taschengeld, ein Auto, etc.
Kinder sollten ihre Eltern nichts kosten. Der Staat stellt Kleidung, Schuluniformen und ein Budget für Essen und Spielsachen. Wer reich ist, kann sich natürlich auch mehr für seine Kinder kaufen, ich rede vom Minimum. Außerdem muß ein gesetzlicher Anspruch der Eltern auf Kindergarten, Hort, etc. bestehen. Wer also arbeitet, darf sein Kind von 7-18 Uhr in staatlicher Obhut lassen.
Und diese Obhut soll gefälligst ausreichend Pädagogen beschäftigen (wieder ein paar Arbeitslose weniger) und dafür sorgen, daß die Kinder ihre Lernziele erreichen.
Damit kann man die Arbeitslosenzahl tatsächlich senken. Und sogar die Wirtschaft wieder in Schwung bringen, und vielen depressiven Leuten Sinn in ihr Leben.
Doc
gesamter Thread:
- OT: Arbeitslose -
Markus,
09.12.2002, 01:48
- Re: OT: Arbeitslose -
Manfred,
09.12.2002, 11:42
- Zustimmung!(n/t) - Jens, 09.12.2002, 17:08
- Re: OT: Arbeitslose - Markus, 09.12.2002, 19:33
- Re: OT: Arbeitslose -
Doc,
10.12.2002, 15:52
- Re: OT: Arbeitslose - Garfield, 20.12.2002, 19:51
- Re: OT: Arbeitslose -
Manfred,
09.12.2002, 11:42